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Deutsche Firmen und der Fall Kashoggi
Handel mit Saudi-Arabien auf dem Prüfstand

In Saudi-Arabien sind rund 800 deutsche Unternehmen tätig. Ihre Produkte sind gefragt - gerade jetzt, wo sich das Land wirtschaftlich neu aufstellt. Doch nach dem gewaltsamen Tod des Journalisten Khashoggi könnte sich ihre Hoffnung auf lukrative Geschäfte schnell zerschlagen.

Von Mischa Ehrhardt | 22.10.2018
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    Der gewaltsame Tod des saudischen Journalisten Khashoggi hat möglicherweise Folgen für das Engagement deutscher Unternehmen in Saudi-Arabien. (dpa)
    Vorstandschefs von Großbanken wie der Deutschen Bank, der Credit Suisse oder des Autobauers Ford haben mit IWF-Chefin Christine Lagarde und dem amerikanischen Finanzminister eines gemeinsam: Sie haben ihre Teilnahme an dem Investorentreffen in Riad abgesagt. Siemens Chef Joe Kaeser wird heute, im Lauf des Tages, seine Entscheidung treffen, heißt es bei Siemens.
    Es geht um viel Geld
    Siemens ist seit langem in Saudi Arabien tätig, baut dort im Energiesektor etwa an Gasturbinen und Anlagen. Im vergangenen Jahr konnte der Konzern einen Großauftrag für Gasturbinen in Höhe von 400 Millionen Euro an Land ziehen. Doch auch beim Bau von U-Bahnen und anderen Infrastrukturprojekten ist Siemens engagiert oder erhofft sich Großaufträge für die Zukunft. Deswegen dürfte die Abwägung Siemens-Chef Joe Kaeser nicht leicht fallen, vermutet der Chef des Bundesverbandes der deutschen Industrie, Dieter Kempf.
    "Ich kann ja Kaeser, den ich sehr gut kenne, keinen Ratschlag erteilen. Ich kenne ihn aber sehr gut, dass er seine Entscheidung sehr gut abwägen wird; er ist genau in dem Dilemma, dass er natürlich sehr viele Ausrüstungsinvestitionen in dieses Land liefert. Eine schwierige Entscheidung, ich möchte nicht in seiner Haut stecken".
    Vertrackte Lage für Unternehmen
    Wie Siemens-Chef Joe Kaeser dürfte es auch anderen Unternehmen und deren Lenkern gehen. Denn jüngst erst hatten sich die Beziehungen zwischen der Berlin und Riad wieder etwas normalisiert, nachdem es Verstimmungen wegen Äußerungen des ehemaligen Außenministers Sigmar Gabriel gegeben hatte. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Saudi-Arabien sind einigermaßen einseitig: Die meisten Produkte liefert Deutschland nach Saudi Arabien, neben Rüstungsexporten sind das Exporte in den Wirtschaftsbereichen, in denen Deutschland auch insgesamt stark ist: etwa im Maschinenbau, im Automobilbereich oder anderen hochtechnologischen Wirtschaftsbereichen. Lagen die Einfuhren aus Saudi-Arabien im vergangenen Jahr bei einem Volumen von nur rund 800 Millionen Euro, exportierten deutsche Unternehmen Waren im Wert von gut sechseinhalb Milliarden Euro in den Wüstenstaat.
    Saudi-Arabien, wirtschaftlich im Umbau
    Und gerade in den vergangenen Monaten ist die Hoffnung bei vielen Unternehmen gestiegen, ihre Geschäfte in Zukunft stark ausweiten zu können. Denn das Land will bis spätestens 2030 seine Wirtschaft unabhängiger vom Öl machen – also nachhaltiger auch im industriellen Bereich aufstellen. Oliver Oehms von der Deutschen Außenhandelskammer in Saudi Arabien:
    "Immer dann, wenn Diversifizierung einer bisher relativ monothematischen Industrie stattfindet, kommen natürlich deutsche Produkte und Dienstleistungen ins Spiel. Deutsche Produkte des Maschinen und Anlagenbaus, aber auch eine breite Palette an deutschen Dienstleistungen".
    Rund 800 deutsche Unternehmen sind derzeit in Saudi-Arabien bereits tätig, darunter viele Mittelständler, aber auch Großkonzerne wie Linde, Bayer oder Daimler. Der Autobauer beispielsweise produziert Lastwagen in Saudi-Arabien, Linde und BASF betreiben und betreuen ebenfalls Großprojekte in dem Land. Siemens schließlich sieht etwa im Bereitstellen von Gesundheitstechnik oder im Aufbau von Infrastruktur wie Gebäudetechnik oder der Automatisierung von Fabrikanlagen lukrative Zukunftsfelder. Mauricio Vargas, Volkswirt und Schwellenländer-Spezialist von Union Investment:
    "Die Tatsache, dass Herr Käser sich so zögerlich zeigt, spricht schon dafür, dass Siemens hier große Hoffnungen hat an den Geschäften beteiligt zu werden. Aber auf der anderen Seite ist natürlich auch der Reputationsverlust für so ein Unternehmen wie Siemens nicht zu verachten. Insofern gilt es da für Herrn Käser sehr stark abzuwägen".