Matlok: Guten Morgen.
Wiese: Herr Matlok, Sie sind Chefredakteur des "Nordschleswigers". Das ist die Zeitung für die deutsche Minderheit in Dänemark. Sie sind aber auch Vertreter der deutschen Minderheit im dänischen Parlament, dem Volketing, jedoch kein regulärer Abgeordneter. Erklären Sie uns das bitte.
Matlok: Die deutsche Minderheit hat wegen der Sperrklausel, die es in Dänemark gibt, auch gegen nationale Minderheit, eine Zwei-Prozent-Sperrklausel, ihr Mandat 1964 verloren und hat dann 1983 ein Sekretariat bekommen, das bei der Regierung und beim dänischen Parlament dem Volketing angesiedelt ist und dessen Leiter ich seit 1983 bin.
Wiese: Warum gibt es denn in Dänemark eine Sperrklausel und in Deutschland nicht für die dänische Gemeinde?
Matlok: Das hat natürlich eine andere Tradition und da dürfen wir natürlich die Geschichte nicht außer Acht lassen. Für die Dänen war das ganze Verhältnis zu Deutschland und zur deutschen Minderheit nach 1945, teilweise ja auch durchaus verständlich, sehr belastet und umgekehrt musste natürlich die neue Bundesrepublik Deutschland sich bemühen, einen Ausgleich mit Dänemark zu schaffen. Und deshalb hat Deutschland damals ein Eingeständnis gemacht und den Weg frei gemacht für die Sonderregelung für die dänische Minderheit. Der Spiegel nannte das damals einen Drei-zu-Eins-Sieg. Aber ich glaube, selbst wenn jetzt sehr kritische Stimmen kommen auf beiden Seiten und leider auch sehr bedauerliche Töne zu hören sind, dass wir natürlich hier jetzt an dem 50. Jahrestag dieser Bonn-Kopenhagen-Erklärung auch Grund haben, zu feiern. Denn letztendlich hat sich das Modell über 50 Jahre bewährt und es sollten jetzt nicht in Trübsal blasen, nur wegen dieser Streitigkeiten in Kiel.
Wiese: Lassen Sie uns da etwas später drauf zu sprechen kommen, Herr Matlok. Zunächst einmal auch an Sie die Frage: Gibt es denn, ähnlich wie den SSW in Schleswig-Holstein, auch eine Partei der deutschen Minderheit in Dänemark?
Matlok: Ja, es gibt eine deutsche Minderheitenpartei, die Schleswigsche Partei, die in Kommunalparlamenten vertreten ist. Und hier ist nun folgendes ganz interessant, im aktuellen Lichte der Diskussion in Schleswig-Holstein. In Dänemark bereitet die Regierung eine große Kommunalreform vor und da hat die deutsche Minderheit in manchen Orten, wo sie es jetzt natürlich in größere Kommunen schwieriger haben wird, vertreten zu werden, eine Art Sonderregelung gefordert. Und das ist von der dänischen Regierung damit abgelehnt worden, man könne doch nicht eine Sonderregelung haben, so dass eine deutsche Minderheit dann eine Bürgermeisterwahl entscheiden könne. Und die weitere Begründung war, wenn man eine Bürgermeisterwahl entscheiden würde über ein Sondermandat sozusagen, dann würde es sicherlich auch böses Blut in der Bevölkerung geben. Also, man kann natürlich ein bisschen lächeln vor dem traurigen Hintergrund in Kiel.
Wiese: Da haben wir das Beispiel, in Kiel spielt der SSW das Zünglein an der Waage. Wenn die deutsche Minderheit in Dänemark in den Kommunalparlamenten das Zünglein an der Waage spielt, dann geht das offensichtlich nicht.
Matlok: Dann gilt auf jeden Fall nicht, auch wenn man natürlich diesen Vergleich zum Landesparlament in Schleswig-Holstein nicht herstellen kann, aber weil es eben doch noch sozusagen gefährliche Unterströmungen gibt. Es gibt noch Vorbehalte auf beiden Seiten und das muss man natürlich auch, wenn man Minderheitenpolitik macht, beachten. Minderheitenpolitik besteht ja nicht nur darin, immer mehr zu fordern, sondern Minderheitenpolitik muss auch aufpassen, dass man natürlich auch als Minderheit keine Mehrheit majorisiert und umgekehrt muss die Mehrheit natürlich darauf achten, dass die Grundrechte von Minderheiten, so wie sie zum Beispiel auch durch das Urteil des Karlsruher Verfassungsgericht zum Ausdruck gekommen ist, dass diese Rechte auch gesichert werden.
Wiese: Ja, aber wie reagieren dann die dänischen Stimmen auf die Rolle des SSW in Schleswig-Holstein, der ja genau das spielt, das Zünglein an der Waage nämlich und die Mehrheit letzten Endes majorisiert.
Matlok: Also der Unterschied ist natürlich für den Dänen: Wenn ein Däne etwas tut, dann ist es natürlich im Verhältnis besser, als wenn es ein Deutscher macht. Jetzt ein bisschen zugespitzt formuliert. Wir haben in wenigen Stunden ein Gespräch mit dem dänischen Innenminister und wir werden auch diese Frage ansprechen. Wir mischen uns natürlich überhaupt nicht in die inneren Angelegenheiten des SSW. Das muss der SSW selbst entscheiden, das ist eine historische Entscheidung. Aber man muss natürlich wissen, dass wenn man von dänischer Seite einerseits sagt, ja gut, dort akzeptieren wir das, dann muss man sich auch gefallen lassen, dass wir von Seiten der deutschen Minderheit auch Fragen stellen. Ich will auch noch mal sagen zum SSW-Modell, es wird immer vom nordischen Modell gesprochen, das ist natürlich sehr interessant, wenn man das nordische Modell wirklich kennt vor Ort hier in Kopenhagen. Und nun bin ich ja seit über 20 Jahren politischer Beobachter hier und ich warte deshalb sehr gespannt darauf, ob der SSW, wenn er jetzt eine Duldung macht - Duldung und Tolerierung ist für mich auch noch ein kleiner Unterschied - aber wenn er jetzt diese Minderheitsregierung mitträgt, aber dann auch nach nordischem Modell wechselnde Mehrheiten eingeht mit der CDU. Das tun in Dänemark Parteien, die Minderheitsregierungen stützen, die machen auch Mehrheiten mit Oppositionsparteien. Und dann sieht natürlich die Lage in Schleswig-Holstein ganz anders aus.
Wiese: Das wird eine interessante Beobachtung sein, Herr Matlok. Sie kamen vorhin auf den 50. Jahrestag des Bonn-Kopenhagen-Abkommens zu sprechen. Da wird ja sicherlich eitel Freude und Jubel sein. Aber ganz so einfach und ganz so unkompliziert scheint es zwischen den beiden Volksgruppen doch nicht zu sein.
Matlok: Also zwischen beiden Volksgruppen gibt es keine Probleme. Aber es gibt immer noch Probleme zwischen Mehrheiten und Minderheiten. Aber das muss man immer noch im Lichte der Entwicklung sehen. In den vergangenen fünf Jahrzehnten ist viel erreicht worden. Jetzt sind leider einige dunkle Flecken auf diese Festlichkeiten gefallen. Aber dies muss man nur zur Kenntnis nehmen und man muss wissen, dass Minderheitenpolitik eine zarte Pflanze ist, die nicht nur behütet werden muss, sondern die auch gepflegt werden muss. Das heißt, Minderheitenpolitik ist kein Selbstgänger. Man muss auch in Zukunft darauf achten, dass deutsche, dänische und auch europäische Minderheitenpolitik in der Tat auch konkret umgesetzt werden. Das heißt, man darf Minderheiten nicht diskriminieren.
Wiese: Aber zu einer echten Verschlechterung des deutsch-dänischen Verhältnisses wird diese Diskussion in Schleswig-Holstein nicht führen?
Matlok: Ich habe gerade gestern Abend in Kopenhagen mit einem führenden Generalsekretär des SSW diese Fragen diskutiert und wir sind uns beide einig, dass es natürlich jetzt in diesen Tagen Rückschläge gibt, auch bittere Enttäuschung auf dänischer Seite über die deutschen Reaktionen, zum Beispiel von CDU-Ministerpräsidenten, die sich da geäußert haben mit Verfassungsklagen und so weiter. Aber beide waren wir uns einig, dass letztendlich das deutsch-dänische Verhältnis so stark zementiert ist, dass es langfristig keine Probleme mit sich bringen wird. Jedenfalls ist das unsere Hoffnung.
Wiese: Das war der Vertreter der deutschen Minderheit in Dänemark, Siegfried Matlok.
Wiese: Herr Matlok, Sie sind Chefredakteur des "Nordschleswigers". Das ist die Zeitung für die deutsche Minderheit in Dänemark. Sie sind aber auch Vertreter der deutschen Minderheit im dänischen Parlament, dem Volketing, jedoch kein regulärer Abgeordneter. Erklären Sie uns das bitte.
Matlok: Die deutsche Minderheit hat wegen der Sperrklausel, die es in Dänemark gibt, auch gegen nationale Minderheit, eine Zwei-Prozent-Sperrklausel, ihr Mandat 1964 verloren und hat dann 1983 ein Sekretariat bekommen, das bei der Regierung und beim dänischen Parlament dem Volketing angesiedelt ist und dessen Leiter ich seit 1983 bin.
Wiese: Warum gibt es denn in Dänemark eine Sperrklausel und in Deutschland nicht für die dänische Gemeinde?
Matlok: Das hat natürlich eine andere Tradition und da dürfen wir natürlich die Geschichte nicht außer Acht lassen. Für die Dänen war das ganze Verhältnis zu Deutschland und zur deutschen Minderheit nach 1945, teilweise ja auch durchaus verständlich, sehr belastet und umgekehrt musste natürlich die neue Bundesrepublik Deutschland sich bemühen, einen Ausgleich mit Dänemark zu schaffen. Und deshalb hat Deutschland damals ein Eingeständnis gemacht und den Weg frei gemacht für die Sonderregelung für die dänische Minderheit. Der Spiegel nannte das damals einen Drei-zu-Eins-Sieg. Aber ich glaube, selbst wenn jetzt sehr kritische Stimmen kommen auf beiden Seiten und leider auch sehr bedauerliche Töne zu hören sind, dass wir natürlich hier jetzt an dem 50. Jahrestag dieser Bonn-Kopenhagen-Erklärung auch Grund haben, zu feiern. Denn letztendlich hat sich das Modell über 50 Jahre bewährt und es sollten jetzt nicht in Trübsal blasen, nur wegen dieser Streitigkeiten in Kiel.
Wiese: Lassen Sie uns da etwas später drauf zu sprechen kommen, Herr Matlok. Zunächst einmal auch an Sie die Frage: Gibt es denn, ähnlich wie den SSW in Schleswig-Holstein, auch eine Partei der deutschen Minderheit in Dänemark?
Matlok: Ja, es gibt eine deutsche Minderheitenpartei, die Schleswigsche Partei, die in Kommunalparlamenten vertreten ist. Und hier ist nun folgendes ganz interessant, im aktuellen Lichte der Diskussion in Schleswig-Holstein. In Dänemark bereitet die Regierung eine große Kommunalreform vor und da hat die deutsche Minderheit in manchen Orten, wo sie es jetzt natürlich in größere Kommunen schwieriger haben wird, vertreten zu werden, eine Art Sonderregelung gefordert. Und das ist von der dänischen Regierung damit abgelehnt worden, man könne doch nicht eine Sonderregelung haben, so dass eine deutsche Minderheit dann eine Bürgermeisterwahl entscheiden könne. Und die weitere Begründung war, wenn man eine Bürgermeisterwahl entscheiden würde über ein Sondermandat sozusagen, dann würde es sicherlich auch böses Blut in der Bevölkerung geben. Also, man kann natürlich ein bisschen lächeln vor dem traurigen Hintergrund in Kiel.
Wiese: Da haben wir das Beispiel, in Kiel spielt der SSW das Zünglein an der Waage. Wenn die deutsche Minderheit in Dänemark in den Kommunalparlamenten das Zünglein an der Waage spielt, dann geht das offensichtlich nicht.
Matlok: Dann gilt auf jeden Fall nicht, auch wenn man natürlich diesen Vergleich zum Landesparlament in Schleswig-Holstein nicht herstellen kann, aber weil es eben doch noch sozusagen gefährliche Unterströmungen gibt. Es gibt noch Vorbehalte auf beiden Seiten und das muss man natürlich auch, wenn man Minderheitenpolitik macht, beachten. Minderheitenpolitik besteht ja nicht nur darin, immer mehr zu fordern, sondern Minderheitenpolitik muss auch aufpassen, dass man natürlich auch als Minderheit keine Mehrheit majorisiert und umgekehrt muss die Mehrheit natürlich darauf achten, dass die Grundrechte von Minderheiten, so wie sie zum Beispiel auch durch das Urteil des Karlsruher Verfassungsgericht zum Ausdruck gekommen ist, dass diese Rechte auch gesichert werden.
Wiese: Ja, aber wie reagieren dann die dänischen Stimmen auf die Rolle des SSW in Schleswig-Holstein, der ja genau das spielt, das Zünglein an der Waage nämlich und die Mehrheit letzten Endes majorisiert.
Matlok: Also der Unterschied ist natürlich für den Dänen: Wenn ein Däne etwas tut, dann ist es natürlich im Verhältnis besser, als wenn es ein Deutscher macht. Jetzt ein bisschen zugespitzt formuliert. Wir haben in wenigen Stunden ein Gespräch mit dem dänischen Innenminister und wir werden auch diese Frage ansprechen. Wir mischen uns natürlich überhaupt nicht in die inneren Angelegenheiten des SSW. Das muss der SSW selbst entscheiden, das ist eine historische Entscheidung. Aber man muss natürlich wissen, dass wenn man von dänischer Seite einerseits sagt, ja gut, dort akzeptieren wir das, dann muss man sich auch gefallen lassen, dass wir von Seiten der deutschen Minderheit auch Fragen stellen. Ich will auch noch mal sagen zum SSW-Modell, es wird immer vom nordischen Modell gesprochen, das ist natürlich sehr interessant, wenn man das nordische Modell wirklich kennt vor Ort hier in Kopenhagen. Und nun bin ich ja seit über 20 Jahren politischer Beobachter hier und ich warte deshalb sehr gespannt darauf, ob der SSW, wenn er jetzt eine Duldung macht - Duldung und Tolerierung ist für mich auch noch ein kleiner Unterschied - aber wenn er jetzt diese Minderheitsregierung mitträgt, aber dann auch nach nordischem Modell wechselnde Mehrheiten eingeht mit der CDU. Das tun in Dänemark Parteien, die Minderheitsregierungen stützen, die machen auch Mehrheiten mit Oppositionsparteien. Und dann sieht natürlich die Lage in Schleswig-Holstein ganz anders aus.
Wiese: Das wird eine interessante Beobachtung sein, Herr Matlok. Sie kamen vorhin auf den 50. Jahrestag des Bonn-Kopenhagen-Abkommens zu sprechen. Da wird ja sicherlich eitel Freude und Jubel sein. Aber ganz so einfach und ganz so unkompliziert scheint es zwischen den beiden Volksgruppen doch nicht zu sein.
Matlok: Also zwischen beiden Volksgruppen gibt es keine Probleme. Aber es gibt immer noch Probleme zwischen Mehrheiten und Minderheiten. Aber das muss man immer noch im Lichte der Entwicklung sehen. In den vergangenen fünf Jahrzehnten ist viel erreicht worden. Jetzt sind leider einige dunkle Flecken auf diese Festlichkeiten gefallen. Aber dies muss man nur zur Kenntnis nehmen und man muss wissen, dass Minderheitenpolitik eine zarte Pflanze ist, die nicht nur behütet werden muss, sondern die auch gepflegt werden muss. Das heißt, Minderheitenpolitik ist kein Selbstgänger. Man muss auch in Zukunft darauf achten, dass deutsche, dänische und auch europäische Minderheitenpolitik in der Tat auch konkret umgesetzt werden. Das heißt, man darf Minderheiten nicht diskriminieren.
Wiese: Aber zu einer echten Verschlechterung des deutsch-dänischen Verhältnisses wird diese Diskussion in Schleswig-Holstein nicht führen?
Matlok: Ich habe gerade gestern Abend in Kopenhagen mit einem führenden Generalsekretär des SSW diese Fragen diskutiert und wir sind uns beide einig, dass es natürlich jetzt in diesen Tagen Rückschläge gibt, auch bittere Enttäuschung auf dänischer Seite über die deutschen Reaktionen, zum Beispiel von CDU-Ministerpräsidenten, die sich da geäußert haben mit Verfassungsklagen und so weiter. Aber beide waren wir uns einig, dass letztendlich das deutsch-dänische Verhältnis so stark zementiert ist, dass es langfristig keine Probleme mit sich bringen wird. Jedenfalls ist das unsere Hoffnung.
Wiese: Das war der Vertreter der deutschen Minderheit in Dänemark, Siegfried Matlok.