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Deutsche Wähler in Griechenland

Griechenland spielt wegen der Schuldenkrise auch im deutschen Wahlkampf eine wichtige Rolle. Die rund 12.000 dort lebenden Deutschen sind bei dem Thema zwiegespalten: Die einen verteidigen Angela Merkel, die anderen hoffen auf einen Regierungswechsel.

Von Rodothea Seralidou |
    Im Haus Koroneos, dem einzigen deutschen Altenheim in Athen. Die Wahlen in Deutschland sind hier unter den Mitarbeitern zurzeit Gesprächsthema Nummer eins. Thyra Alexopoulos hat ihre Stimme schon längst abgegeben, per Briefwahl. Gespannt wartet die 69-Jährige nun auf den Ausgang der Wahlen. Die gebürtige Mülheimerin wünscht sich von der neuen Regierung vor allem eins: ein anderes Verständnis vom vereinten Europa.

    "Weil wir alle Europäer sind und dieser europäische Gedanke, der früher sehr stark war, den müsste man mehr betonen. Deshalb bin ich nicht dafür 'die müssen raus, die dürfen bleiben in Europa', sondern wir müssen wirklich einen Weg finden, damit wir später auch wirtschaftlich bestehen können.”"

    Ihre Freundin Vera Dimopoulos nickt. Die ehemalige Landgerichtsrätin aus Düsseldorf arbeitet einmal in der Woche ehrenamtlich im Altenheim. Große Hoffnungen, dass sich in Griechenland nach den Wahlen am Sonntag viel ändert, hat sie nicht:

    ""Gesetzt dem Falle die SPD würde die CDU ablösen mit einer rot-rot-grünen Koalition: Ich glaube nicht, dass sie eine wirkliche Wende herbeiführen, weil die Realität sie einholen wird, die wirtschaftliche Realität. Was sich sicherlich ändern wird, ist, dass es dann etwas vorankommt, nach der Wahl. Denn der große Mist ist, dass alles vor sich her geschoben wird.”"

    Und dieses "Auf-Zeit-Spielen" mache die Situation nur noch schlimmer, findet auch Verwaltungsangestellte Tanja Nettersheim. Die 38-jährige Kölnerin erwartet direkt nach den Wahlen rasche Entwicklungen in Sachen Griechenlandhilfe:

    ""Es wird ja jetzt in Deutschland schon angedeutet, dass Griechenland ein drittes Hilfspaket bekommt. Meiner Meinung nach muss es den Schuldenschnitt geben. Egal wie viel man spart, die Schulden werden immer mehr, sie werden nicht weniger. Ich fühle mich so wie jemand, der sich von der Mafia Geld geliehen hat und man kann den Betrag nie zurückzahlen, weil die Zinsen so hoch sind. Die deutsche Bevölkerung muss verstehen, dass wir hier nicht alle faul sind und dass wir hier massiv sparen.”"

    Massiv sparen muss auch ihre vierköpfige Familie. Durch die enormen Steuererhöhungen verdient Tanjas Mann monatlich rund 350 Euro weniger als noch vor einem Jahr; so etwas wie Kindergeld gibt es für ihre zwei Kinder nicht - und die Familie muss jederzeit bangen, dass die hohe Arbeitslosigkeit über kurz oder lang auch sie treffen könnte.

    Franz Gollwitzer ist der einzige bekennende Merkel-Fan im Haus Koroneos. Der Ehemann der Heimleiterin kommt ursprünglich aus Bayern. Sein Dorf in der Oberpfalz bestehe ausschließlich aus CSU-Wählern, sagt er und lacht.

    ""Ich hoffe nicht, dass der Politikwechsel kommt, ich hoffe, dass die Merkel dran bleibt. Man kann ja nicht nur Geld ausleihen und nicht mehr zurückzahlen. So ist es ja im ganzen Leben. Wenn ich mir irgendwo Geld leihe, dann muss ich das doch zurückzahlen. Und da ist das Problem bei der SPD, die will das ja lockern.”"

    Dass er als Deutscher ständig auf Angela Merkel angesprochen wird, nimmt Franz Gollwitzer mit Humor.

    ""Wenn ich hier in die Taverne gehe, dann sagt man mir: Sie können gerne wiederkommen. Aber ohne Merkel. Mein Gott, das ist ja wie in Bayern mit den Nordlichtern. Also wir machen es ja nicht viel anders."

    Tanja Nettersheim hingegen ist vom ständigen Gerede über Merkel genervt. Als Deutsche fühlt sie sich aber verpflichtet, die Politik der Bundesregierung zu verteidigen:

    ""Ich rechtfertige Frau Merkel und Herrn Schäuble immer. So wie ich in Deutschland Griechen verteidige; auch wenn ich dagegen bin. Das ist so, wie wenn man über Verwandte lästert. Man darf es nur, wenn man zur Verwandtschaft gehört, aber wenn dann ein Fremder auch was sagen würde, wäre man beleidigt. Und so verteidige ich die Regierung Merkel.”"