Friedbert Meurer: Welche Entwicklungshilfe ist die beste? Wie kommt sie am effektivsten und am ehesten an? In Accra, der Hauptstadt von Ghana, ist gestern eine große internationale Konferenz zu diesen Fragen zu Ende gegangen. Ein Fazit lautet: die Vertreter der Entwicklungsländer wollen künftig selbst stärker mitreden als bisher, weil sie auch im Zweifelsfall besser wüssten als eingeflogene Experten aus Europa oder den USA, was in ihrem Land zu tun sei. – In Accra in Ghana begrüße ich Birgit Dederichs-Bain, Referentin für die Deutsche Welthungerhilfe. Mehr Eigenständigkeit als Wunsch der Entwicklungsländer, wie ist denn dieses Thema bei der Konferenz diskutiert worden?
Birgit Dederichs-Bain: Das ist wie immer bei einer solchen Konferenz konträr diskutiert worden. Aber eines ist ganz klar: wenn man – und das sagt ja die Pariser Erklärung – möchte, dass die Wirkung von Entwicklungshilfe besser wird, dann muss man mehr in die Entwicklungsländer selbst verlagern, das heißt mehr Eigenständigkeit für die Entwicklungshilfe. Es nutzt ja nichts, wenn Prozesse stattfinden in den Ländern, die von ausländischen Gebern gesteuert werden, die danach auch wieder abziehen. Was bleibt dann im Lande zurück? Es geht ja darum, den Kapazitätenaufbau, wie es so schön heißt, im Lande zu betreiben, dass die Menschen, die dort leben, selbst mitbestimmen können bei den Lösungen, die sie tangieren, und die notwendigen Fähigkeiten dafür erwerben.
Meurer: Nennen Sie mal ein Beispiel, wo die Menschen in den Entwicklungsländern selbst entscheiden sollten?
Dederichs-Bain: Ich denke zum Beispiel, wenn es darum geht, wie eine Gesundheitspolitik in einem Sektor gestaltet wird, oder wie eine Landwirtschaftspolitik gestaltet wird. Dann sollten die Menschen, die in dem Sektor arbeiten – ob das jetzt Frauenorganisationen sind, die sehr oft die Leistungen im Gesundheitssektor übernehmen, oder ob es Bauernorganisationen sind, die im landwirtschaftlichen Sektor arbeiten und deshalb die Probleme am besten ja selbst kennen - in der Lage sein, dass sie zum Beispiel bei der Gestaltung einer Politik, die dann den Jahresplan der Regierung in dem jeweiligen Land ausmacht, mitbestimmen sollen, dass es Konsultationen geben soll, dass mit den Leuten geredet wird, dass sie sagen sollen, welche Lösungen ihnen vorschweben. Das ist wirklich das Problem und das ist auch das Neue in der Accra-Agenda, dass die Eigenständigkeit nicht nur auf Regierungsebene bezogen wird, sondern dass es eine demokratische Eigenverantwortung geben muss, die die Gruppen, um die es geht, und die Menschen letztlich, um die es geht, mit einbezieht. Die wissen selbst am besten, welche Lösungen für sie am günstigsten sind.
Meurer: Stehen nicht zu viele Nicht-Regierungsorganisationen – ich sage es mal hart – unter dem Kuratel von autoritären Regierungen und kann man denen dann tatsächlich mehr Eigenständigkeit anvertrauen?
Dederichs-Bain: Ich denke, man hat viel mit Vorurteilen zu tun und sicherlich gibt es auch solche Probleme. Ganz klar, das kann man auch nicht wegreden. Aber ich kann hier nur sagen, von dem was ich auch hier wieder erlebe, es gibt eine unglaubliche engagierte Anzahl von Organisationen, die in den ländlichen Gebieten arbeiten, von Frauenorganisationen, von Gewerkschaften, von Bauernorganisationen, die hier sind und die sich einbringen und die wirklich versuchen, an der Lebenssituation von vielen Menschen, die in zum Teil immer noch sehr großer Armut leben, etwas zu verändern. Das sind eigenständige Organisationen. Die brauchen aber auch gerade, um sich schützen zu können, zum Beispiel auch einen Rechtsraum. Die brauchen auch die Möglichkeit, sich ungehindert äußern zu können, ohne dass irgendeinem von ihnen was passiert. Die brauchen auch die Möglichkeit, zum Beispiel bei Wahlen Einfluss zu nehmen und die so genannten Informationen dazu auch rechtzeitig zu erhalten, wann passiert was wo, wann werden wo welche Entscheidungen getroffen und kann ich in irgendeiner Form dort mitwirken. Das sind die Fragen, um die es eigentlich geht.
Meurer: Die Amerikaner, die bei dieser Konferenz auch vertreten sind, die US-Vertreter sagen, wir müssen staatlich kontrollieren, was aus unserer Entwicklungshilfe wird, weil die Gefahr von Korruption und Miss-Management zu groß ist. Ist dieser Einwand so abwegig?
Dederichs-Bain: Dass Kontrolle sein muss, das ist völlig richtig. Aber ich sage mal, Korruption gibt es ja nun nicht nur auf einer Seite, sondern die gibt es überall. Das wäre meine erste Anmerkung.
Das zweite ist, dass die Mittel, was ja jetzt sehr stark diskutiert wird, von einem Staatshaushalt in den anderen Staatshaushalt fließen, also von der Geberregierung in die Nehmerregierung. Gerade dann ist es natürlich wichtig zu kontrollieren, was passiert denn mit den Geldern, wofür werden sie denn ausgegeben. Fließt das Geld tatsächlich zum Beispiel in den Bildungssektor? Werden damit Schulen gebaut? Werden Lehrer ausgebildet? Werden Lehrergehälter aus diesen Mitteln bezahlt? – Oder im landwirtschaftlichen Sektor: Wird das Geld wirklich dazu benutzt, Bewässerungssysteme zu schaffen, oder Beratungsdienste zu unterstützen und so weiter. Das heißt, man muss schon gucken, wohin es geht. Das kann jetzt nicht alleine den staatlichen Stellen überlassen bleiben. Das ist schon völlig richtig. Gerade deshalb sagen wir ja auch, dass Bürger im Lande, dass die Nicht-Regierungsorganisationen, andere Teile der Zivilgesellschaft, die ich eben nannte, ob es Gewerkschaften sind oder Bauernorganisationen, dass einfach die Menschen im Lande auch in die Lage versetzt werden, ihren Regierungen auf die Finger zu schauen, wie das ja in unseren Ländern, wo uns die Systeme vertraut sind, auch geschieht.
Meurer: Die Menschen im Lande können auch dadurch mehr eingesetzt werden oder zum Zuge kommen, Frau Dederichs, dass statt ausländischer Experten, die relativ viel Geld und Gehalt kosten, mehr auf einheimische billige Fachkräfte zurückgegriffen werden soll. Wie verliefen da die Diskussionen?
Dederichs-Bain: Auch da wie immer gibt es ganz viele Meinungen. Aber ganz klar ist, dass natürlich dort, wo Wissen im Lande ist, dieses Wissen auch genutzt werden sollte. Das würde ja sonst gar keinen Sinn machen. Da wo Wissen noch nicht in dem erforderlichen Maße vorhanden ist und wo Experten aus anderen Ländern darüber verfügen, könnte es auch so etwas wie gemeinsame Missionen geben oder gemeinsame Evaluierung oder gemeinsame Planungen, dass ein Wissenstransfer stattfinden würde. Aber sicher ist richtig, dass dort wo Wissen im Lande ist, dieses Wissen auch genutzt werden sollte.
Meurer: Birgit Dederichs-Bain, Referentin der Deutschen Welthungerhilfe, für uns in Accra in Ghana vom Abschluss der internationalen Entwicklungskonferenz. Danke, Frau Dederichs-Bain, und auf Wiederhören!
Dederichs-Bain: Auf Wiederhören!
Birgit Dederichs-Bain: Das ist wie immer bei einer solchen Konferenz konträr diskutiert worden. Aber eines ist ganz klar: wenn man – und das sagt ja die Pariser Erklärung – möchte, dass die Wirkung von Entwicklungshilfe besser wird, dann muss man mehr in die Entwicklungsländer selbst verlagern, das heißt mehr Eigenständigkeit für die Entwicklungshilfe. Es nutzt ja nichts, wenn Prozesse stattfinden in den Ländern, die von ausländischen Gebern gesteuert werden, die danach auch wieder abziehen. Was bleibt dann im Lande zurück? Es geht ja darum, den Kapazitätenaufbau, wie es so schön heißt, im Lande zu betreiben, dass die Menschen, die dort leben, selbst mitbestimmen können bei den Lösungen, die sie tangieren, und die notwendigen Fähigkeiten dafür erwerben.
Meurer: Nennen Sie mal ein Beispiel, wo die Menschen in den Entwicklungsländern selbst entscheiden sollten?
Dederichs-Bain: Ich denke zum Beispiel, wenn es darum geht, wie eine Gesundheitspolitik in einem Sektor gestaltet wird, oder wie eine Landwirtschaftspolitik gestaltet wird. Dann sollten die Menschen, die in dem Sektor arbeiten – ob das jetzt Frauenorganisationen sind, die sehr oft die Leistungen im Gesundheitssektor übernehmen, oder ob es Bauernorganisationen sind, die im landwirtschaftlichen Sektor arbeiten und deshalb die Probleme am besten ja selbst kennen - in der Lage sein, dass sie zum Beispiel bei der Gestaltung einer Politik, die dann den Jahresplan der Regierung in dem jeweiligen Land ausmacht, mitbestimmen sollen, dass es Konsultationen geben soll, dass mit den Leuten geredet wird, dass sie sagen sollen, welche Lösungen ihnen vorschweben. Das ist wirklich das Problem und das ist auch das Neue in der Accra-Agenda, dass die Eigenständigkeit nicht nur auf Regierungsebene bezogen wird, sondern dass es eine demokratische Eigenverantwortung geben muss, die die Gruppen, um die es geht, und die Menschen letztlich, um die es geht, mit einbezieht. Die wissen selbst am besten, welche Lösungen für sie am günstigsten sind.
Meurer: Stehen nicht zu viele Nicht-Regierungsorganisationen – ich sage es mal hart – unter dem Kuratel von autoritären Regierungen und kann man denen dann tatsächlich mehr Eigenständigkeit anvertrauen?
Dederichs-Bain: Ich denke, man hat viel mit Vorurteilen zu tun und sicherlich gibt es auch solche Probleme. Ganz klar, das kann man auch nicht wegreden. Aber ich kann hier nur sagen, von dem was ich auch hier wieder erlebe, es gibt eine unglaubliche engagierte Anzahl von Organisationen, die in den ländlichen Gebieten arbeiten, von Frauenorganisationen, von Gewerkschaften, von Bauernorganisationen, die hier sind und die sich einbringen und die wirklich versuchen, an der Lebenssituation von vielen Menschen, die in zum Teil immer noch sehr großer Armut leben, etwas zu verändern. Das sind eigenständige Organisationen. Die brauchen aber auch gerade, um sich schützen zu können, zum Beispiel auch einen Rechtsraum. Die brauchen auch die Möglichkeit, sich ungehindert äußern zu können, ohne dass irgendeinem von ihnen was passiert. Die brauchen auch die Möglichkeit, zum Beispiel bei Wahlen Einfluss zu nehmen und die so genannten Informationen dazu auch rechtzeitig zu erhalten, wann passiert was wo, wann werden wo welche Entscheidungen getroffen und kann ich in irgendeiner Form dort mitwirken. Das sind die Fragen, um die es eigentlich geht.
Meurer: Die Amerikaner, die bei dieser Konferenz auch vertreten sind, die US-Vertreter sagen, wir müssen staatlich kontrollieren, was aus unserer Entwicklungshilfe wird, weil die Gefahr von Korruption und Miss-Management zu groß ist. Ist dieser Einwand so abwegig?
Dederichs-Bain: Dass Kontrolle sein muss, das ist völlig richtig. Aber ich sage mal, Korruption gibt es ja nun nicht nur auf einer Seite, sondern die gibt es überall. Das wäre meine erste Anmerkung.
Das zweite ist, dass die Mittel, was ja jetzt sehr stark diskutiert wird, von einem Staatshaushalt in den anderen Staatshaushalt fließen, also von der Geberregierung in die Nehmerregierung. Gerade dann ist es natürlich wichtig zu kontrollieren, was passiert denn mit den Geldern, wofür werden sie denn ausgegeben. Fließt das Geld tatsächlich zum Beispiel in den Bildungssektor? Werden damit Schulen gebaut? Werden Lehrer ausgebildet? Werden Lehrergehälter aus diesen Mitteln bezahlt? – Oder im landwirtschaftlichen Sektor: Wird das Geld wirklich dazu benutzt, Bewässerungssysteme zu schaffen, oder Beratungsdienste zu unterstützen und so weiter. Das heißt, man muss schon gucken, wohin es geht. Das kann jetzt nicht alleine den staatlichen Stellen überlassen bleiben. Das ist schon völlig richtig. Gerade deshalb sagen wir ja auch, dass Bürger im Lande, dass die Nicht-Regierungsorganisationen, andere Teile der Zivilgesellschaft, die ich eben nannte, ob es Gewerkschaften sind oder Bauernorganisationen, dass einfach die Menschen im Lande auch in die Lage versetzt werden, ihren Regierungen auf die Finger zu schauen, wie das ja in unseren Ländern, wo uns die Systeme vertraut sind, auch geschieht.
Meurer: Die Menschen im Lande können auch dadurch mehr eingesetzt werden oder zum Zuge kommen, Frau Dederichs, dass statt ausländischer Experten, die relativ viel Geld und Gehalt kosten, mehr auf einheimische billige Fachkräfte zurückgegriffen werden soll. Wie verliefen da die Diskussionen?
Dederichs-Bain: Auch da wie immer gibt es ganz viele Meinungen. Aber ganz klar ist, dass natürlich dort, wo Wissen im Lande ist, dieses Wissen auch genutzt werden sollte. Das würde ja sonst gar keinen Sinn machen. Da wo Wissen noch nicht in dem erforderlichen Maße vorhanden ist und wo Experten aus anderen Ländern darüber verfügen, könnte es auch so etwas wie gemeinsame Missionen geben oder gemeinsame Evaluierung oder gemeinsame Planungen, dass ein Wissenstransfer stattfinden würde. Aber sicher ist richtig, dass dort wo Wissen im Lande ist, dieses Wissen auch genutzt werden sollte.
Meurer: Birgit Dederichs-Bain, Referentin der Deutschen Welthungerhilfe, für uns in Accra in Ghana vom Abschluss der internationalen Entwicklungskonferenz. Danke, Frau Dederichs-Bain, und auf Wiederhören!
Dederichs-Bain: Auf Wiederhören!