Handelskonflikt beigelegt
Deutsche Wirtschaft reagiert zurückhaltend bis entsetzt auf Zolleinigung der EU mit den USA

Die Einigung im Zollstreit zwischen der EU und den USA stößt in der deutschen Wirtschaft auf unterschiedliche Reaktionen. Sie reichen von "Schlimmeres verhindert" bis hin zu "fatalem Signal". Der Ökonom Jens Südekum sagte im Deutschlandfunk, er sehe "keinen Grund zum Jubeln". Bundeskanzler Merz begrüßte die Vereinbarung.

    US-Präsident Trump traf die Präsidentin der Europäischen Kommission, von der Leyen, zu Gesprächen in Schottland. Beide schütteln einander die Hand, von der Leyen lächelt.
    US-Präsident Trump traf die Präsidentin der Europäischen Kommission, von der Leyen, zu Gesprächen in Schottland. (AP / Jacquelyn Martin)
    Ein Sprecher von Merz sagte, es sei gelungen, einen Handelskonflikt abzuwenden, der die exportorientierte deutsche Wirtschaft hart getroffen hätte. Dies gelte insbesondere für die Automobilwirtschaft. Die für sie gegenwärtig geltenden Zölle von 27,5 Prozent sollen den Angaben zufolge auf 15 Prozent gesenkt werden. Dies sei "von größter Bedeutung", ließ Merz über seinen Sprecher erklären. Die Einigkeit der EU in den Verhandlungen habe sich ausgezahlt.

    Deutsche Industrie- und Handelskammer

    Aus Sicht der Deutschen Industrie- und Handelskammer kann die deutsche Wirtschaft "vorerst durchatmen". Hauptgeschäftsführerin Melnikov erklärte, die EU habe mit der Einigung Schlimmeres verhindert. Doch der Deal habe einen Preis - und der gehe auch zu Lasten der deutschen und europäischen Wirtschaft.
    Melnikov wies darauf hin, dass viele Details der Zoll-Einigung noch unklar seien. Deshalb schaffe diese nur "kurzfristig Stabilität, mehr nicht". Die EU müsse nun mit den USA weiter verhandeln und an einem "umfassenden, fairen und zukunftsgerichteten Handelsabkommen" arbeiten, forderte die DIHK-Hauptgeschäftsführerin. Darüber hinaus seien weitere Freihandelsabkommen erforderlich - etwa mit den Mercosur-Staaten. Deutschland brauche mehr denn je offene Märkte, nicht neue Hürden, so Melnikov.

    Verband der Automobilindustrie

    Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie, Müller, erklärte, entscheidend sei, wie die Vereinbarung ausgestaltet und wie verlässlich sie werde. Der vereinbarte Zollsatz der USA in Höhe von 15 Prozent werde die Unternehmen jährlich Milliarden kosten. Dies sei eine Belastung inmitten der Transformation. Grundsätzlich sei es gut, dass eine Eskalation vermieden worden sei, betonte Müller.
    Nach Angaben aus Brüssel sollen Autos aus den USA künftig zollfrei in die EU importiert werden. Bislang galt ein Zoll in Höhe von zehn Prozent. Die US-Zölle auf Autoimporte sollen von derzeit 27,5 Prozent auf 15 Prozent gesenkt werden.

    Außenhandelsverband BGA

    Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) nannte die Vereinbarung zwischen EU und USA einen "schmerzhaften Kompromiss", der für viele Händler eine existenzielle Bedrohung darstelle. Jedes Prozent Zoll sei ein Prozent zu viel, sagte BGA-Präsident Jandura. Auch wenn jetzt zunächst Sicherheit über die Handelsbedingungen herrsche, würden sich Lieferketten verändern und Preise erhöhen. Die Einigung mit den USA werde in Deutschland Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze kosten, so Jandura.

    Industrieverband BDI

    Der Industrieverband BDI äußerte sich kritisch zur Einigung im Zollstreit. Es sei ein fatales Signal, dass die EU schmerzhafte Zölle in Kauf nehme, hieß es vom BDI. Denn auch ein Zollsatz von 15 Prozent werde immense negative Auswirkungen auf die exportorientierte deutsche Industrie haben. Entscheidend sei jetzt, dass das geschlossene Übereinkommen verbindlich werde. Ein Tiefschlag sei, dass die hohen Sektorzölle auf Stahl- und Aluminiumexporte bleiben sollen.

    Chemieverband VCI

    "Wer mit einem Hurrikan rechnet, ist für ein Unwetter dankbar", fasste der Hauptgeschäftsführer des Chemieverbands VCI, Große Entrup, zusammen. Eine weitere Eskalation im Handelsstreit sei zwar vermieden worden. Der Preis für beide Seiten sei aber hoch, Europas Exporte würden an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Die vereinbarten Zölle seien zu hoch.

    Ökonom Jens Südekum

    Professor Jens Südekum von der Universität Düsseldorf sagte im Deutschlandfunk, das Abkommen bringe zwar etwas Beruhigung in den Konflikt; bis zum Ende der Legislaturperiode in den USA werde es jedoch keine Sicherheit für eine Lösung im Zollstreit geben. Nach Südekums Worten zeigt die Vereinbarung die Machtverhältnisse zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten. Die Zölle seien nicht das Ende der Welt und könnten verkraftet werden, meinte der Beauftragte für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung von Bundesfinanzminister Klingbeil. Aber die Verpflichtung der EU zum Energie-Import werde einseitig die US-Wirtschaft stärken.
    EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und US-Präsident Trump hatten die Zolleinigung gestern im schottischen Turnberry verkündet. Demnach soll künftig für zahlreiche Importe aus der EU in die USA ein Zollsatz von 15 Prozent gelten. Bisher sind es zehn Prozent. Die Europäische Union hat nach Trumps Angaben außerdem zugesagt, Investitionen in den USA in Höhe von mehreren hundert Milliarden Dollar zu tätigen.
    Ohne Einigung hätten die USA zum 1. August vermutlich einen Basiszoll auf EU-Importe in Höhe von 30 Prozent in Kraft gesetzt.
    Diese Nachricht wurde am 28.07.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.