Engels: Heute morgen meldeten direkt mehrere Tageszeitungen, dass Bundesfinanzminister Eichel eine Warnung aus Brüssel fürchten muss. Der Grund: Die EU-Kommission sorgt sich, dass Deutschland ebenso wie Portugal eines der sogenannten Stabilitätskriterien des Maastrichtvertrages überschreiten könnte. Danach darf das gesamtstaatliche Defizit eines Jahres maximal 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts eines Landes betragen. Und Deutschland bewegt sich nach Brüsseler Ansicht gefährlich nah darauf zu. Zwar rechnet die Bundesregierung mit maximal 2,5 Prozent für das vergangene und das laufende Jahr, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DIW sieht Deutschland dagegen schon im letzten Jahr bei 2,8 Prozent. Am Telefon begrüße ich Dieter Vesper. Er ist Steuer- und Konjunkturexperte beim DIW. Guten Tag.
Vesper: Schönen guten Tag.
Engels: Herr Vesper, was erwarten Sie denn für eine Defizitquote für das laufende Jahr?
Vesper: Nachdem ja nun auch das Statistische Bundesamt nach ersten vorläufigen Berechnungen davon ausgeht, dass das Defizit im vergangenen Jahr bei 2,6 Prozent des BIP gelegen hat - wir lagen bei unserer letzten Schätzung bei 2,8 Prozent - hat sich die Lage nur unwesentlich entspannt. Wir rechnen damit, dass in diesem Jahr das Defizit auch noch bei etwa 2,7 Prozent liegen wird. Nun muss man natürlich beide Jahre etwas voneinander unterscheiden, denn im letzten Jahr hat die Steuerreform enorme Impulse gegeben - deswegen ist das Defizit so in die Höhe gesprungen. In diesem Jahr bleiben solche Effekte aus und dennoch wird das Defizit wiederum relativ hoch sein. Das hängt damit zusammen, dass nunmehr die sogenannten automatischen Stabilisatoren voll zum tragen kommen, d.h. auf der einen Seite gibt es eben konjunkturbedingte Steuerverluste wie Rezessionen, hinterlässt auch bei den Steuereinnahmen tiefe Spuren, auf der anderen Seite muss dann vor allem mehr Geld für die Arbeitslosenversicherung vom Bund überwiesen werden. Deshalb bleiben letztendlich die Defizite hoch. Aber dennoch glaube ich, dass der angedrohte Brief der EU-Kommission zu früh kommt und eigentlich auch in der wirtschaftspolitischen Diskussion nicht sonderliches Gewicht haben sollte. Ich sage bewusst "eigentlich", weil natürlich die öffentlichkeitswirksame eine andere sein wird.
Engels: Aber Sie sind ja selbst auch pessimistischer als beispielsweise Hans Eichel. Wo sehen Sie denn jetzt die kommenden Risiken? Sind tatsächlich schon alle möglichen Gefahren durch die Steuerreform da eingearbeitet?
Vesper: Wir haben tatsächlich etliche Einbrüche bei den Steuern, insbesondere den gewinnabhängigen Steuern. Das hängt beispielsweise auch damit zusammen, dass es steuerliche Organschaften gibt, das also Unternehmen, die durchaus Gewinne machen und die eigentlich Steuern zahlen sollten, dann sich mit Unternehmen, die keine Gewinne gemacht haben bzw. keine Steuerschuld haben, verschmelzen, und dann können die Gewinne und Verluste miteinander aufgerechnet werden, so dass man dann auch die Steuerschuld insgesamt reduzieren kann. Also, so etwas gibt es. Das hat man in den vergangenen Wochen und Monaten sicherlich unterschätzt, das konnte so auch nicht vorhergesehen werden. Das hat insbesondere auf lokaler Ebene bei den Gewerbesteuereinnahmen zu erheblichen Verwerfungen geführt und stellt die Kommunen vor große Probleme.
Engels: Sind das denn wirklich Überraschungen, z.B. in Nordrhein-Westfalen? Sorgt das dafür, dass Körperschaftssteuer in Milliardenhöhe zurückgezahlt werden muss? Kommt das denn wirklich so überraschend oder sind das handwerkliche Fehler der Steuerreform, die man doch hätte voraussehen müssen.
Vesper: Also, ich glaube, dass man von handwerklichen Fehlern nicht sprechen kann. Es ist immer sehr schwierig, konkrete Maßnahmen, die beschlossen werden, in ihren Wirklungen exakt vorauszusehen. Und das war sicherlich in den vergangenen Monaten auch der Fall. Es hat ja eine Vielzahl von Maßnahmen gegeben und deren Wirkungen konnten nicht immer vorausgesagt werden. Das hat Probleme geschaffen. Allerdings kennen wir das auch aus früheren Jahren.
Engels: Aber nicht in Milliardenhöhe?
Vesper: Doch. Ich erinnere daran, dass es auch beispielsweise im Zusammenhang mit den Bemühungen um einen Aufschwung Ost dort in Ostdeutschland zahlreiche Steuererleichterungen in Verbindung mit Steuerrechtsänderungen gegeben hatte. Und diese Wirkungen sind von den Steuerschätzern auch immer wieder falsch eingeschätzt worden. Es hat ja immer wieder Korrekturen, und zwar erhebliche Korrekturen, bei den Steuerschätzungen gegeben.
Engels: Stehen uns dann auch für das laufende Jahr weitere Überraschungen ins Haus?
Vesper: Das ist natürlich sehr schwer vorauszusehen. Wir gehen davon aus, dass das nicht so sein wird, dass wir die Risiken einigermaßen im Griff haben werden. Das hat uns eben auch dazu gebracht, das Defizit für dieses Jahr auf etwas 2,7 Prozent zu berechnen. Wir hoffen, dass wir damit alle Risiken eingefangen haben. Natürlich basiert jede Prognose auf Unsicherheit. Allerdings hoffen wir, dass wir alle erkennbaren Unsicherheiten soweit berücksichtigt haben.
Engels: Da hoffen wir mit Ihnen. Vielen Dank. Das war Dieter Vesper, Steuer- und Konjunkturexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.
Vesper: Schönen guten Tag.
Engels: Herr Vesper, was erwarten Sie denn für eine Defizitquote für das laufende Jahr?
Vesper: Nachdem ja nun auch das Statistische Bundesamt nach ersten vorläufigen Berechnungen davon ausgeht, dass das Defizit im vergangenen Jahr bei 2,6 Prozent des BIP gelegen hat - wir lagen bei unserer letzten Schätzung bei 2,8 Prozent - hat sich die Lage nur unwesentlich entspannt. Wir rechnen damit, dass in diesem Jahr das Defizit auch noch bei etwa 2,7 Prozent liegen wird. Nun muss man natürlich beide Jahre etwas voneinander unterscheiden, denn im letzten Jahr hat die Steuerreform enorme Impulse gegeben - deswegen ist das Defizit so in die Höhe gesprungen. In diesem Jahr bleiben solche Effekte aus und dennoch wird das Defizit wiederum relativ hoch sein. Das hängt damit zusammen, dass nunmehr die sogenannten automatischen Stabilisatoren voll zum tragen kommen, d.h. auf der einen Seite gibt es eben konjunkturbedingte Steuerverluste wie Rezessionen, hinterlässt auch bei den Steuereinnahmen tiefe Spuren, auf der anderen Seite muss dann vor allem mehr Geld für die Arbeitslosenversicherung vom Bund überwiesen werden. Deshalb bleiben letztendlich die Defizite hoch. Aber dennoch glaube ich, dass der angedrohte Brief der EU-Kommission zu früh kommt und eigentlich auch in der wirtschaftspolitischen Diskussion nicht sonderliches Gewicht haben sollte. Ich sage bewusst "eigentlich", weil natürlich die öffentlichkeitswirksame eine andere sein wird.
Engels: Aber Sie sind ja selbst auch pessimistischer als beispielsweise Hans Eichel. Wo sehen Sie denn jetzt die kommenden Risiken? Sind tatsächlich schon alle möglichen Gefahren durch die Steuerreform da eingearbeitet?
Vesper: Wir haben tatsächlich etliche Einbrüche bei den Steuern, insbesondere den gewinnabhängigen Steuern. Das hängt beispielsweise auch damit zusammen, dass es steuerliche Organschaften gibt, das also Unternehmen, die durchaus Gewinne machen und die eigentlich Steuern zahlen sollten, dann sich mit Unternehmen, die keine Gewinne gemacht haben bzw. keine Steuerschuld haben, verschmelzen, und dann können die Gewinne und Verluste miteinander aufgerechnet werden, so dass man dann auch die Steuerschuld insgesamt reduzieren kann. Also, so etwas gibt es. Das hat man in den vergangenen Wochen und Monaten sicherlich unterschätzt, das konnte so auch nicht vorhergesehen werden. Das hat insbesondere auf lokaler Ebene bei den Gewerbesteuereinnahmen zu erheblichen Verwerfungen geführt und stellt die Kommunen vor große Probleme.
Engels: Sind das denn wirklich Überraschungen, z.B. in Nordrhein-Westfalen? Sorgt das dafür, dass Körperschaftssteuer in Milliardenhöhe zurückgezahlt werden muss? Kommt das denn wirklich so überraschend oder sind das handwerkliche Fehler der Steuerreform, die man doch hätte voraussehen müssen.
Vesper: Also, ich glaube, dass man von handwerklichen Fehlern nicht sprechen kann. Es ist immer sehr schwierig, konkrete Maßnahmen, die beschlossen werden, in ihren Wirklungen exakt vorauszusehen. Und das war sicherlich in den vergangenen Monaten auch der Fall. Es hat ja eine Vielzahl von Maßnahmen gegeben und deren Wirkungen konnten nicht immer vorausgesagt werden. Das hat Probleme geschaffen. Allerdings kennen wir das auch aus früheren Jahren.
Engels: Aber nicht in Milliardenhöhe?
Vesper: Doch. Ich erinnere daran, dass es auch beispielsweise im Zusammenhang mit den Bemühungen um einen Aufschwung Ost dort in Ostdeutschland zahlreiche Steuererleichterungen in Verbindung mit Steuerrechtsänderungen gegeben hatte. Und diese Wirkungen sind von den Steuerschätzern auch immer wieder falsch eingeschätzt worden. Es hat ja immer wieder Korrekturen, und zwar erhebliche Korrekturen, bei den Steuerschätzungen gegeben.
Engels: Stehen uns dann auch für das laufende Jahr weitere Überraschungen ins Haus?
Vesper: Das ist natürlich sehr schwer vorauszusehen. Wir gehen davon aus, dass das nicht so sein wird, dass wir die Risiken einigermaßen im Griff haben werden. Das hat uns eben auch dazu gebracht, das Defizit für dieses Jahr auf etwas 2,7 Prozent zu berechnen. Wir hoffen, dass wir damit alle Risiken eingefangen haben. Natürlich basiert jede Prognose auf Unsicherheit. Allerdings hoffen wir, dass wir alle erkennbaren Unsicherheiten soweit berücksichtigt haben.
Engels: Da hoffen wir mit Ihnen. Vielen Dank. Das war Dieter Vesper, Steuer- und Konjunkturexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.