Dienstag, 14. Mai 2024

Archiv


Deutschland als Forschungsstandort

Der renommierte Sofia Kovalevskaja-Preis gilt als der höchst dotierte Wissenschaftspreis in Deutschland. Exzellenten Forschertalenten aller Disziplinen aus dem Ausland stehen bis zu 1,2 Millionen Euro zur Verfügung, um über vier Jahre mit einem eigenen Forscherteam in Deutschland neuem Wissen nachzuspüren. Seit vier Jahren wird der Preis vergeben: Anlass für die Alexander von Humboldt-Stiftung, eine erste Zwischenbilanz zu ziehen.

Von Antje Allroggen | 24.05.2007
    "Deutschland ist meine Heimat. Und das ist mir erst dadurch bewusst geworden, dass ich sehr lange im Ausland gelebt habe. (...) Und wenn man wieder da ist, fühlt man sich einfach auch wohl. Ich bin heute im ICE an meiner alten Heimatstadt vorbei gefahren. Ich kannte jedes Haus, jedes Dorf, das man noch sehen konnte aus dem Zug, und das ist einfach ein schönes Gefühl, da zu sein."

    Seit drei Jahren erforscht Martin Wilmking die regionalen Folgen globaler Klimaprozesse am Beispiel der Moorgebiete von Nordeuropa bis Sibirien an der Universität Greifswald. Mit Hilfe des Sofia Kovalevakaja-Preises kehrte er nach sieben Jahren aus Alaska nach Deutschland zurück und baute sich hier eine hochkarätige internationale Arbeitsgruppe auf.

    An der Universität Greifswald hatte man noch nie etwas von dem renommierten Preis gehört, als die junge Forschergruppe hierher kam, erzählt Martin Wilmking. Man habe sein Team, das für seine Arbeit auch viel basteln und tüfteln müsse, deshalb abfällig die "Dagobert-Gruppe" genannt:

    "So wurden wir in Greifswald verschrien von den Leuten, die am Anfang nicht genau wussten, was wir machten. Jeder wusste nur, wir bringen unglaublich viel Geld. Eine Million Euro, was gar nicht so viel ist, wenn man bedenkt, was man damit machen kann."

    Inzwischen hat sich die Akzeptanz der Kovalevskaja-Arbeitsgruppe in Greifswald erheblich erhöht. Lucas Brunsveld , ein weiterer Preisträger, machte am Max Planck Institut in Dortmund andere Erfahrungen. Hier war die Auszeichnung bestens bekannt. Er kam aus den Niederlanden an das Max Planck-Institut in Dortmund, um im Bereich der molekularen Physiologie zu arbeiten. Abgesehen vom große Verwaltungsapparat, der ihm anfangs Probleme machte, ist er mit den Forschungsbedingungen in Deutschland bestens zufrieden:

    "Es gibt natürlich auch Verbesserungsansätze, die wirklich auch genommen werden müssen. Aber die Wissenschaftsqualität ist sehr gut. Klar gibt es Standorte, die besser sind als andere Standorte. Das ist jetzt auch mit der Exzellenzinitiative deutlich. Aber zum Beispiel am Max Planck Institut in Dortmund, wo ich bin, sind es hervorragende Bedingungen, Forschung zu tun. Da ist die Elite der Weltforschung, mehr als die Hälfte sind Ausländer, die kommen nach Dortmund, um da zu forschen, und da möchte ich gerne ein Teil von sein."

    Auch die Alexander von Humboldt-Stiftung, die den Preis im Auftrag der Bundesregierung vergibt, lobt die Qualität der Forschungsarbeit. Bisher seien sogar zwei Drittel der Kovalevskaja-Forscher, die ihr Projekt inzwischen beendet haben, in Deutschland geblieben, resümiert Steffen Mehlich von der Humboldt-Stiftung. Die positiven Zwischenergebnisse sind für den Fortbestand des Preises lebenswichtig. Denn noch ist ungeklärt, ob und in welcher Form es die Auszeichnung über das Jahr 2010 hinaus weiterhin geben wird:

    "Grundsätzlich bekommen wir sehr starke Unterstützung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, das die finanziellen Mittel für diesen Preis zur Verfügung stellt. Derzeit sind wir in abschließenden Gesprächen für die Neuausschreibung 2008. Die Konditionen werden nochmals verbessert, die Dauer der Förderung wird nochmals auf insgesamt fünf Jahre verlängert. Und das ist zumindest auf Arbeitsebene abgesprochen. Wir wollen den Preis einmal jährlich ausschreiben. Zur Zeit schreiben wir nur alle zwei Jahre aus, aber das letzte Wort muss noch die Leitung des Ministeriums sprechen."

    Martin Wilmking und Lucas Brunsveld haben in Deutschland inzwischen Familien gegründet, die vor Ort verwurzelt sind. Letztendlich sei es immer die Familie, die über den Verlauf der weiteren wissenschaftlichen Karriere-Stationen entscheide.
    Die Vereinbarung von Wissenschaft und Familie steht Marga Lensen noch bevor. Mit gerade einmal 29 Jahren ist die gebürtige Niederländerin im vergangenen Jahr die jüngste Sofia Kovalevskaja-Preisträgerin gewesen. Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen fehlt ihr die familiäre Rückendeckung. Sie ist darauf vorbereitet, ihren Weg in die Wissenschaft allein zu beschreiten, ohne von Partner oder Familie begleitet zu werden.

    "Die ganze Welt ist offen. Ich hab auch keine Familie, bin nicht gebunden in diesem Sinne, ich weiß nicht, ob ich in Deutschland bleibe. Mein Freund ist nicht begeistert von einer Freundin mit Ambitionen. Ich denke, als Frau ist das auch eine andere Geschichte als für die Männer. Also Familienplanung bei mir, die Planung wird um die Karriere drumrumgebastelt. Manche Männer fürchten das."