Sandra Schulz: Treffender als Harald Staun in der " Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" lässt sich kaum zusammenfassen, was diese Reihe so interessant macht. In Israel soll das Vorbild für die Serie für volle Praxen bei den Psychotherapeuten gesorgt haben, heute Abend läuft die preisgekrönte Produktion in 3sat an. Gelungen findet sie auch der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, Rainer Richter, und den begrüße ich jetzt am Telefon. Guten Morgen!
Rainer Richter: Guten Morgen, Frau Schulz!
Schulz: Herr Richter, ist das überhaupt Fernsehstoff, die Situation der Psychotherapie?
Richter: Ja, also, bevor dieser Serie "In Treatment" hätte ich eher gesagt, nein, denn es gibt zu viele schlechte Beispiele. Aber ich muss sagen, diese Serie hat mich eigentlich überzeugt, dass es Fernsehstoff sein kann.
Schulz: In Israel soll die Serie ja für volle Praxen gesorgt haben bei den Psychotherapeuten. Spricht das eigentlich für oder gegen eine Produktion?
Richter: Ich weiß nicht, wer in Israel dann zum Psychotherapeuten gegangen ist, was er bisher nicht gemacht hätte, deswegen weiß ich nicht, ob es nur eine reine Neugier war oder tatsächlich die Schwelle niedriger war. In Deutschland haben wir das Problem in dem Sinn nicht, weil die Praxen übervoll sind. Wir haben lange Wartezeiten, weil wir einfach zu wenig Psychotherapeuten auch haben. Ich fürchte ein bisschen, dass jetzt vermehrt Patienten auch in den Praxen hier anrufen, weil sie auch motiviert werden, doch über bestimmte Dinge zu reden, vielleicht auch angeregt durch diese Serie. Es wird uns aber dann vor weitere Probleme in der Versorgung stellen.
Schulz: Was macht die Serie aus Ihrer Sicht, aus der Sicht des Psychotherapeuten, so interessant?
Richter: Sie ist sehr authentisch. Es wird Psychotherapie tatsächlich so dargestellt, wie sie in der Realität auch abläuft. Das ist schwierig und die wenigsten Leute können das ja wissen, weil ja Psychotherapie hinter geschlossenen Türen stattfindet und es gibt viele Fantasien darüber. Diese kurze Szene, die Sie da eben reingespielt haben, zeigt zwei Aspekte ganz wichtig. Der erste ist: Die Patientin berichtet über etwas, was außerhalb der Therapie ist, es wird aber nicht gezeigt, wie das in einem normalen Film so wäre, und gleichwohl gelingt es dem Film sogar noch mal ohne Bild in diesem Fall, sich diese Szene vorzustellen, die die Patientin beschreibt. Sie wirkt ganz lebendig, man geht also mit der Patientin raus in eine Realität, ohne den Behandlungsraum zu verlassen. Und das Zweite ist: Sie möchte dann ja wissen, ob der Therapeut sie traurig findet, also, ob sie traurig aussieht und wie er das findet, und er geht nicht darauf ein, indem er direkt sagt, ja, finde ich auch, sondern er sagt etwas anderes, dass er sich nicht vorstellen kann, dass Menschen, die sehr traurig aussehen, dass sie gut aussehen oder so ähnlich. Das heißt, er antwortet auf die Frage, aber nicht direkt auf die Frage der Patientin, die ja eine direkte Rückmeldung haben möchte. Das sind zwei ganz typische Momente in einer Psychotherapie.
Schulz: Sich die Serie anzuschauen, kann das auch eine Psychotherapie ersetzen?
Richter: Nein, das mit Sicherheit nicht. Es kann dazu motivieren, es kann auch Ängste vor einer Psychotherapie nehmen, aber ersetzen – mit Sicherheit nicht.
Schulz: Aber nehme ich wenigstens was daraus mit vielleicht für das nächste Gespräch mit einem Freund oder Freundin, der oder die gerade in einer schwierigen Situation ist?
Richter: Da kann es sicher hilfreich sein, weil man die Haltung des Therapeuten durchaus bei einem Gespräch mit einem Freund auch beachten kann, dass man nämlich in seiner Situation wenig oder gar nicht über sich selber erzählt, denn das ist in aller Regel nicht hilfreich. Andererseits ist es aber auch ... wird man es auch als Warnung nehmen, also, man kann zwischen Bekannten, Freunden, Arbeitskollegen, kann man keine psychotherapeutischen Gespräche machen, deswegen machen Psychotherapeuten ... zum Beispiel behandeln sie nie Kollegen oder Menschen, die sie besser kennen. Dazu braucht es eine gewisse Distanz, die ja auch einerseits eine künstliche ist, aber andererseits auch eine Distanz, die eben gerade diese besondere Art des Dialogs ermöglicht. Also, Psychotherapie mit einem Freund geht nicht, aber man kann diese zuhörende Haltung, die der Therapeut in der Serie hat, die kann man sicherlich auch als Beispiel nehmen oder als Vorbild nehmen.
Schulz: Wir sprechen jetzt über eine Fernsehserie. Müsste man nicht eigentlich generell vom Fernsehkonsum eher ab- als zuraten im Namen der psychischen Gesundheit?
Richter: Mit Sicherheit ja, es wird viel zu selten noch oder mehr geredet in Familien, am Arbeitsplatz über Belastung und Ähnliches. Das ist sicherlich so, aber das ist, glaube ich, ein genereller Trend, der durch diese Serie nicht groß beeinflusst wird. Vielleicht wird er sogar positiv beeinflusst, weil Menschen dann über die Serie ins Gespräch kommen und darüber dann reden, was sie besonders beeindruckt hat und was nicht. Es wird eine ganze Menge Menschen geben, das ist zu erwarten von Israel und von den USA, die diese Serie ziemlich blöd finden. Und allein das ist doch schon spannend, mit denen dann zu diskutieren.
Schulz: Welches Medium tut der Psyche am besten?
Richter: Welches Medium?
Schulz: Genau, abgesehen vom Fernsehen.
Richter: Ach so. Medien, wo die Fantasie stark angeregt wird, also sicher Bücher lesen, aber sicher auch Hörfunk, für manche, viele auch sicher die bildlerischen Darstellungen bis hin zu Ballett, also alles das, wo Fantasien angeregt werden, die dann mehr oder weniger bewusst von den Menschen wahrgenommen und reflektiert werden und worüber man dann reden kann miteinander. Was hat ein Buch, was hat ein Ballett, was hat ein Bild in mir ausgelöst? Darüber mit anderen zu reden, das ist wichtig.
Schulz: Für diese Klarstellung vor allem mit Blick auf den Hörfunk heute Morgen sind wir Ihnen sehr dankbar, der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer Rainer Richter, heute hier im Deutschlandfunk. Und auf 3sat läuft die Serie "In Treatment – Der Therapeut" heute um 21 Uhr an.
Rainer Richter: Guten Morgen, Frau Schulz!
Schulz: Herr Richter, ist das überhaupt Fernsehstoff, die Situation der Psychotherapie?
Richter: Ja, also, bevor dieser Serie "In Treatment" hätte ich eher gesagt, nein, denn es gibt zu viele schlechte Beispiele. Aber ich muss sagen, diese Serie hat mich eigentlich überzeugt, dass es Fernsehstoff sein kann.
Schulz: In Israel soll die Serie ja für volle Praxen gesorgt haben bei den Psychotherapeuten. Spricht das eigentlich für oder gegen eine Produktion?
Richter: Ich weiß nicht, wer in Israel dann zum Psychotherapeuten gegangen ist, was er bisher nicht gemacht hätte, deswegen weiß ich nicht, ob es nur eine reine Neugier war oder tatsächlich die Schwelle niedriger war. In Deutschland haben wir das Problem in dem Sinn nicht, weil die Praxen übervoll sind. Wir haben lange Wartezeiten, weil wir einfach zu wenig Psychotherapeuten auch haben. Ich fürchte ein bisschen, dass jetzt vermehrt Patienten auch in den Praxen hier anrufen, weil sie auch motiviert werden, doch über bestimmte Dinge zu reden, vielleicht auch angeregt durch diese Serie. Es wird uns aber dann vor weitere Probleme in der Versorgung stellen.
Schulz: Was macht die Serie aus Ihrer Sicht, aus der Sicht des Psychotherapeuten, so interessant?
Richter: Sie ist sehr authentisch. Es wird Psychotherapie tatsächlich so dargestellt, wie sie in der Realität auch abläuft. Das ist schwierig und die wenigsten Leute können das ja wissen, weil ja Psychotherapie hinter geschlossenen Türen stattfindet und es gibt viele Fantasien darüber. Diese kurze Szene, die Sie da eben reingespielt haben, zeigt zwei Aspekte ganz wichtig. Der erste ist: Die Patientin berichtet über etwas, was außerhalb der Therapie ist, es wird aber nicht gezeigt, wie das in einem normalen Film so wäre, und gleichwohl gelingt es dem Film sogar noch mal ohne Bild in diesem Fall, sich diese Szene vorzustellen, die die Patientin beschreibt. Sie wirkt ganz lebendig, man geht also mit der Patientin raus in eine Realität, ohne den Behandlungsraum zu verlassen. Und das Zweite ist: Sie möchte dann ja wissen, ob der Therapeut sie traurig findet, also, ob sie traurig aussieht und wie er das findet, und er geht nicht darauf ein, indem er direkt sagt, ja, finde ich auch, sondern er sagt etwas anderes, dass er sich nicht vorstellen kann, dass Menschen, die sehr traurig aussehen, dass sie gut aussehen oder so ähnlich. Das heißt, er antwortet auf die Frage, aber nicht direkt auf die Frage der Patientin, die ja eine direkte Rückmeldung haben möchte. Das sind zwei ganz typische Momente in einer Psychotherapie.
Schulz: Sich die Serie anzuschauen, kann das auch eine Psychotherapie ersetzen?
Richter: Nein, das mit Sicherheit nicht. Es kann dazu motivieren, es kann auch Ängste vor einer Psychotherapie nehmen, aber ersetzen – mit Sicherheit nicht.
Schulz: Aber nehme ich wenigstens was daraus mit vielleicht für das nächste Gespräch mit einem Freund oder Freundin, der oder die gerade in einer schwierigen Situation ist?
Richter: Da kann es sicher hilfreich sein, weil man die Haltung des Therapeuten durchaus bei einem Gespräch mit einem Freund auch beachten kann, dass man nämlich in seiner Situation wenig oder gar nicht über sich selber erzählt, denn das ist in aller Regel nicht hilfreich. Andererseits ist es aber auch ... wird man es auch als Warnung nehmen, also, man kann zwischen Bekannten, Freunden, Arbeitskollegen, kann man keine psychotherapeutischen Gespräche machen, deswegen machen Psychotherapeuten ... zum Beispiel behandeln sie nie Kollegen oder Menschen, die sie besser kennen. Dazu braucht es eine gewisse Distanz, die ja auch einerseits eine künstliche ist, aber andererseits auch eine Distanz, die eben gerade diese besondere Art des Dialogs ermöglicht. Also, Psychotherapie mit einem Freund geht nicht, aber man kann diese zuhörende Haltung, die der Therapeut in der Serie hat, die kann man sicherlich auch als Beispiel nehmen oder als Vorbild nehmen.
Schulz: Wir sprechen jetzt über eine Fernsehserie. Müsste man nicht eigentlich generell vom Fernsehkonsum eher ab- als zuraten im Namen der psychischen Gesundheit?
Richter: Mit Sicherheit ja, es wird viel zu selten noch oder mehr geredet in Familien, am Arbeitsplatz über Belastung und Ähnliches. Das ist sicherlich so, aber das ist, glaube ich, ein genereller Trend, der durch diese Serie nicht groß beeinflusst wird. Vielleicht wird er sogar positiv beeinflusst, weil Menschen dann über die Serie ins Gespräch kommen und darüber dann reden, was sie besonders beeindruckt hat und was nicht. Es wird eine ganze Menge Menschen geben, das ist zu erwarten von Israel und von den USA, die diese Serie ziemlich blöd finden. Und allein das ist doch schon spannend, mit denen dann zu diskutieren.
Schulz: Welches Medium tut der Psyche am besten?
Richter: Welches Medium?
Schulz: Genau, abgesehen vom Fernsehen.
Richter: Ach so. Medien, wo die Fantasie stark angeregt wird, also sicher Bücher lesen, aber sicher auch Hörfunk, für manche, viele auch sicher die bildlerischen Darstellungen bis hin zu Ballett, also alles das, wo Fantasien angeregt werden, die dann mehr oder weniger bewusst von den Menschen wahrgenommen und reflektiert werden und worüber man dann reden kann miteinander. Was hat ein Buch, was hat ein Ballett, was hat ein Bild in mir ausgelöst? Darüber mit anderen zu reden, das ist wichtig.
Schulz: Für diese Klarstellung vor allem mit Blick auf den Hörfunk heute Morgen sind wir Ihnen sehr dankbar, der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer Rainer Richter, heute hier im Deutschlandfunk. Und auf 3sat läuft die Serie "In Treatment – Der Therapeut" heute um 21 Uhr an.