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Deutschland-Besuch des ägyptischen Präsidenten
"Spagat zwischen Menschenrechtsfragen und politischer Opportunität"

Der Deutschland-Besuch von Ägyptens Präsident Sisi ist umstritten. Auch der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok hat deswegen Magenschmerzen - findet Sisis Empfang aber trotzdem richtig. Schließlich könne in den Gesprächen auf Änderungen in dem Land gedrängt werden, sagte Brok im DLF.

Elmar Brok im Gespräch mit Dirk Müller | 03.06.2015
    Elmar Brok.
    Elmar Brok ist seit 2012 Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments. (imago/Horst Galuschka)
    Er habe schon vielen Diktatoren die Hand gegeben und sie sich anschließend gewaschen, so Brok. Wenn man solche Gespräche grundsätzlich ablehne, könne man ja auch keinen Gedankenaustausch mit Vertretern Chinas führen. Brok räumte zugleich ein, der Spagat zwischen Menschenrechtsfragen und der politischen Opportunität zerreiße einen jedes Mal.

    Im Falle Al-Sisis seien die Treffen mit Bundespräsident Joachim Gauck und Kanzlerin Angela Merkel nötig, um Änderungen in der ägyptischen Innenpolitik zu erreichen, argumentierte der CDU-Politiker. Man könne Al-Sisi klarmachen, dass Ägypten nur dann zu einer dauerhaften Stabilität finde, wenn auch die die islamistischen Kräfte in die Gesellschaft eingebunden würden. Dem Staatschef müsse deutlich gemacht werden: "Wenn Du deine Politik nicht änderst, wirst Du nicht lange an der Regierung bleiben."

    Brok verteidigte zugleich die Absage von Bundestagspräsident Norbert Lammert an ein Treffen mit Al-Sisi. Dadurch werde die kritische Position des Bundestags zu seiner Politik deutlich. Lammert könne hier durchaus anders handeln als die Bundesregierung.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk Müller: Ägyptens Staatspräsident Abdel Fattah Al-Sisi, er tritt meist zurückhaltend und freundlich auf. Doch der Mann kann auch anders. Der Karriereoffizier sorgt mit eiserner Faust für Ordnung in Ägypten: Opposition unerwünscht. Die Muslimbrüder werden verfolgt, gefoltert, viele zum Tode verurteilt. Dazu gehört auch der Vorgänger im Präsidentenamt, Mohammed Mursi, ebenfalls zum Tode verurteilt - ein Urteil, das allerdings noch nicht bestätigt ist. 40.000 politische Gefangene sollen in den Gefängnissen der neuen oder auch alten Machthaber in Ägypten sitzen. So hat Bundestagspräsident Norbert Lammert kurzerhand entschieden: Mit dem treffe ich mich nicht! - Aus Protest.
    Die Bundesregierung bleibt dabei: Der Präsident aus Kairo ist willkommen in Berlin. - Am Telefon ist nun CDU-Politiker Elmar Brok, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament. Guten Morgen!
    Elmar Brok: Guten Morgen, Herr Müller.
    Müller: Herr Brok, würden Sie Al-Sisi die Hand geben?
    Brok: Nun, ich habe schon vielen Menschen und Diktatoren die Hand gegeben, wo man sie sich anschließend waschen musste. Aber die Argumentation, die vorhin dargelegt wurde, mit Todesurteilen und vielem anderen, würde auch bedeuten, dass man mit China keinen Gedankenaustausch mehr führen darf. Das ist eines der furchtbaren Dinge, diesen Spagat zwischen den Menschenrechtsfragen und der politischen Opportunität, und da zerreißt es einen jedes Mal. Aber manchmal bleibt keine andere Möglichkeit, um im Dialog zusammen vielleicht etwas zu wenden, und deswegen muss dieser Besuch benutzt werden, um deutlich zu machen: Es ist gut, dass die Muslimbruderschaft, die das Land da überrollt hat, Gewalt angewandt hat, hilfreich war in Zusammenarbeit mit ISIS und anderen, dass diese Gruppierungen besiegt sind und nicht noch ein weiteres Land der Instabilität da ist, aber dass Ägypten nur stabil werden kann, wenn man alle Kräfte mit einbezieht, diese Todesurteile wegbringt und Wahlen durchführt. Denn wenn Al-Sisi diesen Weg weitergeht, wird es den nächsten Krach geben, und dann wird es in Ägypten sehr ungemütlich.
    "Was Sisi gegenwärtig macht, ist kontraproduktiv"
    Müller: Ich möchte noch mal auf die Hände, auf dieses Beispiel zurückkommen. Das heißt, für Sie als Realpolitiker, der Sie sind - das sagen Sie immer wieder; Sie haben vielen Diktatoren schon die Hand geschüttelt, haben Sie auch gesagt -, muss man auch bereit sein, sich die Finger schmutzig zu machen?
    Brok: Nein. Das heißt nicht, die Finger sich schmutzig zu machen. Das heißt, dass man solche Gespräche auch benutzt, deutlich zu sagen, was man von solchen Regimen hält, was dort verändert werden muss. Ich werde diese Woche nach Iran fahren. Da kann man auch sehr unterschiedliche Gefühle dabei haben. Und doch muss man das machen, beispielsweise um einen Beitrag zu leisten, dass dort kein nuklearer militärischer Aufbau passiert. Das ist immer eine Abwägungsfrage, die im Einzelnen durchgeführt werden muss. Aber es ist völlig klar: Was Sisi gegenwärtig macht, ist kontraproduktiv, ist gegen Menschenrechte, ist auf Dauer gegen Stabilität, das immer als ein Argument benutzt wird, und deswegen muss ihm klar gemacht werden: Wenn Du diese Politik nicht veränderst, wenn Du die Todesstrafen nicht aufhebst, wenn Du nicht Begnadigungen vornimmst, dann wirst Du auch dort nicht lange an der Regierung bleiben, weil sich die Bevölkerung das nicht wird gefallen lassen.
    Müller: Sie haben aber eben gesagt, Herr Brok, wenn ich Sie da richtig verstanden habe, andererseits war es wichtig aus Ihrer Sicht, aus westlicher Sicht, für viele jedenfalls, da massiv gegen die Muslimbrüder vorzugehen, gegen islamistischen Terror vorzugehen. Das heißt, jetzt haben wir einen säkularen ägyptischen Terror gegen den islamistischen Terror?
    Brok: Das ist so wahr. Aber wir müssen sehen, dass der islamistische Terror mit den Banden, die da ja heute noch im Sinai tätig sind, die systematisch dort eingebracht worden sind, es zu einer weiteren Instabilisierung der Regierung geworden wäre. Was wäre denn, wenn Ägypten in etwas verfallen wäre, wie heute Libyen ist, oder in etwas, was heute möglich ist in Syrien mit all den Dingen? Von der Seite her ist dort jetzt Ruhe und Gesprächsfähigkeit vorhanden, aber dabei darf man nicht stehen bleiben, denn die Entwicklung zu einer weiteren Diktatur auf der rechten Seite ist dann auch keine Lösung.
    Müller: Wenn Reden und Gespräche besser sind, wäre es dann sinnvoll, dass sich im Westen jemand bereitfindet zu sagen, ich fliege jetzt nach Damaskus und rede mit Baschar al-Assad, damit wir den IS-Terror gemeinsam bekämpfen?
    Brok: Da gibt es unterschiedliche Auffassungen, dass beide weg sollen, die ISIS und Assad. Aber ich glaube, dass bezüglich Assad bei dem Vorgehen von ISIS es unterschiedliche Auffassungen gibt, dass man dieses Gespräch führen soll.
    Müller: Ihre Auffassung.
    Brok: Bitte?
    "Eine Frage zwischen Pest und Cholera"
    Müller: Ihre Auffassung.
    Brok: Wir haben hier eine sehr deutliche Diskussion zwischen einem Teil der Amerikaner und den Europäern, ob man dieses tun soll. Ich glaube, dass dieses eine Frage ist zwischen Pest und Cholera, die man da machen muss. Aber das ist auch eine Frage, was militärisch möglich ist, um die ISIS zu bekämpfen. Aber es kann nicht sein, dass das zur Stabilisierung und dauerhaften Stabilisierung von Assad führen kann. Aber dieses sind in der Tat Fälle, wo jede Entscheidung falsch ist, und aus diesem Grunde heraus solche Entscheidungen sehr schwer zu treffen sind und wenn es nicht gelingt, hier wieder einen Dialog hineinzubringen. Aber wir haben hier, glaube ich, ein bisschen das verpennt im Falle von Syrien, dass hier zu dem Zeitpunkt, als eine gemäßigte Opposition noch relativ stark war, sie nicht unterstützt worden ist und aus diesem Grunde all dieses von ISIS übernommen worden ist und jetzt wir die beiden Katastrophen ISIS und Assad gegeneinander haben.
    Müller: Aber jetzt wäre es schon so, könnte es schon so sein, dass Baschar al-Assad für uns, für den Westen zur Eindämmung von ISIS der richtige Ansprechpartner ist?
    Brok: Ich glaube, da muss man weitergreifen. Wir haben in der gesamten Region einen Stellvertreterkrieg zwischen Teheran und Riad, wo Assad zu den Teheranern gehört und in vielen Bereichen, wie beim Beispiel Jemen, Riad dagegensteht. Und als dritte Kraft die ISIS. Und ich glaube, die entscheidende Bedingung dafür, zu vernünftigen Beziehungen zu kommen, ist, dass Riad und Teheran endlich Schluss machen mit ihren Stellvertreterkriegen zulasten der Völker in der gesamten Region. Das ist, glaube ich, der einzige Ansatz.
    "Der Regierung obliegt es, die Beziehungen so zu entwickeln, dass Sisi seine Politik verändert"
    Müller: Kommen wir noch einmal zurück zu unserem Ausgangspunkt, zur Ausgangsfrage Al-Sisi, soll er in Deutschland empfangen werden ja oder nein. Die Bundesregierung hat das klar beantwortet. Norbert Lammert, Bundestagspräsident, hat das auch klar beantwortet und gesagt, mit dem rede ich nicht. Können Sie das auch nachvollziehen?
    Brok: Ja, und ich finde das auch gut. Das ist der Parlamentsvertreter, der klar die Position, die grundsätzlich richtige Position deutlich macht, und eine Regierung, eine Exekutive macht das ein wenig anders. Ich glaube, dass das - Arbeitsteilung ist vielleicht der falsche Begriff dafür - richtig ist, dass sich klar der zweithöchste Vertreter unseres Staates signalisiert, Herr Präsident, was Sie da machen, findet nicht unsere Zustimmung. Der Regierung obliegt es, die Beziehungen so zu entwickeln, dass Sisi seine Politik verändert.
    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk der CDU-Politiker Elmar Brok, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament. Danke für das Gespräch, noch einen schönen Tag.
    Brok: Ich danke auch, Herr Müller.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.