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"Deutschland muss Druck auf Ägypten ausüben"

Nach den Anschlägen auf koptische Christen in Ägypten hat Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, zu einem verstärkten Dialog mit islamischen Organisationen weltweit aufgerufen. Für Sanktionen gebe es kaum Möglichkeiten, räumte er ein.

Volker Kauder im Gespräch mit Friedbert Meurer | 03.01.2011
    Friedbert Meurer: In Ägypten ist in der Silvesternacht, von Freitag auf Samstag also, ein Anschlag gegen koptische Christen verübt worden. Ein Fahrzeug raste vor eine Kirche in Alexandria und detonierte in dem Moment, in dem die Gläubigen das Gotteshaus verließen. Über 20 koptische Christen wurden dabei ermordet. Anschließend griffen junge Kopten Muslimen und die Polizei an. Sie sind aufgebracht und fühlen sich vom Staat nicht ausreichend geschützt. Es hat zum Beispiel am Samstag dann eine Trauerfeier gegeben, dort wurde eine Solidaritätserklärung des ägyptischen Staatspräsidenten Husni Mubarak verlesen, viele der 5000 Trauernden sollen das aber mit wütenden Ausrufen kommentiert haben. Auch bei uns in Deutschland hat der Anschlag für Entsetzen gesorgt. Am Telefon begrüße ich Volker Kauder, er ist der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Guten Morgen, Herr Kauder!

    Volker Kauder: Guten Morgen!

    Meurer: Was haben Sie zur Jahreswende empfunden, als Sie die Nachricht aus Ägypten gehört haben?

    Kauder: Ich war traurig darüber, dass es nun weitergeht, dass Christen verfolgt werden, dass sie ermordet werden. Wir wissen ja, dass die Christen die am meisten verfolgte Religionsgruppe in der ganzen Welt sind, und wir waren natürlich wachsam, was passieren könnte. Dass es gerade in Ägypten jetzt zu einem solchen schweren Anschlag kommt, ist natürlich wirklich erschreckend. Wir wissen, dass vor einem Jahr schon einmal ein Anschlag stattgefunden hat, wo sechs oder sieben junge koptische Christen gestorben sind, die bis zum heutigen Tage noch nicht verurteilt sind.

    Meurer: Aber bisher war Ägypten so etwas wie ein Beispiel, dass auch in einem islamischen Land Christen ihre Religion ausüben dürfen. Ist das vorbei?

    Kauder: Also man muss schon sagen, dass in Ägypten die Situation trotz der Verfolgung der Christen ein bisschen anders ist als in anderen Ländern. Es hat sich beispielsweise die bedeutendste islamische Universität, die Azhar-Universität in Kairo, hat diese Anschläge verurteilt. Es haben islamistische Bruderschaften sich vor koptische Kirchen gestellt, um sie zu schützen. Trotzdem haben wir den Eindruck, auch trotz der Solidaritätserklärung von Präsident Mubarak, dass da noch mehr getan werden muss. Wir vermuten zwar, dass El Kaida dahintersteckt, aber es muss einfach mehr gemacht werden. Es muss die Sicherheit der Christen gewährleistet werden. So wie es jetzt im Augenblick sich darstellt - im Irak, in afrikanischen Ländern, jetzt in Ägypten -, so darf es nicht weitergehen.

    Meurer: Soll Deutschland mehr Druck ausüben auf Ägypten?

    Kauder: Deutschland muss Druck auf Ägypten ausüben. Der Bundesaußenminister ist in dieser Angelegenheit auch sehr engagiert, er hat sich zu der Sache auch schon geäußert. Wir werden von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gleich nach der Weihnachtspause, in der nächsten Woche werde ich mit dem ägyptischen Botschafter in Berlin sprechen, um einfach deutlich zu machen, dass da mehr passieren müssen. Wir müssen uns aber auch überlegen, was wir außer den Appellen noch tun können. Ich glaube, wir müssen mit islamischen Organisationen im Nahen Osten, aber auch in anderen Teilen der Welt stärker ins Gespräch kommen mit Universitäten, mit führenden Leuten, dass wir dafür Verständnis erreichen. Ich würde mir auch sehr wünschen, dass Vertreter der Muslime in Deutschland sich eindeutig von solchen Dingen distanzieren. Das wäre auch eine notwendige Solidarität.

    Meurer: Die Vertreter der Muslime in Deutschland sagen ja, wir tun das doch. Was können die deutschen Muslime dafür, wenn andernorts - im Irak, in Ägypten, in China - Christen unterdrückt und ermordet werden?

    Kauder: Sie können da natürlich nichts dafür. Aber genauso wie wir als Christen in Deutschland verlangen, dass die Regierungen sich vor die Christen stellen und sie schützen, so würde ich erwarten, dass beispielsweise auch der Zentralrat der Muslime eine entsprechende Erklärung abgibt, damit auch deutlich wird, dass diejenigen, die Christen verfolgen, dass man sich von denen distanziert. Es ist ja eine traurige Wahrheit, dass Christen im Wesentlichen vor allem in Ländern verfolgt werden, wo Muslime die Mehrheit haben.

    Meurer: Was die Situation in den islamischen Ländern angeht: Sie sagen, mehr Dialog, aber keine Sanktionen?

    Kauder: Sanktionen haben wir natürlich relativ wenige. Es gibt die Möglichkeit, dass wir sagen, in Ländern, in denen Christen verfolgt werden, muss über die Entwicklungshilfe diskutiert werden. Ich schlage eher vor, dass wir in Ländern, beispielsweise im Irak, wo wir keine intensive Entwicklungszusammenarbeit haben, mit den Christen eine Zusammenarbeit leisten, beispielsweise dass wir Christen unterstützen, dass sie Erziehungseinrichtungen, Krankeneinrichtungen aufbauen können im Irak, damit Beschäftigung für Christen entsteht und natürlich auch für die Bevölkerung, die auf solche Einrichtungen ja angewiesen ist, dass sie auch sieht, dass Christen etwas Wertvolles und Wichtiges tun. Also wir müssen darüber nachdenken, überall dort, wo Christen verfolgt werden, sie stärker auch im Wege einer Entwicklungszusammenarbeit zu unterstützen. Mit Sanktionen wird da wenig zu machen sein.

    Meurer: Ägypten ist keine Demokratie, das ist eher eine Autokratie, in Saudi-Arabien, das mit dem Westen befreundet ist, dürfen Christen noch nicht einmal eine Bibel benutzen. Ist der Westen, inklusive die Bundesregierung, doch ein bisschen einseitig gegenüber bestimmten islamistischen Ländern?

    Kauder: Also ich glaube, dass sich in der letzten Zeit ein breiteres Bewusstsein für das Thema verfolgte Christen entwickelt hat. Wir haben im Deutschen Bundestag im letzten Jahr zweimal über das Thema gesprochen, die Bundeskanzlerin hat sich jetzt dazu geäußert, der Bundesaußenminister. Wir haben bisher ... - so intensiv, wie wir es jetzt miteinander diskutieren und besprechen, ist es in vielen, vielen Jahren nicht geschehen. Wir müssen dieses Thema auch bringen in die UNO hinein, die Religionsausübung ist ein Teil der Menschenrechte, da müssen wir großen Wert darauf legen. Und wir müssen auch in der Zusammenarbeit der EU mit bestimmten Staaten ein stärkeres Gewicht darauf legen, dass Christenverfolgung nicht stattfindet. Wir haben so beispielsweise an den Herrn Barroso geschrieben und ihn gebeten, darauf zu achten, dass wenn neue Kapitel in der Frage EU-Beitritt der Türkei eröffnet werden, zunächst einmal darauf hingewiesen werden muss, dass auch in der Türkei die Situation von Christen nicht so ist, wie sie sein soll. Also ich finde, wir müssen einfach in den vielen Gesprächen, in den Dialogen, die wir führen, stärker Druck machen, das Thema in der Öffentlichkeit halten, dass es präsent ist, dass alle diejenigen, in deren Ländern Christen verfolgt werden, wissen, das wird beobachtet, und das wird auch kritisiert und das wird auch in der Zusammenarbeit Konsequenzen haben. Ich war in Indonesien, in Malaysia, das war das Erste, was die Staatspräsidenten mit mir besprochen haben, weil sie gewusst haben, dass mir das ein zentrales Anliegen ist. Man muss dranbleiben, man darf nicht aufgeben, und die Christen in der Welt haben unsere Solidarität dringend notwendig.

    Meurer: Das war Volker Kauder, der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Herr Kauder, besten Dank und auf Wiederhören!

    Kauder: Bitte schön, tschüss!