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Deutschland und der Islam
"Die AfD ist die Verkörperung der Islamfeindlichkeit"

Susanne Schröter beklagt eine steigende Islamophobie in Deutschland. "Die AfD ist die Verkörperung dieser Islamfeindlichkeit und treibt sie auch nochmals voran", sagte die Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam im Deutschlandfunk. Das befeuere Stereotypen.

Susanne Schröter im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker |
    Blick über die Dächer: Im Vordergrund die Kölner Zentralmoschee mit ihren beiden Minaretten, im Hintergrund der Kölner Dom.
    Blick über die Dächer: Im Vordergrund die Kölner Zentralmoschee mit ihren beiden Minaretten, im Hintergrund der Kölner Dom. (dpa / Henning Kaiser)
    Auf der anderen Seite sieht sie aber auch steigende Probleme in den islamischen Communitys. Als "problematisch" bezeichnete sie diesbezüglich die zunehmende Frömmigkeit von Jugendlichen. Für viele Jugendliche sei zum Beispiel die Scharia unverzichtbar. Das seien nicht einmal salfistische Jungendlichen, sondern Ränder im Mehrheitsislam, wo man sich fragen könne, ob sie noch mit dem Grundgesetz kompatibel seien.
    Kauder-Vorschlag zu Moscheen: "Gut gemeint, aber schwer umzusetzen"
    Schröter rät zu einer "grundständigen Aufklärung über den Islam bei Muslimen und Nicht-Muslimen". In den Schulen müssten interkulturelle Kompetenzen gestärkt werden. Zudem forderte sie eine konsequentere Vorgehensweise in der Sicherheitspolitik gegen radikale Auswüchse des Islams. Als Beispiel nannte sie die "Lies"-Aktion, bei der in Fußgängerzone der Koran verteilt wird. "In Wirklichkeit ist es nichts anderes, als eine Strategie, um junge Leute in den Salafismus hineinzuwerben."
    Den Vorschlag von Unionsfraktionschef Volker Kauder, Moscheen überwachen zu lassen, bezeichnete sie als "gut gemeint, aber schwer umzusetzen." Muttersprachler müssten diese Aufgabe übernehmen. Die Polizei wisse, in welchen Moscheen radikale Ansichten vertreten würden. Die Kommunen müssten diese Häuser dann schließen.

    Das komplette Interview zum Nachlesen:
    Ann-Kathrin Büüsker: "Der Islam gehört zu Deutschland" – auch wenn bei diesem Satz des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff so manchem der Hut hochgehen mag, insbesondere auf Seiten der Konservativen, rund vier Millionen Muslime in Deutschland, die kann man nun mal nicht einfach wegreden. Durch die zahlreichen Flüchtlinge, die vor allem in den vergangenen Monaten zu uns gekommen sind, ist die Zahl der Muslime noch mal gestiegen. Gerade vor dem Hintergrund der vielen Flüchtlinge und der terroristischen Anschläge der vergangenen Monate haben aber viele Bürgerinnen und Bürger ein etwas ungutes Gefühl im Bauch, was den Islam angeht. Infolgedessen ist auch angetrieben, etwa durch die AfD, eine Diskussion darüber entstanden, wie ein Islam in Deutschland denn am besten aussehen könnte. Darüber möchte ich nun mit Professor Susanne Schröter sprechen, Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam. Guten Morgen, Frau Schröter!
    Susanne Schröter: Guten Morgen!
    Büüsker: Frau Schröter, wie notwendig ist die Debatte, die wir gerade führen?
    Schröter: Die Debatte ist absolut notwendig, weil wir eine steigende Islamfeindlichkeit haben. Und die AfD ist sozusagen die Verkörperung dieser Islamfeindlichkeit und treibt sie auch noch mal voran. Auf der anderen Seite haben wir aber auch in den muslimischen Communitys durchaus Probleme. Wir haben eine zunehmende Anzahl von Jugendlichen, die immer frömmer werden und die in ihrer Frömmigkeit einen Weg gehen, den ich durchaus für problematisch halte. Da brauchen wir noch gar nicht von salafistischen Jugendlichen zu sprechen oder dschihadistischen, sondern das sind Ränder im Mehrheitsislam, wo man sich fragen kann, ob sie noch grundgesetzkompatibel sind.
    Büüsker: Und warum muss man sich diese Frage stellen der Grundgesetzkompatibilität?
    Schröter: Na ja, wenn Jugendliche beispielsweise darauf beharren, dass die Scharia unverzichtbar ist für ihre Religion, und das ist mir gestern auf der Konferenz "Welcher Islam gehört zu Deutschland" auch passiert. Da kamen dann nachher Jugendliche auf mich zu und sagten, ich würde den Islam nicht akzeptieren. Ich würde ihnen den Islam nehmen, wenn ich die Forderung stelle, dass man sich doch von der Scharia distanzieren soll, die ein ganzes Paket an Regularien hat, wenn sie dann im Recht umgesetzt werden soll, die absolut nicht mit unserem Grundgesetz übereinstimmen. Beispielsweise nicht mit der Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen, beispielsweise mit der negativen Religionsfreiheit, das heißt, auch von der Freiheit von Religion und der Möglichkeit, den Islam auch wieder zu verlassen, wenn man Muslima oder Muslim ist.
    Büüsker: Wie erklären Sie sich, dass das gerade bei jungen Muslimen ein Thema ist?
    Schröter: Das ist die große Frage, die im Moment alle umtreibt, da gibt es sicherlich ein ganzes Bündel von Antworten. Es ist die zweite oder dritte oder sogar vierte Generation von Muslimen, das heißt, vorwiegend Leute, die hier geboren sind, aber hier niemals richtig Fuß gefasst haben. Das liegt zum Teil an Diskriminierungen, die sie erfahren haben, das liegt aber auch an den Familien, an den Communitys, die es nicht gerne sehen, wenn ihnen ihre Jugendlichen sozusagen abhandenkommen und sich allzu sehr in die deutsche Gesellschaft integrieren.
    Büüsker: Wie wichtig ist es vor diesem Hintergrund, zu wissen, dass die Moscheen in Deutschland vor allem aus dem Ausland gefördert sind. Trägt das eventuell auch zu dieser Radikalisierung bei?
    Schröter: Na ja, weltweit kann man sehen, dass der wahhabitische Islam auch ein Produkt der Finanzierung mit saudischen Geldern ist, also der saudische Wahhabismus verbreitet sich durch saudisches Geld, saudische Prediger und saudische ideologische Produkte in aller Welt. Und das ist bei uns auch so. Dann steht natürlich noch die Finanzierung durch die Türkei gerade in der Diskussion. Und auch da muss man sich natürlich fragen, welche Art von Islam wird eben auch aus dem Ausland hier bei uns befördert. Ich halte das grundsätzlich für problematisch, aber die Gegenrezepte sind eben nicht so einfach, wie man das vielleicht glauben mag, wenn man Vorschläge aus der Politik hört.
    Büüsker: Was könnte denn aus Ihrer Sicht ein Gegenrezept sein?
    Schröter: Also, es müsste eine ganze Palette von Gegenrezepten geben: Auf der einen Seite müsste man eine grundständige Aufklärung betreiben, A, über den Islam bei Nichtmuslimen, aber auch bei Muslimen. Dann müsste in den Schulen tatsächlich noch mal interkulturelle Kompetenz sehr viel deutlicher gestärkt werden, als das im Moment der Fall ist. Das Fitmachen der Jugend für eine komplizierte und anstrengende multikulturelle Gesellschaft, das sollten wir wirklich in Angriff nehmen. Auf der Seite der Sicherheitspolitik, sage ich mal, müsste auch noch ein bisschen konsequenter vorgegangen werden gegen radikale Auswüchse des Islam, beispielsweise gegen die sogenannte Lesaktion, die im Mantel der Koranverteilung erscheint, aber in Wirklichkeit nichts anderes ist als eine Strategie, um junge Leute in den Salafismus hineinzuwerben.
    Büüsker: Ich glaube, das sagt jetzt vielen Hörerinnen und Hörern nicht ganz so viel.
    Können Sie das kurz erklären – um was für eine Publikation handelt es sich dabei?
    Schröter: Die Lesaktion, das sind die Koranverteilungsaktivitäten in den Fußgängerzonen. Sicherlich haben die meisten schon mal gesehen, dass junge Muslime, immer Männer, in den Fußgängerzonen stehen mit dem Koran und angeblich nur eben den Koran verteilen wollen, was ihnen nach dem Grundgesetz, dem Recht der Religionsfreiheit zusteht. Aber wir wissen, dass über diese Koranverteilungsaktionen vornehmlich junge Leute geworben werden sollen für salafistische Gruppen. Wir wissen, dass nahezu jeder Dschihadist, jeder, der nach Syrien ausgereist ist, um sich dem IS anzuschließen, einmal bei diesen Koranverteilungsaktionen war oder darüber angeworben wurde. Das ist eine der wichtigsten Strategien von Salafisten und Dschihadisten, junge Leute tatsächlich in radikale Kreise hineinzuziehen.
    Büüsker: Jetzt gab es gestern den Vorschlag von Volker Kauder, Unionsfraktionsvorsitzender, dass man Moscheen in Deutschland überwachen müsste. Wie beurteilen Sie diesen Vorschlag?
    Schröter: Vorschlag Kauders nicht praktikabel
    Schröter: Na ja, das ist ein Vorschlag, der vielleicht gut gemeint ist, aber wie soll das denn gehen? Möchte man tatsächlich Polizei in jede Moschee schicken und möchte gucken, was wird denn da gepredigt? Das müssten noch muttersprachliche Leute sein. Was macht man dann tatsächlich? Also es gibt Wissen darüber, was in Moscheen gepredigt wird, und wir wissen auch – und die Polizei weiß das noch viel besser –, wo radikale Inhalte auch in Predigten vertreten werden. Und da wäre eigentlich der Schritt der Kommunen, da doch mal etwas deutlicher Signale zu setzen und zu sagen, wenn das weiter so läuft, dann müssen wir leider eure Moschee dichtmachen. Also es ist nicht das mangelnde Wissen, sondern die mangelnde Konsequenz, die uns zu schaffen macht.
    Schröter: Die Debatte über den Islam in Deutschland, die wird derzeit vor allem von der AfD vorangetrieben. Wie sehr ist diese Debatte auch von Islamophobie getrieben?
    Schröter: Ist sie absolut. Also wenn man sich die Vorschläge der AfD anschaut, Moscheen zu verbieten, das Glaubensbekenntnis, Muslime unter Generalverdacht zu stellen, sich gegen Minarette auszusprechen oder grundsätzlich die Frage zu stellen, ob der Islam grundgesetzkompatibel ist, dann befeuert man damit Vorurteile, Stereotypen. Das geht vollkommen an der Wirklichkeit vorbei. Letztendlich ist es nichts anderes als Islamfeindlichkeit, die dabei zum Ausdruck kommt. Das ist keine konstruktive Kritik an Radikalismen, das ist die Verdammung einer Weltreligion in Bausch und Bogen und absolut nicht akzeptabel.
    Büüsker: Und dennoch ist die Kritik am Islam, wenn ich Sie richtig verstehe, durchaus berechtigt. Wie schafft man da die Abgrenzung zu diesem Rechtspopulismus, wie die AfD ihn vertritt?
    Schröter: Diffuse Ängste zugespitzt auf das Feindbild Islam
    Schröter: Ja, das ist gar nicht einfach. Und ich glaube, einer der größten Schäden, die die AfD angerichtet hat, ist, dass tatsächlich vieles, das kritisiert wird und kritisiert wurde auch in der Vergangenheit, übrigens nicht nur von Nichtmuslimen, sondern auch von Muslimen, dass das jetzt leider allzu schnell tatsächlich abgeurteilt wird und in die rechte Ecke gestellt wird. Also beispielsweise die Idee, dass in den deutschen Moscheen vorwiegend deutsch gepredigt werden sollte, das ist eine ganz alte Forderung, die auch von liberalen Muslimen aufgestellt wird. Und jetzt wird man sofort damit konfrontiert, ob man nicht vielleicht mit dieser Forderung die AfD unterstützt. Das halte ich für fatal, genauso, wie ich es für fatal halte, dass diffuse Ängste in der Bevölkerung jetzt zugespitzt werden auf das Feindbild Islam. Das ist der Sache nicht dienlich. Und ich glaube, wir sind in der ganzen Debatte, die auch eine innerislamische Debatte ist, längst viel weiter.
    Büüsker: Jetzt haben Sie es schon angesprochen: Es ist auch eine innerislamische Debatte. Wie finden wir jetzt den Dialog auch mit Muslime? Es wird ganz oft über sie geredet, aber selten mit ihnen.
    Schröter: Ja, wir haben jetzt in unserem Forschungszentrum, in dem auch viele Muslime und Musliminnen arbeiten, wir bieten immer wieder Plattformen, in denen diskutiert werden kann, so wie gestern die Konferenz "Welcher Islam gehört zu Deutschland?", wo sich muslimische Redner und Rednerinnen aus unterschiedlichen Spektren auf die Bühne gestellt haben und ihre spezielle Version des Islam, ihre Religiosität, ihr Verhältnis zur Gesellschaft zur Diskussion gestellt haben. Das waren sehr spannende Beiträge, sehr differenzierte. Und wir haben gezeigt, dass Islam vielfältig ist – das war das eine – und dass wir tatsächlich so interessante Denker und Denkerinnen haben, die längst unter uns wirken und die einen Islam entwickeln, eine Art, mit dem Koran und mit den islamischen Überlieferungen umzugehen, die erfrischend sind, die berührend sind und die unsere Gesellschaft auch bereichern.
    Büüsker: Sagt Professor Susanne Schröter, Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam, hier heute Morgen im Deutschlandfunk. Frau Schröter, ich danke Ihnen für dieses Gespräch!
    Schröter: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.