
"25 Prozent unserer Kunden so ungefähr kommen aus Frankreich, und wir wollen auch im Werkstattbereich unsere Kunden in der Landessprache bedienen."
Klaus-Peter Hippchen leitet die Berufsausbildung bei der Torpedo-Gruppe im Saarland, einem KFZ-Händler, der überwiegend für Mercedes tätig ist. Allein acht Auszubildende hat Torpedo bereits im ersten Ausbildungsjahr in diesen Ausbildungsgang geschickt, Tendenz steigend. Denn die Versuche, französische Jugendliche für den Standort Deutschland zu begeistern, hätten trotz der unmittelbaren Nähe zu Frankreich bislang nicht gefruchtet, bedauert Hippchen. Dabei sähe es die Wirtschaft gern gelänge es, der hohen Jugendarbeitslosigkeit auf französischer Seite - sie liegt bei etwa 20 Prozent – mit dem Ausbildungsangebot auf deutscher Seite zu begegnen.
"Wir haben parallel auch immer wieder Praktikanten aus Frankreich, aber das hat noch nicht zu einem Ausbildungsplatz geführt. Die Ausbildungsformen der allgemeinbildenden Schulen sind leider sehr unterschiedlich."
An dieser Entwicklung lässt sich zweierlei ablesen. Zum einen die mangelnde Kenntnis und auch die mangelnde Wertschätzung für das duale Ausbildungs-System und zum anderen das sinkende Interesse an der Sprache des Nachbarn. Deutsch zu lernen ist für junge Franzosen genauso wenig attraktiv wie für junge Deutsche, Französisch zu lernen.
"Ich hatte Englisch Leistungskurs und habe mich früher nicht so für Französisch interessiert, was ich jetzt ein bisschen bereue, habe es dann direkt abgewählt, sobald es ging. Jetzt merke ich, dass es doch ein Fehler war. Also, es hat mich richtig angefuchst. Es macht echt Spaß jetzt, zu lernen, man merkt auch die Fortschritte."
Dominik ist im zweiten Ausbildungsjahr und beugt sich gemeinsam mit seinem französischen Ausbilder Frédérique Philippi über einen Computer.
Für drei Wochen hospitiert Dominik, der nach dem Abitur in die Lehre eingestiegen ist, im französischen Kfz-Betrieb in Metz, 70 Kilometer von Saarbrücken entfernt.
Der Meister ist zufrieden mit seinem Schützling.
"Die Diagnostik hat er drauf, das klappt gut. Er bringt die nötigen Voraussetzungen mit. Ich bin sehr zufrieden mit der deutschen Schule."
Enorme Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich

"Die jungen Leute treten ganz anders auf, gehen anders an die Arbeit heran. Es gibt enorme Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich."
In Frankreich ist die Ausbildung sehr theoretisch, denn sie findet überwiegend im schulischen Rahmen statt. Die in Deutschland praktizierte duale Form der Ausbildung ist zwar in Frankreich nicht gänzlich unbekannt, aber sie wird nicht gelebt. Zum einen weil die Betriebe sich nicht vehement dafür einsetzen und zum anderen, weil sie bei Schülern und Eltern nach wie vor extrem unbeliebt ist. Im Vergleich zu einem Studium an einer Fachhochschule gilt sie als minderwertig.
"Wir haben verstanden, dass wir einen anderen Weg gehen müssen und wir müssen mit den Eltern ins Gespräch zu kommen, weil da liegt das wahre Problem. Wir sind uns bewusst, dass wir in der Region, im Elsass, in Lothringen ein Ausbildungsangebot schaffen müssen, das den Bedürfnissen der Unternehmen entspricht und den jungen Leuten dabei hilft, sich zu orientieren."
"Ich muss bei den Betrieben immer wieder Klinken putzen, um die Praktikanten unterzubringen."
Bauer ist einer der Koordinatoren des deutsch-französischen Ausbildungsprojektes für Kfz-Mechatroniker. Er teilt sich die Arbeit mit Jörg Schaper, dem deutschen Partner vom Berufsbildungszentrum St. Ingbert.
"Wenn wir das mal zusammenrechnen auf ein Schuljahr bezogen, sind es 14 Wochen Austausch, die organisiert werden müssen in beide Richtungen gehend."
14 Wochen, in denen die jungen Leute im Nachbarland wohnen, essen, arbeiten und ihre kulturellen Erfahrungen machen. Für Nicolas haben sie sich ausgezahlt. Weder mit Deutschland noch mit der deutschen Sprache hatte er zuvor irgendetwas am Hut.
"Dadurch, dass ich die Sprache gelernt habe, Deutschland ein wenig kennengelernt habe, hat sich mir eine andere Welt erschlossen. Dank dieser Erfahrung werde ich später mal in Luxemburg oder direkt in Deutschland arbeiten können. "
Das Thema Ausbildung gehört zu den zentralen Punkten einer Neufassung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages, der unter dem Arbeitstitel Elysee 2.0 verhandelt wird. Tobias Hans, saarländischer Ministerpräsident.
"Die Zukunft muss sein, dass wir tatsächlich eine integrierte deutsch-französische Ausbildung anbieten mit einem Abschluss für alle, weil das Thema gemeinsame grenzüberschreitende Ausbildung ein ganz großes Thema ist für ein zusammenwachsendes Europa."
Menschen, die mobil sind, braucht die Region. Kein anderer Grenzraum in der Europäischen Union pflegt so viel Austausch wie das deutsch-französisch-luxemburgische Grenzgebiet. 220.000 Menschen - Belgier, Deutsche, Franzosen, Luxemburger - machen sich tagtäglich auf den Weg, um in einem anderen Land zu arbeiten. Die größte Anziehungskraft besitzen dabei der luxemburgische und der deutsche Arbeitsmarkt. Luxemburg investiert inzwischen Millionen von Euro in sein Schienennetz, um die überfüllten Straßen zu entlasten und dem Ansturm der Pendler Herr zu werden.
"Wir sind stolz darauf, dass wir der größte grenzüberschreitende Arbeitsmarkt in Gesamt-Europa sind. Ich halte das für ein schlechtes Signal für Europa. Wir gehen wieder zurück in die Kleinstaaterei und erheben Wegezölle. So kann man Europa sicherlich nicht erfolgreich nach vorne bringen."
Die Maut wird auch die Kaufwilligen abschrecken. Der Einzelhandel im saarländischen Grenzgebiet lebt zu einem Drittel von der französischen Kundschaft. Die Unternehmen arbeiten bereits an Lösungen, um die Folgen der Maut abzumildern. Michael Karrenbauer:
"Wir sind Händler und Händler sind immer einfallsreich. Wir werden sicherlich, wenn die Maut kommt, uns auch Kompensationsmöglichkeiten überlegen für unsere französischen Kunden. Da kann man Gutscheinlösungen anstreben. Aber dennoch, es bleibt für uns ein wichtiges Thema auf der politischen Agenda und wir würden es begrüßen, wenn man davon Abstand nehmen würde."
Michael Karrenbauer führt die Geschäfte eines regional tätigen Möbelhauses mit einer Reihe von Standorten in Grenznähe. Es habe Jahre gedauert, auf dem französischen Markt anzukommen.
"Das durften wir leidlich erfahren, als wir angefangen haben in Frankreich zu werben. Da haben wir relativ schnell gemerkt, dass wir da gegen Vorschriften verstoßen, von denen wir gar nicht wussten, dass es sie gibt."
Dazu zählen zum Beispiel detaillierte Produktkennzeichnungspflichten in Werbeprospekten, eine Papiersteuer, die ebenfalls auf Prospekte erhoben wird oder auch eine Umweltabgabe auf Möbel. Die Abgabe soll dazu dienen, die Entsorgungskosten für Möbel zu finanzieren und ist eigentlich vom Verbraucher zu tragen. Allerdings verfüge der deutsche Händler nicht über ausreichend Informationen seiner Lieferanten, um die französische Umweltabgabe nach einer minutiösen Berechnungsgrundlage zu ermitteln, klagt der Geschäftsführer der Möbelkette.
"Da wir sie Artikelgenau aber nicht ermitteln können, können wir die Abgabe unserem Kunden auch nicht in Rechnung stellen. Das heißt, dass wir auf der Abgabe, die wir heute im Konsens mit der französischen Behörde im Schätzwege ermitteln, dass wir auf dieser Abgabe schlicht sitzen bleiben. Das geht dann schon in den sechsstelligen Bereich."

"In Frankreich gibt es eine Versicherung, die heißt Décennale, das ist eine zehnjährige Garantieversicherung. Sobald man an einem Bauwerk irgendetwas macht, ein Loch bohrt oder etwas festschraubt muss man die décennale haben, das ist Gesetz und es ist strafbar, wenn man es nicht hat. Und die kriegt man nur, wenn man eine französische Steuernummer hat."
"Wir wollten ursprünglich eine zweite Zweigstelle in Nancy gründen, das haben wir jetzt gestrichen."
Christian Stark deutet auf einen dick gefüllten Ordner, der vor ihm auf dem Tisch liegt. Darin ist ein Kündigungsverfahren, das in Deutschland bereits zugunsten des Unternehmens entschieden wurde, aber vom gekündigten Arbeitnehmer in Frankreich erneut angestrengt wurde. Gut möglich, dass die Firma das Verfahren in Frankreich verliert, gut möglich auch, dass das Unternehmen hohe Abfindungen und Schadensersatzzahlungen leisten muss. Priscille Lecoanet, Arbeitsjuristin in Straßburg:
"Warum geht das? Das Arbeitsrecht in Frankreich ist sehr Arbeitnehmergünstig, auf jeden Fall. Im Rahmen solcher Verfahren ist das Risiko für das Unternehmen sehr hoch."
Es gibt zig Anwaltskanzleien, die sich im Grenzgebiet darauf spezialisiert haben, die Unternehmen an die Hand zu nehmen, damit sie nicht allzu viele Fehler begehen. Aber viele suchten sich erst juristischen Beistand, wenn sie durch Schaden bereits klug geworden sind.
"Ich höre oft, wenn man ein Kündigungsverfahren anfängt, bei ausländischen Unternehmen, wenn ich das gewusst hätte, wäre ich nicht in Frankreich tätig gewesen."
Die vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron im vergangenen Jahr durchgeboxte Arbeitsreform, an der sich zuvor bereits eine Reihe von Präsidenten erfolglos versucht hatten, habe die Situation verbessert, ist Pricille Lecoanet überzeugt.
"Vielleicht aus den Augen von deutschen Unternehmen ist es noch nicht genug, was er gemacht hat, aber für Frankreich war es eine Revolution, was passiert ist."
"Zwischen 2016 und 2017 ist die Zahl der entsendeten Arbeitnehmer um 50 Prozent gestiegen. Und für unsere Bevölkerung ist das sehr sensibel."
Im nationalen Vorschriften-Paket war zunächst auch eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 40 Euro enthalten, die für jeden Arbeitnehmer gezahlt werden sollte. Jeder, der in Namen einer deutschen Firma einen Auftrag in Frankreich durchführt, muss, bevor er losfährt, namentlich in ein elektronisches Register eingetragen werden. Für den notwendigen "Papierkram" haben die Firmen zum Teil eigene Mitarbeiter eingestellt, aber die 40 Euro empfanden Handwerker und Dienstleister als Schikane und das zurecht, sagt die französische Expertin für Arbeitsrecht Pricille Lecoanet.
"Ich denke, das inoffizielle Ziel war, die ausländischen Unternehmen abzuschrecken, weil sie wollen keinen Wettbewerb haben. Aber offiziell wurde erklärt, diese 40 Euro, wenn Sie einen Mitarbeiter nach Frankreich entsenden, müssen Sie ihn anmelden und es gibt ein Internetportal, um das zu tun. Und das hat den französischen Staat viel Geld gekostet und sie wollten, dass die ausländischen Unternehmen das finanzieren."
Die Proteste hatten Erfolg, die Verwaltungsgebühr ist wieder vom Tisch. Aber die Hauptstädte haben die Auswirkungen ihrer Gesetze, wie etwa bei der Maut oder eben bei der Entsenderichtlinie, nicht immer im Blick, sagt, Christophe Arend, Vorsitzender der deutsch-französischen Parlamentariergruppe in der französischen Nationalversammlung.
"Was sich hier abspielt an dieser ganzen deutsch-französischen Grenze, das ist etwas, das kann man in Paris oder Berlin nicht so richtig nachvollziehen."
"Wenn hier Unternehmen aus dem Saarland Produkte auf französischer Seite verkaufen und dort installieren und dazu ihre Handwerker rüberschicken, dann ist das ein – wie ich finde - Fall, der geradezu alltäglich gemacht werden sollte und nicht mit einem bürokratischen Monster konfrontiert wird. Dafür brauche ich pragmatische Lösungen, natürlich nicht im rechtsfreien Raum, aber so, dass es sich handeln lässt."
Das französische Angebot bewege sich genau in diese Richtung, sagt die französische Generalskonsulin Catherine Robinet.
"Zum Beispiel für eine kurze Zeit, für eine Küche, die von Möbel Martin, die in Forbach montiert wird, braucht Möbel Martin keine Formalitäten mehr. Oder ein Busfahrer, der eine Schulklasse nach Frankreich fährt auch nicht; die Musiker und Sportler."
"Deutschland muss da auch überlegen, was passiert dann bei mir an den anderen Grenzen. Weil man kann da schlecht überlegen, ja ihr dürft an der deutsch–französischen. Und wir an der deutsch-österreichischen oder deutsch-tschechischen oder deutsch-polnischen dürfen nicht."
"Alle Entscheidungsträger sind zwischenzeitlich in Straßburg, das heißt die politischen Entscheidungsträger. Und auch zentrale wirtschaftliche Entscheidungsträger, Politik und Wirtschaft sind in Frankreich stark miteinander verflochten."
Legleitner ist der Chef des Teams und der einzige Deutsche.
"So ein assimilierter Franzose, wie er sich selber nennt."
"Große Infrastrukturprojekte, den nähern sie sich im Wesentlichen dadurch an, dass sie zu Beginn der Ausschreibungsphase schon entsprechenden Informationen, Kontakte Vernetzungen haben und auch die Entscheidungsträger entsprechend hinwirken können in der Vorstrukturierung des Projektes."
Eine Milliarde Euro hat das Finanzinstitut derzeit in der Region investiert in öffentliche Infrastrukturprojekte und in den Ausbau erneuerbarer Energien. Und die Reformfreudigkeit des französischen Präsidenten stärke den Wettbewerb, glaubt Legleitner.
"Die Investitionsneigung, die Bereitschaft ausländischer Unternehmen speziell deutscher Unternehmen in Frankreich zu investieren, steigt mit den Reformen von Macron, insbesondere im grenzüberschreitenden Bereich, das sehen wir auch in unserer tagtäglichen Arbeit."
Die Grenzregionen funktionieren wie ein Brennglas. Hier zeigt sich, wie es um das deutsch-französische Miteinander bestellt ist. Das gilt nicht nur für den kleinen Grenzverkehr, sondern auch für die großen Fragen, die aktuell diskutiert werden, wie zum Beispiel die Flüchtlingskrise.