Manfred Götzke: Heute vor 30 Jahren also haben Deutschland und Polen ein neues Kapitel in ihren Beziehungen aufgeschlagen mit dem deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag. Für die polnische Seite unterzeichnete der damalige Premier Jan Krzysztof Bielecki:
"Die Polen hatten noch die Grausamkeiten und den Schrecken des Zweiten Weltkriegs im Hinterkopf, darum heißt es in dem Vertrag auch "gute Nachbarschaft". Drei Monate zuvor hatten wir einen Vertrag mit Frankreich unterschrieben, das ist ein Vertrag über Freundschaft und Solidarität, aber mit den Deutschen war damals das Verhältnis nicht ganz so eng."
Götzke: Ja, das ist 30 Jahre später wohl wieder so. Ob heute beim Jubiläumstreffen von Frank-Walter Steinmeier und seinem polnischen Amtskollegen Andrzej Duda die deutsch-polnische Freundschaft beschworen wird, das darf zumindest bezweifelt werden, denn auf politischer Ebene sind die Beziehungen seit Jahren frostig. Der Ärger über Nord Stream 2 auf polnischer Seite, Deutschland wiederum irritiert wegen der Aushöhlung des Rechtsstaates, der Rechtsstaatlichkeit durch die PiS-Regierung. Wie es um die politischen und die persönlichen Beziehungen steht, möchte ich mit Agnieszka Lada besprechen, sie ist stellvertretende Direktorin des Deutschen Polen-Instituts. Guten Morgen!
Agnieszka Lada: Guten Morgen!
Götzke: Frau Lada, wie viel politische Freundschaft ist noch da zwischen der PiS-Regierung und der deutschen Bundesregierung?
Lada: In der Tat nicht sehr viel, es läuft nicht alles perfekt seit dem Jahr 2015. Es mangelt an Kommunikation, also Freundschaft kann man das nicht nennen. Aber Gott sei Dank haben wir auf anderen Ebenen Zusammenarbeit, und politisch auf der Selbstverwaltungsebene, auf der regionalen Ebene, da kann man schon über Freundschaft sprechen.
Götzke: Liegt dieser Mangel an politischer Freundschaft vor allem an Nord Stream 2, oder stecken da grundsätzliche Probleme dahinter, also das andere Verständnis von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, um es mal so zu sagen.
PiS spielt oft die antideutsche Karte
Lada: Das stimmt, es gibt mehrere Gründe, und die haben Sie auch richtig genannt. Die innenpolitische Lage in Polen ist von Deutschland sehr kritisch gesehen, seltener direkt angesprochen, hier sagt Berlin nicht viel. Vor allem die sogenannte antideutsche Karte, die die PiS-Regierung immer wieder nutzt, ist ein Problem - wenn es innenpolitisch passt, also Kritik gegenüber Deutschland, sehr viel zum Thema Geschichte in der Rhetorik. Das hilft natürlich nicht, konstruktive, zukunftsorientierte Beziehungen aufzubauen.
Götzke: Nun versucht Angela Merkel ja durchaus immer mal wieder Brücken zu schlagen, Brücken zu bauen, im Dezember hat sie beim europäischen Rechtsstaatsmechanismus einen Kompromiss zugunsten Polens ausgehandelt. Kommt das in Warschau nicht an?
Lada: Schon aber bei denjenigen, die die Opposition unterstützen. Sie wissen das und schätzen das auch sehr. Die polnische Regierung zeigt das eher als eigenen Erfolg, Angela Merkel wird in diesem Zusammenhang nicht gelobt, sondern eher die eigene Regierung. Das ist auch kritisch für die polnische Regierung, aber man weiß schon, also die Oppositionsseite weiß schon, dass Angela Merkel sich ständig bemüht hat und immer noch bemüht, die guten deutsch-polnischen Beziehungen zu pflegen.
Götzke: Polen ist inzwischen Deutschlands drittwichtigstes Lieferland, noch vor den USA. Werden die politischen Beziehungen dieser starken wirtschaftlichen Verflechtung überhaupt noch gerecht?
Lada: Wirtschaftlich entwickelt sich alles sehr gut, das sehen auch die Polen und die Deutschen so – wenn man sie befragt, wie sie die Beziehungen einschätzen. Sie sagen, wirtschaftliche Interessen sind sehr wichtig, und deshalb sind die Beziehungen gut. Aber die Politiker sehen das nur dann, wenn das passt, also man lobt schon in Polen deutsche Investitionen, aber eine Woche später kritisiert man sie als zu viel deutsches Kapital. Insoweit geht nicht alles zusammen, und das ist schade, weil ohne gute politische Beziehungen kann sich die Wirtschaft auch nicht so gut entwickeln, wie man sich wünschen würde.
Deutsche und Polen verstehen sich inzwischen sehr gut
Götzke: Lassen Sie uns auf die persönlichen Beziehungen zwischen Deutschen und Polen blicken, Sie untersuchen das Ganze ja jährlich in ihrem deutsch-polnischen Barometer: Wie haben die sich in den vergangenen 30 Jahren entwickelt – zum Positiven?
Lada: Ja, auf jeden Fall. Man merkt schon, die letzten 30 Jahre, das war eine Erfolgsgeschichte, auch wenn es politisch nicht immer ideal war. Aber unter den Menschen, die menschlichen Beziehungen haben sich sehr verbessert, das merkt man jetzt. Die Polen sagen, ich habe nichts dagegen, wenn ich für einen deutschen Chef arbeite, für eine deutsche Firma, wenn ich deutsche Nachbarn habe, wenn ich einen deutschen Schwiegersohn habe. Das ist natürlich schon ein wirklicher Erfolg, und Deutsche und Polen verstehen sich einfach besser, auch die Deutschen verstehen die Polen besser, auch wenn hier auf der deutschen Seite auch noch Nachholbedarf besteht, dass man ein bisschen sich mehr für das Nachbarland interessiert.
Götzke: In Ihrem aktuellen Barometer haben Sie sich mit den außenpolitischen Positionen von Deutschen und Polen beschäftigt und festgestellt, die Ähnlichkeiten, die sind ziemlich groß, richtig?
Lada: Ja, das stimmt. Gerade heutzutage, wenn man sehr viel über die Rolle Russlands und die USA spricht, das ist sehr wichtig zu betonen, dass die beiden Gesellschaften positiv die Rolle der Vereinigten Staaten in der Weltpolitik sehen und wiederum die globale Rolle Russlands sehr kritisch sehen. Also hier sind die Polen und die Deutschen in den Meinungen ähnlich, dass Russland eher verantwortlich ist, dass Streitigkeiten und Konflikte in der Welt geschehen. Hier haben wir wirklich viel Gemeinsames und könnten und können wirklich etwas Gemeinsames entwickeln hoffentlich heute bei dem Besuch. Steinmeier wird da auch ein Thema sein.
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