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"Deutschland wird ein Autoland bleiben"

Benzinpreiserhöhungen haben schon in den Siebzigerjahren zu Protesten und Unmut geführt, sagt der Chef der Beraterfirma International Car Concept, Uwe Röhrig. Heute sei die Situation an den Zapfsäulen zwar "ein bisschen sehr arg". Hybrid- oder Elektroantrieb seien aber in der Entwicklungsphase und kämen spätestens 2012 zum Tragen, so Röhrig.

Moderation: Jürgen Liminski | 19.06.2008
    Jürgen Liminski: Als Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland die ersten motorisierten Fahrzeuge vorgestellt wurden, soll Kaiser Wilhelm II. gesagt haben, "Ich glaube an das Pferd! Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung." Nun: Angesichts ständig steigender Zahlen an den Zapfsäulen fragt man sich, ob wir nicht alle bald wieder im übertragenen Sinne natürlich umsatteln müssen. Wird das Autofahren im traditionellen Autoland Deutschland bald unbezahlbar? Wie sollen sich Autofahrer orientieren? Über diese und andere Fragen sprechen wir jetzt mit Uwe Röhrig. Er leitet das Automobilberatungsunternehmen International Car Concept mit Standorten in Berlin und Hannover. Herr Röhrig, Sie haben mehr als 40 Jahre automobile Erfahrung. Haben die deutschen Autofahrer in dieser Zeit einmal in vergleichbarer Art und Weise gestöhnt oder stöhnen müssen? Zu Beginn der Sommerferien in Nordrhein-Westfalen wird ja sicher wieder mit einer neuen Preisexplosion an den Tankstellen zu rechnen sein.

    Uwe Röhrig: Ich denke mal, noch mal zurückreflektierend, was Kaiser Wilhelm II. gesagt hat, das Pferd ist ja nun wirklich kein Ersatz für die urbane Mobilität, die jeder Mensch in sich birgt, sondern wäre heute nur ein Zeitvertreib. Aber ganz generell: Natürlich haben wir gerade speziell in Deutschland ähnliche Situationen in den 70er Jahren gehabt. Autofreie Sonntage. Jede Kraftstoffpreiserhöhung, jede Preiserhöhung im Automobilhandel hat das immer mit sich gebracht. Nur zum jetzigen Zeitpunkt ist es natürlich ein bisschen sehr arg, aber auch da gibt es Auswege, die eindeutig die Zukunft des Automobils rechtfertigen.

    Liminski: Was raten Sie denn den Verbrauchern, Herr Röhrig, die heute überlegen, ob sie sich ein neues Auto kaufen wollen oder sollen? Nach einer aktuellen Befragung des Marktforschungsunternehmens "Puls" wartet zurzeit rund ein Drittel der potenziellen Käufer lieber ab, weil keiner so recht weiß, welche umweltpolitischen Maßnahmen nun beschlossen werden -Pendlerpauschale, Neuordnung der KFZ-Steuer, Beimischung von Biosprit, Vorgaben der EU, Einrichten vom Umweltzonen in Innenstädten: Keiner blickt mehr so richtig durch. Würden Sie heute in ein Autohaus gehen und einen Neuwagen kaufen?

    Röhrig: Ich denke mal die Rahmen- und Randbedingungen, die auch von der politischen Seite her noch nicht ganz klar definiert sind, aber immerhin in den letzten Wochen schrittweise in die richtige Richtung weisen, sagen eindeutig - und so würde ich es empfehlen -, jetzt ein Auto zu kaufen und das auf einer Leasing-Basis, damit man sagen kann, nach 36 oder 48 Monaten kann ich das Fahrzeug zurückgeben, egal welche Rahmen- und Randbedingungen dann verabschiedet sind - umweltpolitische CO2-Diskussion und ähnliche Dinge - so dass man damit dann auf der sicheren Seite wäre.

    Liminski: Aber was für ein Auto? Ein einfaches Auto mit Benzin, mit Gas oder?

    Röhrig: Ich denke mal die Situation zum jetzigen Zeitpunkt, ein normales benzin- oder dieselbetriebenes Fahrzeug mit der Alternative gerade beim Benziner vielleicht umzurüsten auf ein Gasfahrzeug. Das hängt immer ein Stück weit davon ab, wie viele Kilometer fährt jemand. Wann amortisiert sich ein Fahrzeug. Nach den jetzigen Kraftstoffpreisen rechnet sich ein Diesel, der ja im Grundpreis schon mehr kostet, zunächst mal nicht. Wenn man ein gasbetriebenes Fahrzeug zu Rate zieht, dann muss man auch hier sagen: zweieinhalb bis drei Jahre bei einer durchschnittlichen Laufleistung pro Jahr von 15.000 Kilometern hat man dann die Amortisation gefahren, so dass heute mit dem, was Automobilhersteller an Entwicklung und Technologien kraftstoffreduzierend bringen, die Fahrzeuge, die in der unteren Klasse mit zwischen 4 und 5,5 bis 6 Litern Kraftstoff verbrauchen, kann man sagen, wird sich das für den Mittelfristzeitraum, also die nächsten vier bis fünf Jahre auf jeden Fall noch lohnen.

    Liminski: 5,5 Liter. Sie waren mal Vertriebschef bei einem großen deutschen Hersteller, der so genannte Premiumautos herstellt. Könnten nicht auch in Deutschland bald Zeiten kommen, in denen die Spritfresser von Audi, BMW und Mercedes und anderen nicht mehr gefragt sind? Verschlafen unsere Hersteller da nicht eine Entwicklung?

    Röhrig: Ich denke mal die Schlafzeit war lange genug und die neuesten Entwicklungen gerade von den großen Herstellern in Richtung Hybridantrieb, in Richtung elektrobetriebene Fahrzeuge laufen auf Hochtouren. Auf der anderen Seite muss man einfach dem Rechnung tragen: Was will der Markt? Was will der Kunde? Es wäre fatal, wenn man diesen Gedanken und die Wünsche des Kunden nach starken, großvolumigen Motoren, die immer noch da sind, nicht Rechnung tragen würde. Aber auf der anderen Seite das, was die Zukunft ausmacht, ist in der Entwicklung und wird spätestens 2010, 2012 nachhaltig neue Vertriebskonzepte darstellen. Denn wir müssen eines natürlich berücksichtigen: Die fossilen Brennstoffe sind endlich und wie sich das darstellt mit den Kraftstoffpreisen, der Mineralölindustrie, deren Entwicklung, zeigt sich deutlich an, dass man eine höhere Unabhängigkeit von diesen fossilen Brennstoffen erwirken muss.

    Liminski: Was will der Kunde, sagen Sie. Sie beraten ja nun auch Autohäuser. Was machen die Ihrer Meinung nach richtig gut, was läuft dort völlig falsch? 2007 - so die Argumentation der Hersteller und Automobilverbände - hat die Erhöhung der Mehrwertsteuer zu einem Einbruch bei den Verkaufszahlen geführt und jetzt schimpft man über den klimapolitischen Zickzack-Kurs der Regierung. Sind denn Händler und Hersteller Unschuldslämmer, die für schlechte Absatzzahlen gar nichts können?

    Röhrig: Ich denke mal das Thema der Mehrwertsteuer und deren Kaufzurückhaltung ist im Grunde nur ein Thema, was man ausgegriffen hat, denn was tatsächlich fehlt in den Autohäusern, in der automobilen Landschaft ist diese kompromisslose Kundenorientierung. Marken und Produkte sind heute austauschbar, aber das was der Kunde will, nämlich so betreut und bedient werden, das was er erlebt kurz vor Kaufabschluss dann nachher auch, wenn er zum Service kommt, das ist ausschlaggebend und das ganze dann gekoppelt mit einer Dienstleistungskomponente, wo nicht nur der Fahrzeugkauf im Vordergrund steht. Das heißt im Wesentlichen müssen heute die Autohäuser und die Hersteller dafür Sorge tragen, dass der Kunde rundum glücklich gemacht wird. Das geht über andere Öffnungszeiten. Das geht über tatsächlich gelebte Freundlichkeit. Ich sage immer in unseren Beratungsleistungen, es gibt interne und externe Kunden. Wenn ich mit internen Kunden - mit Mitarbeitern - schon nicht richtig umgehe, wie soll ich dann erwarten können, dass der wirkliche Kunde, der die Gehälter im Autohaus letztlich ja bezahlt, dann auch vernünftig betreut und bedient wird.

    Liminski: Zum Schluss eine Frage, Herr Röhrig, die die Zukunft betrifft. Wie wird sich die deutsche Automobil-Landschaft in den nächsten zehn Jahren Ihrer Meinung nach verändern? Wird Deutschland noch ein Autoland bleiben, oder müssen wir mit einem massiven Abbau von Arbeitsplätzen rechnen?

    Röhrig: Ich denke mal dieser massive Abbau von Arbeitsplätzen wird dahingehend in der Konsequenz nicht stattfinden, denn Deutschland wird ein Autoland bleiben, allerdings nicht mehr mit den alleinigen Verbrennungsmotoren, sondern die Zukunft gehört einzig und allein nach meinem Dafürhalten den Elektroantrieben, vielleicht übergangsweise den Vollhybrid-Fahrzeugen. Aber die Zukunft geht auch in der Entwicklung von Fahrzeugkonzepten weiter und damit sicherlich auch ein Großteil der Arbeitsplatzsicherung in der Automobilindustrie, denn immerhin jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland ist von der Automobilindustrie abhängig. Das schöne, verrückte Autoland Deutschland, das wird es auch in Zukunft noch geben.

    Liminski: Keine Zukunft ohne Auto. Das war Uwe Röhrig, Leiter des Automobilberatungsunternehmens International Car Concept. Besten Dank für das Gespräch, Herr Röhrig!