Pendler und Reisende können seit Mai 2023 mit dem Deutschlandticket vergleichsweise günstig bundesweit Fahrten im öffentlichen Nah- und Regionalverkehr unternehmen. Mit dem Ticket will die Politik die Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) erhöhen und einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Bisher kostete es 49 Euro, ab 2025 soll es neun Euro teurer werden.
Inhaltsverzeichnis
- Warum haben sich die Verkehrsminister der Länder auf eine Erhöhung des Ticketpreises geeinigt?
- Warum halten Bundesregierung und Länder das Deutschlandticket für einen Erfolg?
- Ist die Finanzierung des Deutschlandtickets langfristig gesichert?
- Welche Kritik gibt es am Deutschlandticket?
- Welche alternativen Ideen zum Deutschlandticket gibt es?
Warum haben sich die Verkehrsminister der Länder auf eine Erhöhung des Ticketpreises geeinigt?
Bei einem Treffen im September 2024 haben die Verkehrsminister der Länder beschlossen, dass der Preis für das Deutschlandticket von in der Regel 49 Euro ab Januar 2025 um neun Euro auf 58 Euro steigen soll. Über die Erhöhung hatte es zuvor längere Debatten gegeben.
Das sei eine „maßvolle Erhöhung“, sagte der Verkehrsminister von Nordrhein-Westfahlen, Oliver Krischer (Grüne). Auf der einen Seite wolle man damit nicht allzu viele Abonnentinnen vergraulen, auf der anderen Seite sollen Einnahmeausfälle bei den Verkehrsverbünden ausglichen werden. Mit der Erhöhung wird die Hoffnung verbunden, zukünftig kostdeckend zu arbeiten.
Kritik kommt vom Sozialverband VdK. Für armutsgefährdete und ältere Menschen, die nur eine Grundrente beziehen, sei die Preiserhöhung ein großes Problem, sagte NRW-VdK-Präsident Horst Vöge der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“.
Warum halten Bundesregierung und Länder das Deutschlandticket für einen Erfolg?
Nach Ansicht des Vorsitzenden der Verkehrsministerkonferenz, Nordrhein-Westfalens Ressortchef Oliver Krischer (Grüne), entlastet das Deutschlandticket Pendler und leistet einen wichtigen Beitrag zur Mobilitätswende, zur sozialen Teilhabe und zum Klimaschutz. Es sei deswegen ein Erfolgsmodell.
So sieht es auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) - er hatte schon im November letzten Jahres das Ticket als großen Erfolg bewertet. Momentan wird es von rund 13 Millionen Menschen genutzt. Nach Umfragen besteht allerdings die Gefahr, dass viele Abonnenten ihr Ticket nach der Preiserhöhung kündigen.
Ist die Finanzierung des Deutschlandtickets langfristig gesichert?
Bisher zahlen Bund und Länder jeweils rund 1,5 Milliarden Euro im Jahr. Der Bund hatte die Regionalisierungsmittel, mit denen er den öffentlichen Nahverkehr unterstützt, erhöht, um das Deutschlandticket mitzufinanzieren.
Doch weil die Mittel bereits in diesem Jahr knapp wurden, beschloss der Bundestag im Juli eine Neufassung des Regionalisierungsgesetzes. Mit der Gesetzesänderung können Mittel für die Finanzierung des Deutschlandtickets im nächsten Jahr genutzt werden, die in den Vorjahren nicht abgerufen wurden.
Mit der Erhöhung nähere sich das Deutschlandticket dem realistischen Preis, der eher bei 69 Euro liege, sagt Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU). Die Verkehrsminister der Länder mahnen nun Zusagen des Bundes ab 2026 an. Um zukünftig den Streit um weitere Preiserhöhungen zu entschärfen, soll es eine Indexierung des Preises geben. Das heißt: Eine Erhöhung soll sich an der Steigerung der Verbraucherpreise orientieren.
Auch Verbraucherschützer mahnten in der Vergangenheit eine langfristige Vereinbarung an. Um langfristig Erfolg zu haben und mehr Menschen in den Nahverkehr zu holen, sei eine gesicherte dauerhafte Finanzierung notwendig, so Ramona Pop vom Verbraucherzentrale Bundesverband.
Die Umweltorganisation Greenpeace äußerte sich ähnlich. Damit der öffentliche Nahverkehr seinen Weg aus der Nische finde, brauche es einen stabilen Preis, mehr Personal und eine bessere Taktung. Der Ticketpreis sollte nicht jedes Jahr neu verhandelt werden.
Welche Kritik gibt es am Deutschlandticket?
Mobilitätsforscher wie Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) sehen bereits den Preis von 49 Euro als größtes Problem des Deutschlandtickets. Das sei zu teuer, „um Verlagerungseffekte messen zu können“, sagte der Forscher. Autofahrer seien mit dem 49-Euro-Ticket ebenfalls „nicht wirklich zu begeistern“.
Praktisch habe die Bahn mit dem 49-Euro-Ticket keine neuen Kunden gewonnen, kritisierte Knie. Das Deutschlandticket werde vor allem von Menschen nachgefragt, die vorher teurere Abos gehabt hätten oder Gelegenheitskunden gewesen seien. Noch immer nutzten weniger Menschen als vor der Pandemie die öffentlichen Verkehrsmittel.
Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt der Verkehrsökonom Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Demnach wird durch das Deutschlandticket nur etwa 0,5 Prozent des Autoverkehrs tatsächlich verlagert. Das bedeute, dass nur fünf Prozent der mit dem Ticket gemachten Fahrten verlagerte Fahrten seien, so Böttger.
Umgerechnet in Personenkilometer seien dies vier bis fünf Milliarden pro Jahr zusätzlich. Dafür gebe man vier Milliarden Euro für das Deutschlandticket aus - viel Geld für einen geringen Effekt. Das gelte auch für die Treibhausgase, so Böttger. Jede mit dem Deutschlandticket eingesparte Tonne CO2 koste 6000 oder 8000 Euro. Dies sei „absurd viel Geld“.
Das Bundesverkehrsministerium geht von CO2-Einsparungen von etwa 22 Megatonnen aus, während das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium mit vier Megatonnen rechnet. Hier herrscht mindestens Unklarheit.
Zudem erreiche man mit der Subvention des Deutschlandtickets nicht die Menschen, die bedürftig seien, kritisiert Böttger weiter. „Die großen Profiteure sind die Leute, die aus der Mittelschicht kommen, die in den Vororten wohnen, im Speckgürtel, und die teilweise sehr teure Monatskarten brauchen, um in die Stadt zu pendeln. Dann zahlt man normalerweise 200 Euro im Monat für seine Monatskarte.“ Diese Menschen bekämen mit dem 49-Euro-Ticket Geld geschenkt.
Welche alternativen Ideen zum Deutschlandticket gibt es?
Verkehrsökonom Böttger schlägt vor, deutlich mehr Geld in den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur für Bus und Bahn zu stecken anstatt in das Deutschlandticket. Dazu gehöre etwa ein neues Ticketing-System, mit dem man unkompliziert „bundesweit fahren kann, ohne in jeder Stadt neu überlegen zu müssen, wo man sein Ticket kaufen kann“.
Mobilitätsforscher Knie setzt am Preis des Tickets an. Dieser sollte bei 29 Euro liegen, fordert er. So könne man jene Menschen als Bahnkunden gewinnen, die vorher keine gewesen seien.
In einigen Bundesländern und Städten ist das tatsächlich schon Realität. In Hessen etwa gibt es den Hessen-Pass-Mobil für 31 Euro für Menschen, die Sozialleistungen beziehen. Im Raum Hannover ist die Job-Ticket-Variante des Deutschland-Tickets statt für 34 Euro für rund 30 Euro zu haben.
Ebenfalls für 30 Euro gibt es das Deutschland-Ticket im Saarland als Junge-Leute-Ticket. Und Berlin bietet seit 1. Juli 2024 ein 29-Euro-Ticket, das allerdings nur für das Berliner Stadtgebiet gilt.
aha, ckr