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Dewes: Großteil der Thüringer SPD möchte diesen Wechsel

Der ehemalige thüringische Innenminister Richard Dewes (SPD) geht davon aus, dass die SPD des Landes sich für eine Koalition mit der Linkspartei und den Grünen entscheidet. Die Bundestagswahl habe gezeigt, dass sich die linken Kräfte formieren müssten.

Richard Dewes im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Heute Abend will die SPD in Thüringen entscheiden, mit wem sie Koalitionsgespräche aufnehmen will. Geht sie in Richtung einer Großen Koalition mit einer dann wahrscheinlichen CDU-Ministerpräsidentin Lieberknecht, oder versucht sie doch ein rot-rot-grünes Bündnis auf die Beine zu stellen? SPD-Spitzenkandidat Christoph Matschie hat hierzu allerdings Bedingungen aufgestellt.

    Christoph Matschie: Solange Die Linke noch zerrissen ist zwischen der Frage, sollen wir Fundamentalopposition sein, oder Regierungsverantwortung wahrnehmen, kann man ihr die Führungsverantwortung nicht zutrauen. In einer Regierung unter Führung der SPD ist das allerdings vorstellbar, eine Zusammenarbeit.

    Engels: Das heißt, die SPD will das Ministerpräsidentenamt, auch wenn sie eigentlich numerisch schwächer ist als die Linksfraktion. Gestern machte Matschie allerdings deutlich, er bestehe nicht darauf, in einem Linksbündnis selbst Ministerpräsident zu werden. Sei es wie es sei: Nicht wenige Beobachter erwarten heute eine Vorentscheidung der SPD in Richtung Große Koalition. – Am Telefon ist der frühere SPD-Innenminister und ehemalige Spitzenkandidat in Thüringen, Richard Dewes. Guten Morgen!

    Richard Dewes: Guten Morgen, Frau Engels.

    Engels: Herr Dewes, Sie gelten als Konkurrent von Christoph Matschie. Wie äußern Sie sich nun zu dieser Entscheidung von Herrn Matschie, zumindest nicht mehr das Ministerpräsidentenamt anzustreben?

    Dewes: Wer das Projekt rot-rot-grün will, der weiß seit 14 Tagen, dass es wichtig ist, dass sich beide Spitzenkandidaten, sprich Herr Ramelow von der Linkspartei, aber auch Christoph Matschie von der SPD, selber ein Stück zurücknehmen. Das wird nun geschehen und ich gehe davon aus, dass heute damit der Landesvorstand den Weg frei macht für Koalitionsgespräche mit der Linken und den Grünen.

    Engels: Christoph Matschie bleibt aber bei seiner alten Forderung, die SPD werde einen Ministerpräsidenten der Linken nicht wählen, die SPD solle den Ministerpräsidenten stellen. Ist das klug?

    Dewes: Meine Position dazu ist bekannt. Ich halte nach wie vor daran fest, dass derjenige, der stärker ist, auch zumindest das Vorschlagsrecht hat, das erste Vorschlagsrecht. Das gilt auch hier. Man muss mit der Linkspartei sprechen, man muss mit den Grünen reden und man muss sich auf das Personal – es geht ja nicht nur um den Ministerpräsidenten, es geht um das Personal einer solchen Koalition – verständigen. Man muss zunächst einmal inhaltlich darüber sich im Klaren sein, wohin die Reise geht. Wir wollen – und ich denke, das ist das Wahlergebnis in Thüringen -, die Menschen wollen einen Regierungswechsel, die CDU soll in die Opposition geschickt werden und ich glaube, umso mehr seit Sonntag ist es notwendig, dass in der Bundesrepublik sich Linke, SPD, Grüne positionieren, um ich sage den Teil der Gesellschaft oder die Hälfte der Gesellschaft in Deutschland zu schützen, die von den negativen Folgen der Koalition aus CDU und FDP betroffen sein wird.

    Engels: Das ist der inhaltliche Kurs. Jetzt geht es auch um Personalfragen. Es wurde ja der Vorschlag von Herrn Ramelow von den Linken gemacht, einen neuen Kandidaten oder eine Kandidatin zu suchen, die von allen drei Fraktionen, also auch von den Grünen mitgetragen würde. Haben Sie da einen Personalvorschlag?

    Dewes: Ich habe keinen Vorschlag und selbst wenn ich ihn hätte, würde ich ihn jetzt nicht öffentlich machen. Ich gehe davon aus, dass man vertrauensvoll miteinander über diese Frage sprechen wird, in gegenseitigem Respekt. Das kann wie gesagt nicht auf dem offenen Markt ausgetragen werden. Hier ist es notwendig, dass diejenigen, die die stärksten sind, einen Vorschlag machen und ich kann mir vorstellen, dass ein solcher Vorschlag auch die Mitgliedschaft in der SPD nicht ausschließt.

    Engels: In den letzten Tagen war immer von Gesine Schwan die Rede, die ehemalige SPD-Bundespräsidentenkandidatin. Gab es dazu schon Gespräche mit der Linken?

    Dewes: Das ist mir nicht bekannt. Ich kenne die öffentliche Diskussion. Ich gehe allerdings davon aus, dass eine Thüringer Lösung Priorität hat.

    Engels: Was passt Ihnen eigentlich nicht an einer Großen Koalition in Thüringen?

    Dewes: Eine Große Koalition bedeutet zunächst einmal für die SPD selber, dass sie sich in eine schwierige Position begibt, und im Ergebnis – wir haben dies 99 bereits erlebt nach fünf Jahren in einer Koalition mit der CDU, eine Koalition, die gut gearbeitet hat – hat dies dazu geführt, dass die CDU die absolute Mehrheit erreicht hat. Wir haben insgesamt in Deutschland, ob auf Bundes- oder Länderebene, die Erfahrung gemacht, dass der kleinere Partner immer der schwächere ist, wenn es um Wahlen geht, die dann folgen. Ich halte diesen Weg für die SPD für schlecht und vor allen Dingen vor dem Hintergrund der Bundestagswahl, des Bundestagswahlergebnisses vom Sonntag halte ich es für ganz wichtig, dass wir uns auch positionieren. Sicher ist nun mit Schleswig-Holstein eine Mehrheit im Bundesrat für Union und FDP sichergestellt, aber der Bundesrat wird sicher ein wichtiges Instrument sein, auch ich sage mal in die Bevölkerung hinein zu dokumentieren, dass Die Linke gegenüber der bürgerlichen Mehrheit im Bund sich positioniert und versucht, auch gegenzuhalten.

    Engels: Herr Dewes, Sie kennen die Thüringer SPD seit Jahren. Dort gibt es verschiedene Flügel. Wie viel Prozent wollen denn Ihrer Ansicht nach ein Linksbündnis, wie Ihnen das vorschwebt?

    Dewes: Ich gehe davon aus, dass es eine große Mehrheit in der Thüringer SPD gibt, die diesen Wechsel möchte, die will, dass ein solches Projekt durchgeführt wird, die will, dass zum Beispiel eine neue Schulpolitik in Thüringen gemacht wird, die will, dass eine neue Sozialpolitik in Thüringen gemacht wird, dass sich einfach die Politik verändert im Hinblick auf mehr soziale Gerechtigkeit.

    Engels: Auf der anderen Seite hat Christoph Matschie gegen Sie 2008 eine innerparteiliche Abstimmung gewonnen, auch mit dem Versprechen, er lehne die Führungsrolle der Linkspartei im Falle einer rot-roten Koalition ab. Das war damals deutlich: 71 Prozent der SPD-Mitglieder in Thüringen, die sich beteiligt haben. Warum lassen Sie das nicht gelten? Das klingt ja doch nicht so, als ob dafür die Mehrheit stünde.

    Dewes: Doch. Ich halte diese Entscheidung nach wie vor für politisch falsch. Nur ich bin der Meinung, dass die SPD, die mit dieser Aussage in die Wahl gezogen ist, daran gehindert ist, diese Aussage zu verlassen. Dies bedeutet, es kann kein Ministerpräsident der Linken gewählt werden. Davon gehe ich nach wie vor aus. Das heißt, es wird Gespräche geben, die zum Inhalt haben, einen Ministerpräsidenten zu wählen, der der Linkspartei nicht angehört.

    Engels: Und da haben Sie wirklich keinen Personalvorschlag?

    Dewes: Ich hätte sicher Personalvorschläge, nur es wäre töricht, die jetzt über Ihren Sender zu machen.

    Engels: Dann schauen wir noch einmal auf die Möglichkeiten, die ja bestehen. Wenn es jetzt nicht darauf hinausläuft, sondern die Mehrheit sich vielleicht doch für eine Große Koalition entscheidet, wird dann die Thüringer SPD zerrissen?

    Dewes: Ob sie zerrissen wird, das sei dahingestellt. Es ist für die Thüringer SPD sicher eine Zerreißprobe und ich gehe davon aus, dass die Mehrheit der Thüringer Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten eine solche Entscheidung auch nicht kommentarlos hinnehmen würden.

    Engels: Besteht die Gefahr eines Dammbruchs, wenn die SPD dann doch am Ende einen linken Ministerpräsidenten oder jemand, der dieser Linkspartei besonders nahe steht, wählt?

    Dewes: Ich halte es für ausgeschlossen, dass die SPD einen Ministerpräsidenten wählt, der der Linkspartei angehört. Die SPD ist insoweit in ihrer Aussage, die vor der Wahl gemacht worden ist, gefangen, wie immer man dazu steht. Ich halte es für wichtig, dass die SPD nicht wortbrüchig wird, und gehe deshalb davon aus, - das weiß Die Linke -, dass weder Bodo Ramelow, noch Christoph Matschie das Amt des Thüringer Ministerpräsidenten bekleiden werden. Man wird wie gesagt in vertrauensvollen Gesprächen miteinander, man wird respektvoll miteinander umgehen müssen und diese drei Parteien werden sich dann auf die Personalia, die man für eine Regierung benötigt, verständigen.

    Engels: Die SPD in Thüringen entscheidet heute Abend, mit wem sie Koalitionsgespräche aufnehmen will. Wir sprachen dazu mit dem früheren Innenminister des Landes, mit Richard Dewes. Ich danke für das Gespräch.

    Dewes: Gerne geschehen, Frau Engels.