Donnerstag, 28. März 2024

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DFB-Analyse
Niedrige Erwartungen noch unterboten

Schwach sei sie, die Analyse des WM-Debakels der deutschen Nationalmannschaft, finden die Nationalmannschaftsexperten Martina Knief (ARD), Peter Ahrens (Spiegel) und Michael Horeni (Frankfurter Allgemeine Zeitung) - noch schwächer allerdings die Konsequenzen daraus.

Martina Knief, Peter Ahrens und Michael Horeni im Gespräch mit Matthias Friebe | 02.09.2018
    Jonas Hector und Leon Goretzka nach dem 0:2 gegen Südkorea bei der Fußball-WM 2018 in Kasan
    Jonas Hector und Leon Goretzka nach dem 0:2 gegen Südkorea bei der Fußball-WM 2018 in Kasan (imago sportfotodienst)
    Die Form der Analyse des Vorrunden-Aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der WM in Russland sei erwartbar gewesen, findet ARD-Hörfunkreporterin Martina Knief. Dennoch habe sie sich mehr erhofft von Bundestrainer Joachim Löw und Manager Oliver Bierhoff. Michael Horeni (Frankfurter Allgemeine Zeitung) wird noch deutlicher: "Reförmchen light, viele Worte, wenig Inhalt, wenig Konsequenzen. Ich hatte wenige Erwartungen, aber die wurden noch untertroffen."
    Peter Ahrens (Der Spiegel) sieht das ähnlich. Die selbstkritische Rolle habe man Löw nicht abgenommen. "Je länger die PK dauerte, desto mehr fielen sie in ihre Selbstgefälligkeit zurück." Horeni ergänzt: "Wenn man so viele selbstkritische Punkte anmahnt, dann ist es auch nötig, die persönlichen Konsequenzen zu ziehen. Nur die waren ja schon vorher für erledigt erklärt worden. Man macht eine Analyse, bei der das Ergebnis schon vorher feststeht. (...) Bei so einem umfassenden Scheitern wäre der Rücktritt für mich die einzige logische Konsequenz gewesen."
    29.08.2018, Bayern, München: Deutsche Fußball-Nationalmannschaft, Präsentation der WM-Analyse und Kader-Bekanntgabe für die Länderspiele gegen Frankreich und Peru. Bundestrainer Joachim Löw (l) und Teammanager Oliver Bierhoff bei der Pressekonferenz. 
    Präsentation der Analyse zur Fußball-WM (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
    Knief bemängelt fehlende Veränderungen: "Was mir gefehlt hat, war der Schritt nach vorne. Die Ankündigungen waren erwartbar." Bei der Pressekonferenz von Löw und Bierhoff habe sie sich an das tränenreiche Geständnis eines Dopers wie Erik Zabel erinnert gefühlt. Der habe aber nur genau das zugegeben, was alle schon wussten.
    Ahrens thematisiert den Kader für die kommenden Spiele, in dem viele WM-Teilnehmer wieder dabei seien. Die Spieler seien zu früh gescheitert. Erst in zwei Jahren wäre der Umbruch aufgrund ihres Alters logisch gewesen. Michael Horeni benennt ein weiteres Problem: Mit einem neuen Trainer wie Klopp oder Hasenhüttl wäre eine neue Begeisterung möglich gewesen. Auch eine Phase der Rückschläge wäre dann wohl ok gewesen.
    Zu wenig Konkurrenzkampf
    Der Trainer sei für die Einstellung seiner Spieler zuständig, ergänzt Martina Knief. Löw müsse in den anstehenden Spielen gegen Frankreich und Peru beweisen, dass er dort Veränderungen bewirken könne. Horeni sagt: "Auch der Konkurrenzkampf war nicht in dem Maß vorhanden, in dem er nötig gewesen wäre, um neue Ziele zu erreichen."
    Im großen Streitthema der WM, den Fotos von Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Erdogan habe der DFB die Hoffnung gehabt, dass die Nationalmannschaft und Mesut Özil gut spielen und das Erdogan-Foto damit zum Randthema werden würde, sagt Knief.
    EM-Vergabe wohl Schicksalsentscheidung für Grindel
    Peter Ahrens meint, dass dem Verband vor allem in diesem Bereich die fehlende Nähe zu den Fans auf die Füße gefallen sei. "Es war so absehbar, dass dieses Thema unter diesen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die wir nun mal Jahr 2018 inzwischen haben – die von gewissen politischen Kräften natürlich auch massiv forciert werden, auch medial von gewissen Kräften massiv forciert werden. Dass dieses Thema ein Dauerthema und ein Überthema sein wird."
    Nun richtet sich der Blick auf die Vergabe der EM 2024. Martina Knief glaubt, wenn die EM nach Deutschland komme, dann sei beim DFB alles gut. Peter Ahrens erwidert: "Wenn nicht, dann gibt es allerdings einen Riesen-Knall. Vergleichbar mit dem WM-Aus." Die Auswirkungen würden dann aus seiner Sicht beim DFB-Präsidenten anfangen und der ersten Frage: Wer wird der Nachfolger von Reinhard Grindel?