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DGB: Ausbildungspakt ist keine Lösung

Der Deutsche Gewerkschaftsbund will sich weiter für eine Ausbildungsplatzumlage einsetzen. Die designierte stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock sagte, nach wie vor stellten nur 23 Prozent aller Betriebe Auszubildende ein. Auch sei die Zahl der Lehrstellen in allen Branchen außer der Seeschifffahrt zurückgegangen. Diese Probleme könne der Ausbildungspakt zwischen Regierung und Wirtschaft nicht lösen.

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: Guten Morgen, Frau Sehrbrock

    Ingrid Sehrbrock: Guten Morgen, Frau Durak.

    Durak: Sie haben ja ein Stück weit noch mithören können, unseren Beitrag aus Brandenburg, aus der Prignitz. Dort hieß es, es ist keine Zwangsläufigkeit von Armut auf schlechtere Bildung zu schließen und schlechtere Chancen in der Ausbildung. Ist das auch ihre Erfahrung im Gewerkschaftsbund?

    Sehrbrock: Es gibt schon einen Zusammenhang. Ich denke, dass haben wir ja durch die letzten PISA-Studien einfach erfahren können. Wir hatten zwar gedacht, dass wir schon erheblich weiter sind, aber Tatsache ist doch, dass Kinder aus den unteren sozialen Schichten erheblich schlechtere Bildungschancen haben und damit natürlich auch schlechtere Ausbildungschancen. Ich glaube, den Zusammenhang kann man schon herstellen. Da sollte man auch nicht die Augen verschließen. Wir müssen noch einmal ran an das Thema "wie steht es eigentlich mit der Chancengleichheit". Ich glaube, das haben inzwischen auch alle Parteien verstanden.

    Durak: Um die jungen Leute, die ausgebildet werden sollen, haben sich gestern, abschließend sozusagen, noch einmal die Bundesregierung und die Arbeitgeberseite gekümmert, sie haben den so genannten Ausbildungspakt verlängert. Der Pakt beinhaltet, die Wirtschaft verpflichtet sich jährlich so und so viel tausend Lehrstellen neu zu schaffen, 30.000 war die Summe bisher, und außerdem dazu Praktikumsplätze in etwa gleicher Höhe, im Gegenzug verzichtet die Regierung auf eine Umlage für nicht ausbildende Betriebe. Das ist so verkehrt, sagt der DGB, also sagt ihre Organisation, sagt auch die IG Metall. Die Ausbildungsumlage müsse her. Die 30.000 zusätzlichen Stellen sind Augenwischerei, sie ersetzen nur die wegfallenden. Weshalb denken sie so anders als die beiden großen anderen Parteien, Regierung und Arbeitgeber?

    Sehrbrock: Ja, wir haben uns noch einmal bestätigt gefühlt durch das Ergebnis, das gestern vorgestellt worden ist, das man mit einem solchen Instrument das Problem nicht lösen kann, es ging ja um zusätzliche Ausbildungsplätze. Wir schieben ja einen großen Berg von Altbewerbern vor uns her, das heißt, in jedem Jahr bewerben sich etwa 50 Prozent, oder ich sage mal 50 Prozent der Bewerber sind Altbewerber, die sich schon ein Jahr, zwei oder drei Jahre vorher beworben haben. Das zeigt, das wir einfach zu wenig betriebliche Ausbildungsplätze haben, wir haben einen sehr hohen Anteil von Jugendlichen, die direkt in einen Job gehen ohne Ausbildung, das sind doppelt so viel wie Anfang der 90er Jahre und dreimal so viel gehen in eine schulische Ausbildung statt in einen Betrieb und das zeigt einfach, wir haben das Problem nicht gelöst und mit dem Instrumentatrium Ausbildungspakt ist es offenbar auch nicht zu lösen. An dem Anteil der Betriebe, die sich an der Ausbildung beteiligen, nämlich 23 Prozent, hat sich nichts geändert. Das heißt, das Problem, das eigentlich zu lösen war, das wir mit der Umlage lösen wollten, nämlich mehr Betriebe zu motivieren Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, das ist nicht gelungen. Und das sagen ja auch die Paktpartner, nicht soweit vorne in ihrem Bericht, aber weiter hinten geben sie zu, dass trotz aller Anstrengungen in den letzten beiden Jahren die Zahl der Verträge in allen Branchen, außer in der Seeschifffahrt, zurückgegangen ist. Das ist das eigentliche Ergebnis dieses Pakts und deshalb sind wir auch als Gewerkschaft damit nicht einverstanden.

    Durak: Aber mehr können sie auch nicht tun, als nicht einverstanden sein?

    Sehrbrock: Nein, wir haben ja uns immer stark gemacht für die Ausbildungsplatzumlage, sie ist in der Tat eine Möglichkeit um Betriebe stärker zu motivieren in die Ausbildung zu investieren. Wir haben ja seit dreißig Jahren im Baubereich eine solche Regelung, die ist von den Tarifvertragsparteien geschlossen worden, sie hat dazu geführt, dass es eine einigermaßen konstante Ausbildungsquote in diesem Bereich gegeben hat, das heißt die Betriebe zahlen alle in eine Umlage, diejenigen die ausbilden, erhalten einen Teil ihrer Kosten erstattet, das ist für uns durchaus ein Modell, dass man sich auch für andere Branchen vorstellen könnte. Wir haben uns ja immer dafür stark gemacht, dass man einen gesetzlichen Rahmen bildet, dass aber die Branchen selber für sich entscheiden wie sie das regeln wollen. Wir wissen, dass das eine ganz starke Motivation ist für Betriebe ist, die schon einmal ausgebildet haben darüber nachzudenken noch auszubilden und für Branchen eigene Regelungen zu finden. Und es ist schade, dass dieser Gesetzentwurf in der Schublade verschwunden ist. Wir werden alles daran setzen, dass er da wieder raus kommt.

    Durak: Nicht gerade in der Schublade verschwunden, aber kaum etwas nachzulesen ist ja etwas anderes aus dem Ausbildungspakt und damit kommen wir direkt noch mal zu den jungen Leuten aus Brandenburg aber auch aus anderen Gebieten zurück, die eine schlechtere Bildung haben und damit wohl auch schlechtere Ausbildungschancen. Der Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife, den meine ich, der ist da irgendwie Bestandteil dieses Paktes. Können sie uns sagen, was da im Wesentlichen drin steht und was sie da für gut und richtig halten und was nicht?

    Sehrbrock: Ja, die Ausbildungsreife ist ja ein Thema, das uns auch schon seit einiger Zeit beschäftigt. Die Betriebe klagen ja, dass junge Leute heute mit immer schlechteren Qualifikationen aus den Schulen kommen. Dazu muss man natürlich sagen, dass das Potenzial das wir heute haben ein anderes ist als vor zwanzig Jahren. Heute gehen immer junge Leute auf weiterführende Schulen, machen Abitur, und diejenigen, die heute aus den Hauptschulen und den Realschulen kommen, haben eine andere Qualifikation, als diejenigen, die früher aus diesen Schulen gekommen sind. Es ist sicher richtig, man muss genau hinschauen, es ist häufig so, dass junge Leute sozusagen die Grundfertigkeiten nicht mehr so gut beherrschen wie man das eigentlich erwarten müsste. Deshalb finden wir auch, dass die Schulen da ein Stück stärker gefordert sind und wir glauben aber auch, dass die Betriebe ein Stück gefordert sind, dass sie, wie das auch früher häufig der Fall war, sich stärker auch um schwächere Jugendliche kümmern müssen. Das was jetzt vorgelegt
    worden ist von den Paktpartnern ist ein Kriterienkatalog, das heißt was man von den Schulen erwartet, da geht es um die Grundfertigkeit, es geht aber auch um so genannte Schlüsselqualifikationen. Das ist im Prinzip in Ordnung. Was wir allerdings nicht in Ordnung finden, ist dass es dann, wenn es sozusagen um Schlüsselqualifikationen, um Verhalten geht, dass man dann sich einen Fragenkatalog überlegt, um das auszuforschen aus Jugendlichen. Ich denke, das geht ein Stück zu weit.

    Durak: ...also so was wie die Kopfnoten in der Schule...

    Sehrbrock: ...in etwa. Und ich glaube, da geht man einen ganz erheblichen Schritt zu weit, das, glaube ich, sollte man sich sparen.

    Durak: Also, ein kleines Beispiel noch. Jugendliche verhalten sich in der jeweiligen Situation angemessen, höflich, respekt- und rücksichtsvoll, steht da drin?

    Sehrbrock: Das steht da drin. Das kann man sicherlich auch von Jugendlichen erwarten, aber das mit Testfragen feststellen zu wollen, inwieweit Jugendliche diese Qualifikation erfüllen, ich denke, dass geht einfach ein Stück zu weit, das geht ein Stück in die Intimsphäre, das wollen wir so auf keine Fall.

    Durak: Ist irgendjemand an diesen Katalog gebunden?

    Sehrbrock: Es ist eine Empfehlung für die Schulen. Und es hat jetzt gar keine Rolle gespielt eigentlich in dieser letzten Pressekonferenz. Ich denke, als Orientierung kann man das durchgehen lassen. Wir finden allerdings, dass es sehr viel wichtiger wäre, auch dass man die Betrieb ein Stück unterstützt, dass man ihnen auch eine Chance gibt schwächere Schüler einzustellen, indem man ausbildungsbegleitende Hilfen in das System der beruflichen Bildung integriert, dass man in den Berufsschulen feststellt was junge Leute brauchen, das kann Deutsch sein, das kann Mathe sein, das können aber auch andere fachliche Hilfen sein oder sozialpädagogische Begleitung, das macht man in der Schweiz. Ich finde das wäre ein guter Ansatz um gerade auch schwächeren Jugendlichen ein Stück über diese Hürde zu helfen eine Ausbildung auch tatsächlichgut abschließen zu können.

    Durak: Danke schön, Ingrid Sehrbrock, stellvertretende DGB-Vorsitzende, designierte, sie wird es sein.