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DGB: Lage auf Ausbildungsmarkt weiterhin sehr angespannt

Christine Heuer: Am Telefon ist jetzt Hermann Nehls, Referatsleiter Ausbildung beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Guten Tag, Herr Nehls.

Moderation: Christine Heuer |
    Hermann Nehls: Schönen guten Tag.

    Heuer: Die Wirtschaft ist überwiegend zufrieden in ihrer Zwischenbilanz zum Ausbildungspakt, sind Sie es auch?

    Nehls: Ich kann den Optimismus im Moment noch nicht teilen, weil ich gerade die jüngsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit vorliegen habe, die die Entwicklung im Juli dokumentieren und danach ist die Lage auf dem Ausbildungsstellenmarkt sehr, sehr angespannt. Wir haben also die größte Lücke zwischen Angebot und Nachfrage an Ausbildungsplätzen seit der Wiedervereinigung und das stimmt nicht optimistisch.

    Heuer: Aber immerhin wurden ja tausende neuer Lehrstellen bereits geschaffen, das müsste doch trotzdem Hoffnung machen, oder?

    Nehls: Ja, wenn Sie das genau nehmen, dann sind alle Ausbildungsverträge, die jetzt geschlossen werden, neue Ausbildungsverträge. Wir legen einfach großen Wert darauf am Ende, am Ende heißt vorläufig 30.9. und dann noch genauer auch am Ende des Jahres, auch zu sehen, ob zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen wurden. Und daran ist dann am Ende auch zu messen, ob junge Menschen auch wirklich mehr Chancen haben, einen Ausbildungsplatz zu kriegen.

    Heuer: Die Wirtschaft beruft sich darauf, dass sie große Schwierigkeiten habe wegen der schlechten Konjunktur und auch deshalb, weil es mehr Schulabgänger gibt. Haben Sie für diese Argumente Verständnis?

    Nehls: Verständnis ja, aber das kann kein Argument sein, weniger Ausbildungsplätze bereit zu stellen, in den letzten Jahren wurden über 70.000 betriebliche Ausbildungsstellen weniger zur Verfügung gestellt von den Betrieben und da gilt es doch auch zu gucken, wo die Ursachen liegen. Ich denke, dass ist nicht nur die Konjunktur, ich denke, dass ist auch eine Frage, welches Verständnis bei den Betrieben auch besteht, auch entsprechend Ausbildungsplätze bereitzustellen. Ich sehe hier vor allen Dingen auch eine Gerechtigkeitslücke, weil immer weniger Betriebe ausbilden. Von den Betrieben, die ausbilden könnten, bilden leider nur noch 23 Prozent aus und hier muss nachgebessert werden.

    Heuer: Wir sprechen jetzt die ganze Zeit über die Betriebe, Herr Nehls, wie sieht es denn bei Ihnen aus, Sie sind ja auch Arbeitgeber, beim Deutschen Gewerkschaftsbund, schaffen Sie es, den Pakt einzuhalten?

    Nehls: Ob wir neue Ausbildungsplätze auch bereitstellen? Ja, wir haben also die Zahl der Ausbildungsplätze beim DGB noch erhöht, das kann noch besser werden, das will ich also ganz offen auch sagen. Aber, wir bemühen uns da auch im Rahmen unserer Möglichkeiten noch mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, selbstverständlich.

    Heuer: Garantieren Sie, dass Sie das schaffen bis zum 30.9.?

    Nehls: Wir haben schon mehr Ausbildungsplätze bereitgestellt als in den vergangenen Jahren.

    Heuer: Wie, Herr Nehls, ist denn die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Lehrstellenmarkt zu schließen? Geht das mit den bisherigen Mitteln oder muss da doch die Ausbildungsplatzabgabe her?

    Nehls: Jetzt wollen wir erst mal abwarten, was der 30.9. denn noch am Ende zeigt, weil ich will überhaupt nicht in Abrede stellen und anerkenne das auch, dass jetzt große Bemühungen laufen, zusätzliche Ausbildungsplätze auch zu akquirieren. Aber, noch einmal, es geht am Ende auch darum, ob am 30.9. auch wirklich ein ausreichendes Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen zur Verfügung steht und dann denke ich, kann man da Klareres und Genaueres auch sagen.

    Heuer: Und wenn dieses ausreichende Angebot zum 30.9. nicht bereitsteht, pochen Sie dann darauf, dass die Ausbildungsabgabe doch kommen muss und zwar noch dieses Jahr?

    Nehls: Ich möchte es noch mal wiederholen, wir wollen uns wirklich auch die Zahlen am 30. 9. angucken, das entscheidende Kriterium für uns ist, ob zusätzliche Ausbildungsplätze, betriebliche Ausbildungsplätze am Ende auch herausgekommen sind. Denn es geht um die Zukunft auch der dualen Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland und die hängt maßgeblich auch daran, ob Betriebe ausreichend Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Wenn man die Verlautbarungen heute auch nimmt, dann ist das ja alles auf einem guten Wege, aber wir wollen wirklich auch den September abwarten, um das dann auch solider bewerten zu können.

    Heuer: Herr Nehls, das ist alles verständlich, klingt aber etwas zögerlich im Unterton. Hat sich der DGB von der Ausbildungsabgabe verabschiedet?

    Nehls: Nein, das ist ja eine Forderung seit Jahren, seit langer, langer Zeit, wir bleiben also dabei. Jetzt gibt es den Pakt, wir wollen jetzt mal abwarten, was da kommt. Die Zahlen, die heute von der BA veröffentlicht werden, stimmen wenig optimistisch, ich denke, das ist kein Anlass zum Jubel, aber lassen Sie uns doch mal gucken, was am 30.9. raus gekommen ist und dann denke ich, werden wir auch sicher noch einmal über weitere Lösungen reden müssen, worauf es ankommt, um die Zahl an betrieblichen Ausbildungsplätzen wieder zu steigern.

    Heuer: Und darüber reden Sie dann auch möglicherweise wieder mit der SPD?

    Nehls: Klar, selbstverständlich.