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Diabetes-Früherkennung bei Kindern
Suche nach den Risiko-Genen

Kein Kind soll künftig mehr an Typ-1-Diabetes sterben oder wegen dieser Immunsystem-Erkrankung in lebensbedrohlichem Zustand auf die Intensiv-Station gebracht werden müssen. Das ist das Ziel einer Diabetes-Früherkennungs-Studie, die jetzt in Dresden gestartet ist. Unklar ist auch, warum die Erkrankung in den vergangenen Jahren zugenommen hat.

Von Alexandra Gerlach | 30.08.2016
    Ein neugeborenes Baby streckt die Zunge raus.
    Auch Kinder können unter Diabetes Typ 1 leiden. Ein Test bei Neugeborenen soll der Früherkennung dienen. (imago/MiS)
    Diabetes Typ 1 ist keine seltene Krankheit. Häufig wird sie gar nicht oder zu spät festgestellt, sagt Prof. Pauline Wimberger, Leiterin der Frauenklinik an der TU Dresden: "Typischerweise stellt man es dann eben erst im Verlauf fest, wenn es eben zu einem Notfall gekommen ist und es kann schwerwiegende Folgen für die Kinder haben."
    Geschätzt tragen etwa drei Prozent aller Kinder die Risiko-Gene dieser Autoimmunkrankheit in sich. In Sachsen werden jedes Jahr rund 250 neuerkrankte Kinder registriert, bundesweit liegt die Zahl zwischen 2.000 und 3.000. Eine Erkrankung, die so schwer verlaufen kann, dass es auch in Deutschland immer noch Todesfälle gibt, warnt Prof. Reinhard Berner, Direktor der Universitäts-Kinderklinik Dresden:
    "Also der Typ 1 Diabetes, also die Zuckerkrankheit, um die es geht, ist eine Krankheit, die in den letzten Jahren zunimmt, das heißt, es werden immer mehr Kinder betroffen. Die Kinder werden auch immer jünger, das heißt, wir haben schon mit Kindern zu tun, die tatsächlich im ersten oder zweiten Lebensjahr an Diabetes erkranken, und es ist eine, bei der Manifestation dieser Krankheit durchaus eine lebensbedrohliche Situation."
    Den Kampf des Körpers gegen das eigene Immunsystem stoppen
    Die genauen Ursachen für diesen Anstieg sind noch nicht bekannt. Die Entwickler des neuen Früherkennungstests, das Helmholtz-Zentrum München und das Zentrum für Regenerative Therapien Dresden, vermuten jedoch, dass bestimmte Umweltfaktoren hier eine Rolle spielen. Die Pilot-Studie soll daher nicht nur die Ursachen für die Zunahme dieses Diabetes-Typs bei Neugeborenen und Kleinkindern klären helfen, sondern auch zu Therapien führen, die den Kampf des Körpers gegen das eigene Immunsystem stoppen könnten:
    "Man weiß heute, dass diese Kinder mit diesen Risiko-Genen ein etwas verändertes Immunsystem haben, wo sich das eigene Immunsystem gegen diese sogenannten Inselzellen des Pankreas, also der Bauchspeicheldrüse, richtet, und dann über die nächsten Jahre diese Pankreaszellen so kaputt machen wird, dass Insulin fehlt, und das ist sozusagen das Prinzip der Zuckerkrankheit bei dieser Typ 1 Diabetes, dass zu wenig Insulin oder gar kein Insulin mehr produziert wird."
    Typische Symptome dieser Erkrankung sind ein plötzlich auftretendes, großes Durstgefühl der Kinder auch in der Nacht, starker Harndrang, auffallende Gewichtsabnahme sowie ein deutlicher Leistungsabfall und Müdigkeit.
    Ziel ist ein normales Leben auch mit Diabetes
    Der neue Früherkennungstest kann im Rahmen des in Sachsen üblichen Neugeborenen-Screenings auf Feststellung von Stoffwechselkrankheiten durchgeführt werden. Sind die Eltern einverstanden, werden dem Säugling ein oder zwei Tropfen Blut aus der Ferse entnommen und ins Labor geschickt. Werden dort Risiko-Gene festgestellt, beginnt eine Beratungs- und Betreuungsphase für die Eltern, erklärt Studienleiter Prof. Dr. Ezio Bonifacio vom Dresdner Zentrum für Regenerative Therapien:
    "We aim to do 5.000 in Pilot-Study in the next 12 months. And the success of that study will be important to expand this study to other places in Germany, England and other countries, such as Sweden. So we hope, that it will be a longterm study. "
    Finanziert wird die Startphase der Studie in Dresden und Leipzig durch die US-amerikanische Helmsley-Stiftung, mit zunächst einer Million Euro. Um "Freder1k" europaweit durchzuführen, wären nach Angaben von Studienleiter Bonifacio rund 50 Millionen Euro erforderlich. Langfristig gehe es darum, Typ-1 Diabetes grundlegend vorzubeugen und frühzeitig zu therapieren, um ein normales Lebens auch mit Diabetes zu ermöglichen.