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Dialog mit Islam und Judentum

Unter dem Pontifikat von Benedikt XVI. hat sich gezeigt, wie fragil die Beziehungen der katholischen Kirche zum Islam und zum Judentum sind. Die Regensburger Rede Benedikts führte zu Unruhen in der islamischen, die Rehabilitierung des Holocaustleugners Williamson zu Protesten in der jüdischen Welt.

Von Monika Konigorski | 13.03.2013
    "Natürlich gab es da zu Papst Benedikts Zeiten etwas Irritationen, aber das hat sich doch sehr schnell wieder mehr Kontakte ergeben, ich würde da mit dem Dialogwunsch von beiden Seiten aus als sehr gut bewerten, weil es – glaube ich – allen Beteiligten klar ist, dass wir in einer globalisierten Welt aufeinander angewiesen sind. Es reicht nicht aus, nur den anderen zu tolerieren, sondern wir müssen miteinander leben."

    Naime Cakir ist Religions- und Sozialwissenschaftlerin. Die Muslimin arbeitet seit 20 Jahren im muslimisch-christlichen Dialog, unter anderem in einem so genannten abrahamischen Team. Gemeinsam mit einer Jüdin und einer Christin besucht Cakir Jugendgruppen und Schulklassen. Die drei Frauen stehen zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden der monotheistischen Weltreligionen sowie zu aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen Rede und Antwort.

    "Für mich spielt eine große Rolle im Dialog, dass man über das Sich-Kennenlernen hinaus sich für gemeinsame Werte einsetzt und die Gesellschaft gemeinschaftlich gestaltet. Nicht nur in Fragen der Religion, sondern in Fragen der Gerechtigkeit, des Friedens. Wir wollen als religiöse Menschen nicht eine besondere Position, sondern wir sind Akteure unter vielen und möchten die Gesellschaft auch mitgestalten, damit alle Menschen hier gut leben können."

    Cakirs Anliegen steht ganz in einer Linie mit der Erklärung "Nostra Aetate" des Zweiten Vatikanischen Konzils. Nostra Aetate ist das Basisdokument der katholischen Kirche für den Interreligiösen Dialog. Darin erkennt die katholische Kirche an, dass auch in den Nicht-christlichen Religionen "Elemente von Wahrheit" vorkommen. Andersgläubige werden nicht mehr aufgefordert, Christen zu werden. Vom Judentum und Islam spricht das Konzilsdokument mit besonderer Hochachtung. Joachim Valentin ist Professor für christliche Religions- und Kulturtheorie an der Universität Frankfurt am Main und zugleich Mitglied im Frankfurter Rat der Religionen. Valentin weist darauf hin, dass auf der Basis dieser Überzeugungen auch die Ziele festgelegt werden, die der Dialog mit anderen Religionen für die katholische Kirche haben kann:

    "Wenn wir von Nostra Aetate ausgehen, dann ist es die Vergewisserung der eigenen Glaubensbekenntnisse und -welten und die Kenntnis des Glaubens der anderen – in Differenz und Identität – was unterscheidet uns, was haben wir gemeinsam. Gemeinsam etwa der Gerichtsglaube, der Glaube an Engel, Glaube an Gott, die Gebetspraxis. Und Differenz, die vor allem in der Wahrnehmung der Person Jesu Christi, Wahrnehmung der Person Mohammads, und der Offenbarungstexte, die eben wechselseitig nicht im strengen Sinne anerkannt, sondern nur freundlich wahrgenommen werden."

    Es geht sicher nicht darum, die Religionen einander anzunähern, sondern im Respekt in sich weiterhin säkularisierenden Gemeinschaften als Religionsgemeinschaften zu agieren und hier in diesen Gesellschaften soziale und politische Verantwortung gemeinsam wahrzunehmen wie es schon in Nostra Aetate steht.

    Unter dem Pontifikat von Benedikt XVI. hat sich auch gezeigt, wie fragil die Beziehungen der katholischen Kirche zum Islam oder zum Judentum sind. Die Regensburger Rede des zurückgetretenen Papstes hatte in der islamischen Welt zu heftigen, teils gewaltsamen Protesten geführt. Vertreter des Islams in Deutschland wie der Theologe Mouhanad Korchide erklären allerdings heute, die Rede habe trotz anfänglicher Irritationen letztlich den christlich-muslimischen Dialog befördert. Denn sie sei Ausgangspunkt für intensive weltweite Gespräche mit muslimischen Vertretern gewesen.

    Ein Kritikpunkt von Muslimen: Der katholischen Kirche gehe es im Dialog mit dem Islam weniger um den theologischen Diskurs als um den Ruf nach Religionsfreiheit von Christen in islamischen Ländern. Diesen Vorwurf an die Adresse des emeritierten Papstes hält Joachim Valentin für überzogen:

    "Es ist tatsächlich so, dass angesichts der weltweiten Christenverfolgung Benedikt sich das zu einem zentralen Thema gemacht hat. Hier richtet er sich aber nicht an den Islam oder an Muslime, sondern an die Staatsführer, die dafür gerade zu stehen haben, dass in ihren Ländern Religionsfreiheit herrscht, was ja in Syrien und anderswo nicht gegeben ist. Die Dialoge mit muslimischen Theologen haben eindeutig theologischen Inhalt, das gilt für die weltweite Ebene, da gab's wechselweise Einladungen."

    Neben der positiven Wirkung solcher wechselseitigen Gastfreundschaft sieht Valentin auch deutliche Annäherungen zwischen Christen und Muslimen, etwa beim Thema "Soziales Engagement", das beide großen Religionen verbinde.

    Auch im Verhältnis zum Judentum hat es im Pontifikat von Benedikt XVI. Irritationen gegeben. Die Aufhebung der Exkommunikation des Holocaustleugners Richard Williamson, die Vorbereitung der Seligsprechung von Pius XII., und vor allem die Neuformulierung der Karfreitagsfürbitte.

    "Lasst uns auch beten für die Juden, auf dass Gott, unser Herr, ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus erkennen, den Retter aller Menschen.

    Allmächtiger ewiger Gott, Du willst, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Gewähre gnädig, dass beim Eintritt der Fülle aller Völker in Deine Kirche ganz Israel gerettet wird."


    Der Rektor des Abraham Geiger Kollegs an der Universität Potsdam, der Rabbiner Walter Homolka, hat erst jüngst die Hoffnung bekräftigt, der neue Papst werde, Formen des Ausdrucks im Gebet fördern, die von Juden nicht als anstößig empfunden würden. Joachim Valentin regt an, den interreligiösen Dialog über den umstrittenen liturgischen Text zu intensivieren:

    "Auf jeden Fall ist für alle monotheistischen Religionen die große Frage, was geschieht mit den Gläubigen, die nicht ihrer Religion angehören, eine hinter vorgehaltener Hand oder öffentlich stark abgemildert beantwortete. Und genau um diese Frage geht's in der Karfreitagsfürbitte , die im Grunde davon ausgeht, dass – wie es in der Johannes-Offenbarung steht, eine Bekehrung der Juden in den katastrophischen Zusammenhängen des Jüngsten Gerichts geben wird. Das kann man natürlich aus religionspolitischen Gründen abmildern oder streichen, dann müsste man die Fürbitte noch einmal umformulieren. Man könnte aber auch sagen: Das ist nun mal christlicher Glaube an dieser Stelle und davon ist nicht abzusehen."

    Die Akzeptanz der lateinischen Messe, in der die Fürbitte gebetet werde, sei andererseits so gering, dass das Problem nicht überbewertet werden dürfe. Viel wichtiger sei es, im interreligiösen Dialog auch künftig Signale zu setzen. Ein neuer Papst solle deshalb die Friedensgebete in Assisi mit Vertretern unterschiedlichster Weltreligionen fortsetzen, alleine schon wegen der ausdrucksstarken Bilder, die damit um den Globus geschickt würden. Joachim Valentin:

    "Also die Religionsvertreter in ihren traditionellen Gewändern nebeneinander zu sehen, sie beim Gebet zu sehen, das hat – glaube ich – weltweit ein sehr deutliches Signal und auch das von Johannes Paul II. intendierte Signal gesendet. Da reden wir nicht über theologische Auseinandersetzung, da reden wir nicht um allgemeine politische Lage, sondern da reden wir darüber, dass sich Menschen ganz real begegnen in einer für sie ganz zentralen religiösen Vollzugsform, nämlich dem Gebet, nicht gleichzeitig, aber nacheinander, und ich glaube dass solche Signale vielleicht in der Öffentlichkeit und als wesentliche Friedenssignale wesentlich wichtiger sind als theologische Feinheiten, um die es natürlich im interreligiösen Dialog auch gehen muss."

    Mehr Informationen auf dradio.de:

    Tag für Tag: Baustelle Kirche
    Fünfteilige Serie: Herausforderungen für einen neuen Papst

    Themenseite: Die Papst-Wahl