Freitag, 03. Mai 2024

Archiv


Dicke Luft in Hamburg

In Hamburg werden die Grenzwerte der EU für die Stickoxidbelastung in der Luft massiv überschritten. Die Stadt hatte eine Fristverlängerung für die Einhaltung der Werte beantragt, doch die EU-Kommission winkte ab. Dennoch will der Hamburger Senat seine Politik nicht ändern.

Von Axel Schröder | 01.03.2013
    Die gute Hamburger Luft, die frische Brise, die die Stadt durchweht, ist wohl eher ein ganz subjektiver Eindruck von all jenen, die gern an lange Elbspaziergänge zurückdenken, an den Sommer am Elbstrand, weit draußen vor den Toren der Stadt. Denn in der Stadt, an den Hauptverkehrsadern, am Ring 2, an Stresemann-, Kieler und Habichtstraße werden die Grenzwerte für Stickoxide massiv überschritten.

    Die früher vier, heute fünf Messstationen registrieren nicht die zulässigen 40 Mikrogramm, sondern 60, 70 oder 80 Mikrogramm Stickoxide pro Kubikmeter. Wie viele Menschen diese Luft atmen müssen, darüber streiten die Hamburger.

    Manfred Braasch, Geschäftsführer des Hamburger Bundes für Umwelt und Naturschutz, BUND:

    "220.000 Menschen leben in diesen Stadtteilen, wo die Luftschadstoffgrenze zum Teil massiv überschritten werden."

    Kerstin Graupner, Sprecherin der Umweltbehörde:

    "Also 220.000 Menschen sind es nicht! Das kann man so nicht sagen. Weil es an vier Punkten, an vier Straßen sind die Grenzwerte überschritten worden. Und dort wohnen nicht 220.000 Menschen. Da arbeitet leider der BUND auch ein bisschen mit der Angst der Menschen."

    Und überhaupt, so Kerstin Graupner, müsste die pauschale Anwendung der EU-Grenzwerte infrage gestellt werden. In Großstädten seien diese seit 2010 vorgeschriebenen Werte einfach nicht einzuhalten. Die jüngste Entscheidung der Kommission, der Hansestadt keine Fristverlängerung für die Einhaltung der Werte zu gestatten, hat die Behörde und ihre Leiterin, Umweltsenatorin Jutta Blankau nicht überrascht. Die Entscheidung war absehbar.

    57 Regionen hatten den Antrag auf eine Übergangsfrist bis 2015 gestellt, 33 Regionen bekamen eine Abfuhr aus Brüssel.

    "Es ist so, dass wirklich diese 80 Einzelmaßnahmen in der Summe es bringen. Jede einzelne Maßnahme bringt immer nur ein, zwei, drei, vier, fünf, sechs Prozent. Aber die Summe bringt es dann tatsächlich. Dazu gehört natürlich ganz klar diese Umstellung auf Elektroautos, die hier in Hamburg forciert wird. Aber auch der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, Busbeschleunigung. Car-Sharing wird supergut angenommen. Was auch supergut läuft, ist das StadtRad, das Leihsystem für Räder. Aber auch das sind Sachen, die nach und nach erst wirken."

    Dass mit diesem Maßnahmenbündel aber bis 2015 die Werte eingehalten werden sei unrealistisch, so Graupner. Schnelle Erfolge seien nur umsetzbar, wenn alle Hamburgerinnen und Hamburger ab sofort ihre Autos in den Garagen ließen. Zusätzliche Maßnahmen, wie vom BUND Hamburg gefordert, lehnt die Behörde ab:

    "Das könnte eine Kombination von Umweltzone, gerade auch für LKWs, mit einer City-Maut sein. Das ist gutachterlich belegt, dass das eine sehr wirksame Maßnahme ist. Man müsste aber auch den öffentlichen Personennahverkehr mehr ausbauen, den Fahrradverkehr fördern und auch die Parkraumbewirtschaftung noch mal ganz energisch anpassen. Das heißt: kontrollieren, ob die auch richtig parken und die Parkhäuser entsprechend teuer gestalten, damit es für die Menschen attraktiv ist, auf den öffentlichen Personennahverkehr umzusteigen."

    Andere Metropolen wie Kopenhagen und Amsterdam machten es vor, so Braasch. Dort werden Parkgebühren von bis zu fünf Euro pro Stunde verlangt.

    Obwohl die Stickoxidbelastung an den Hamburger Hauptstraßen über den seit drei Jahren geltenden Grenzwerten liegt, obwohl die Stadt keine Fristverlängerung zum Senken der Werte bekommen hat, wird der Senat seine Politik nicht ändern, so Sprecherin Kerstin Graupner. Denn ein Vertragsverletzungsverfahren durch die EU, das mit millionenschweren Strafzahlungen enden könnte, müsse erst einmal eingeleitet werden. Und das könne noch Jahre dauern. Bis dahin wartet die Behörde zusammen mit den 50.000, 100.000 oder 200.000 betroffenen Hamburgern auf die Effekte von 80 unzureichenden Maßnahmen und auf neue Innovationen in der Motorentechnik.