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Dickes Fell aus dem Labor

Technik. - Wenn es knackig-kalt ist, fühlen Eisbären sich am wohlsten. Dass die Eisbären nicht frieren, liegt an ihrem Fell. Ingenieure des Instituts für Textil- und Verfahrenstechnik im schwäbischen Denkendorf nahmen das Eisbärenfell mit all seinen High-Tech-Funktionen genau unter die Lupe und entwickelten daraus eine Textilfaser, die nicht nur Eisbären schön warm hält.

Von Peter Welchering | 18.01.2005
    Es begann mit einem Zoobesuch. In der Stuttgarter Wilhelma war Professor Heinrich Planck vollkommen fasziniert von den Eisbären, die da faul auf ihrer Eisscholle herumlungerten und denen dabei offensichtlich ganz warm ums Herz war. Das professionelle Interesse des Direktors vom Institut für Textil- und Verfahrenstechnik in Denkendorf war geweckt. Er wollte wissen: Wieso wärmen Eisbärenfelle so unglaublich gut. Und das hatte Konsequenzen.

    Wir haben also Eisbärfelle oder Haare von dem Eisbär aus dem Zoo bekommen und konnten da studieren, wie der Aufbau dieser Haare ist. Wir haben da entsprechende Untersuchungen gemacht und versuchen, das zu imitieren durch entsprechende Spinntechnologien.

    Und herausgekommen ist dabei ein Eisbärentextil, das Skifahrer genauso begeistert wie Polarforscher. Doch zunächst muss untersucht werden, wie sich Eisbären auch bei zweistelligen Minusgraden vor dem Frieren schützen.

    Das ist ähnlich wie beim Vogel. Wenn es kalt ist, pustet sich ein Vogel auf, der Eisbär hat sein Fell. Er kann die Haare sträuben. Dadurch baut er letzten Endes ein Kissen auf um sich herum, eine Isolation. Und außerdem, und das ist das Tolle, er hat in den Haaren kleine Luftkammern, die isoliert sind und die Isolation herstellen.

    Luft ist eben ein sehr schlechter Wärmeleiter und isoliert deshalb besonders gut. Eisbären nutzen da denselben Effekt wie Thermoskannen, die in der Außenwand eine Luftkammer haben. Aber beim Eisbärenfell hat die Natur, so Heinrich Planck, noch einen besonderen Trick eingebaut.

    Er hat drunter, unter dem weißen Fell eine schwarze Haut. Wenn die Sonne strahlt, wärmt sich diese Haut auf, und dadurch ist ihm immer warm.

    Schwarze Flächen heizen sich besonders gut auf und geben über eine lange Zeit die eingefangene Wärme an ihre Umgebung ab. Der schwarze Wärmespeicher war für die Textilingenieure aus Denkendorf dann auch kein Problem bei der Konstruktion der künstlichen Eisbärenfelle. Für die Imitation der Eisbärenhaare mussten sie sich aber ein ganz besonderes Verfahren einfallen lassen.

    Indem wir Chemiefasern ausspinnen, die in der Mitte eine oder mehrere Kammern haben, also Kapillaren. Das sind ganz feine Fasern, die kleine Kapillare haben, die mit Luft gefüllt sind. Wenn man die oben und unten abschließt, so dass kein Luftaustausch stattfindet, ist die Luft darin gefangen, und dann haben wir die Isolationswirkung.

    Wintersportler fühlen sich darin mollig warm. Aber auch für die bessere Isolierung von Gebäuden lassen sich die künstlichen Eisbärenfelle gut einsetzen. Und zwar so:

    ...dass man also textile Membranen herstellt. Das sind Dächer, das sind Fassaden aus Textilien, die entsprechend isoliert sind, sonst würde die Wärme, wenn wir heizen, gleich nach außen gehen. Wenn wir so eine Eisbärkonstruktion dort einsetzen, könnten wir eine Isolation haben und könnten die Sonnenenergie umwandeln in Wärme und könnten gerade bei den Temperaturen, die im Augenblick sind, interessante Einsparungen von Heizmedien bewirken.

    Energie kann mit den Eisbärenimitaten nicht nur eingespart werden, sie kann auch gewonnen werden. Isoliert man nämlich Sonnenkollektoren mit den künstlichen Eisbärenfellen, liefern die auch noch Wärme und Strom, wenn die Sonne gar nicht mehr scheint. Sie speichern die Wärme einfach länger und geben sie langsamer an die Energieerzeugungssysteme ab. Im Labormaßstab funktioniert das schon hervorragend. Die Markteinführung ist Professor Planck zufolge nur noch eine Frage von wenigen Monaten.