Archiv


"Die Absenkung der Sozialabgaben ist immer sinnvoll"

Informationen am Mittag vom 11.07.2005 14:32

Moderation: Burkhard Birke |
    Moderator: Burkhard Birke
    Interviewpartner, Funktion: Jürgen Kromphardt, Wirtschaftswissenschaftler

    Burkhard Birke: In der Hauptstadt begrüße ich jetzt recht herzlich Professor Jürgen Kromphardt von der Technischen Universität. Einen schönen, guten Tag.

    Jürgen Kromphardt: Schönen, guten Tag, Herr Birke.

    Birke: Herr Professor Kromphardt, allenthalben wird ja über die Konsumflaute in Deutschland geklagt. Kurbelt man über die Anhebung der Mehrwertsteuer die Konjunktur an?

    Kromphardt: Nein, aber hier wird ja vorgesehen, dass gleichzeitig die Sozialabgaben gesenkt werden sollen. In diesem Falle die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Das heißt, man nimmt eine Umschichtung vor, einige Leute werden mehr belastet, andere werden weniger belastet. Insofern ist das für die Konjunktur neutral, wenn tatsächlich die Mehrwertsteuererhöhung dafür benutzt wird, die Sozialabgaben zu senken.

    Birke: Halten Sie diese Umschichtung für sozial ausgewogen? Die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel und andere Grundbedarfsgegenstände soll ja nach unseren Informationen zunächst auf sieben Prozent bleiben, im Gegensatz zu der allgemeinen, die auf 18 angehoben werden soll.

    Kromphardt: Ja, wenn der ermäßigte Satz unten bleibt bei sieben Prozent, dann ist das also verteilungspolitisch vertretbar, dass man die Mehrwertssteuer erhöht. Die Absenkung der Sozialabgaben ist immer sinnvoll, wenn man dadurch eben die Belastung der Arbeitskosten reduziert.

    Birke: Halten Sie denn das Paket insgesamt für ausgewogen? Das heißt, hält sich hier Geben und Nehmen die Waage?

    Kromphardt: Wenn man das ganze Paket betrachtet, das besteht ja aus so vielen Einzelteilen, dass man da eigentlich so einfach nicht Ja oder Nein sagen kann bezüglich Ausgewogenheit. Speziell ausgewogen ist eben dieser Punkt, Erhöhung der Mehrwertsteuer - Senkung der Lohnnebenkosten, also der Sozialabgaben. In den anderen Fällen würde ich auch immer dafür plädieren, zum Beispiel bei Steuersatzsenkungen dafür zu sorgen, dass durch Verbreiterung der Bemessungsgrundlage das Steueraufkommen nicht reduziert wird. Das scheint ja auch die Intention zu sein. Es wird ja jetzt endlich akzeptiert, dass die Eigenheimzulage wegfällt, es werden andere Vergünstigungen gekürzt. Man sollte natürlich auch stärker bei den Unternehmen gucken. Auch da ist es ja so, dass in Deutschland die Gewinnermittlungsvorschriften so günstig sind für die Unternehmen wie fast nirgends anderswo. Insofern sollte man wirklich die Bemessungsgrundlage verbreitern, dann kann man auch die Sätze senken, ohne dass wir auf Steuereinnahmen verzichten müssen.

    Birke: Ist hier nicht die zeitverzögerte Wirkung ein Hemmschuh? Denn die Senkung der Einkommensteuersätze ist ja erst für 2007 vorgesehen.

    Kromphardt: Ja, aber bis dahin könnte man sich ja auch in Ruhe überlegen, in welcher Weise man die Bemessungsgrundlage verbreitert. Man hat dadurch ja Zeit, denn das Steuerrecht ist nun mal kompliziert. Gerade wenn man an der Unternehmensbesteuerung etwas ändern will, dann muss man schon sehr genau hingucken und braucht ein bisschen Zeit dafür.

    Birke: Sie sind also der Meinung, dass die Unternehmen generell zu wenig Steuern zahlen im Moment?

    Kromphardt: Sie zahlen im europäischen Vergleich relativ wenig. Die Steuerbelastung in Deutschland ist relativ niedrig. Hoch ist bei uns die Belastung mit Sozialabgaben. Insofern sehe ich keinen Bedarf, die Steuerbelastung insgesamt zu senken. Was aber sinnvoll ist, ist die Sätze zu reduzieren, wenn man vorher die Bemessungsgrundlage verbreitert hat. Also, übermäßig günstige Gewinnermittlungsvorschriften gestrichen hat oder eben bestimmte Vergünstigungen wie die Eigenheimzulage gestrichen hat, dann kann man die Sätze senken, Hand in Hand muss das gehen.

    Birke: Herr Professor Kromphardt, noch einmal zurück zur Mehrwertsteuer. Da soll ja dann im Gegenzug der Arbeitslosenversicherungsbeitrag um zwei Prozent gesenkt werden. Inwieweit ist das sozial, wenn da ja zur Hälfte die Arbeitgeber profitieren?

    Kromphardt: Da haben sie Recht, die Arbeitgeber zahlen natürlich auch Mehrwertsteuer für die Produkte, die sie einkaufen. Also insofern kommen die nicht ganz ungeschoren davon, importierte Vorprodukte werden ja zum Beispiel mit der Einfuhrumsatzsteuer belastet. Ganz ungeschoren kommen die Unternehmer auch nicht davon. Aber, Sie haben Recht, es könnte sein, dass das eine kleine verteilungspolitische Variation bedeutet. Aber insgesamt würde ich trotzdem sagen, die Senkung der Sozialabgaben, die im europäischen Vergleich bei uns eben extrem hoch sind, ist so etwas wichtiges, dass man das dann vielleicht in Kauf nehmen muss, dass das verteilungspolitisch an der einen oder anderen Ecke ein bisschen störend ist.

    Birke: Ist denn da das Projekt der Union nicht noch zu klein bemessen? Sollte man nicht gleich auf 20 Prozent Mehrwertsteuer gehen, wie es unter anderem Postchef Zumwinkel fordert, und dann noch mehr die Lohnnebenkosten herunterfahren?

    Kromphardt: Als mittelfristiges Ziel würde ich das auch für sinnvoll halten. Man hat nur keine Erfahrung mit so starken Steigerungen der Mehrwertsteuer. Die ist bisher immer nur in geringen Schritten erhöht worden. Man möchte ja eigentlich verhindern, dass dadurch die Inflationsrate zu sehr nach oben getrieben wird. Dann laufen wir wieder Gefahr, dass die Europäische Zentralbank damit nicht zufrieden ist und Gegenmaßnahmen einleitet. Je höher die Mehrwertsatzsteuererhöhung ist, desto größer ist die Wahrscheinlich das es sich in den Preisen auswirkt. Insofern würde ich da also vorsichtig sein und sagen, wenn man erstmal um zwei Prozent erhöht und einen weiteren Schritt dann lieber später macht, wenn man sieht, dass die Mehrwertsteuer eben doch nicht voll überwälzt werden kann.

    Birke: Sie als Ökonom würden aber so einen Schritt, eine weitere Mehrwertsteuererhöhung, durchaus empfehlen.

    Kromphardt: Immer wenn es dazu dient, die Sozialabgaben zu senken, ja, dann würde ich sagen, das ist sinnvoll.

    Birke: Sozialabgaben senken ist ja auch das Ziel der Gesundheitsprämie. Sind sie enttäuscht, dass den Informationen nach, die bis jetzt bekannt sind, die Union kein konkretes Datum für die Einführung der Gesundheitsprämie vorgesehen hat?

    Kromphardt: Da bin ich insofern nicht enttäuscht, als ich es für fraglich halte, ob das der richtige Weg ist, die Gesundheitsprämie. Es gibt ja alternative Modelle, das ist alles furchtbar kompliziert. Insofern finde ich es da gut, wenn man sich nicht festlegt auf eine Lösung, von der man ja auch noch nicht weiß, wie man das finanzieren will. Diese Gesundheitsprämie führt ja dazu, dass die Steuerfinanzierung sehr stark erhöht werden muss, man spricht da von 20, 22 Milliarden Euro, die dann aus dem Steuersäckel kommen müssen. Da muss man sich erstmal überlegen, wo man die herbekommen will und das scheut natürlich jede Partei, auch die CDU, das zu sagen. Das ist auch schwierig. Insofern finde ich das gut, dass sie sich da nicht selber ein Datum setzen und damit in einen Zugzwang bringen.