Engels: Welches Zwischenzeugnis stellen Sie denn Ihrer grünen Nachfolgerin aus?
Funke: Ich bewerte überhaupt nicht Politikerinnen und Politiker. Warum sollte ich das tun. Ich bin weder Schulmeister noch Klassenlehrer. Ich bewerte Politik und ökonomische und ökologische Zusammenhänge und das will ich sehr gerne tun. Es ist so - und das wird niemand bestreiten wollen; das sagt ja auch unisono die ökonomische Wissenschaft -, die Agrarwende ist darauf hinausgelaufen, dass man jenseits dessen, was sich in Europa und weltweit wirtschaftlich, agrarökonomisch entwickelt, deutsche Alleingänge veranstaltet, ob Legehennenverordnung, ob Emissionsschutzrecht, Umweltrecht, Naturschutzrecht, die zu höheren Kosten in der deutschen landwirtschaftlichen Produktion, zu höheren Kosten für die deutsche Ernährungswirtschaft führt, somit zu Investitionsenthaltung auch der landwirtschaftlichen Betriebe. Betroffen sind also auch die vor- und nachgelagerten Bereiche der Landwirtschaft. Mit anderen Worten eine ganze Branche wird im Wettbewerb, im internationalen Wettbewerb geschwächt, Verlust von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung auf dem Lande. Das ist das Resultat. Daran gibt es nichts zu deuteln.
Engels: Das heißt es ist eine vernichtende Zwischenbilanz, die Sie ziehen? Sie wollen die ganze so genannte Agrarwende, das heißt die stärkere gezielte Förderung von ökologisch erzeugten Gütern, wieder zurückdrehen?
Funke: Es ist so, dass bei uns ja entsprechende ökologische Landwirtschaft längst betrieben wird. Es ist doch nicht so, dass die Bauern nicht auf das reagieren, was sich am Markt abspielt. Wir haben zu meiner Zeit Zuwachsraten im ökologischen Landbau von 20 Prozent gehabt, aber so, dass das Angebot aufgrund von Nachfrage im Markt zu Stande kam. Wir liegen mit 2,7, 2,8 Prozent Anteil ökologischen Landbaus, den wir in Deutschland haben, in Europa im oberen Drittel. Das wird immer wieder vergessen. Es wird so getan, als sei da bei uns nichts passiert, als hätte die Landwirtschaft nicht reagiert, die Politik nicht reagiert. Das man das annimmt beruht einfach darauf, dass man schlichtweg von ökonomischen Zusammenhängen und Grunddaten offensichtlich keine Ahnung mehr hat. Man muss mal gucken: wie viel hat denn Holland, wie viel hat Frankreich. Österreich mit einer ganz anderen Landwirtschaft hat höheren Anteil am ökologischen Landbau, traditionell und geschichtlich anders gewachsen die dortige Landwirtschaft von acht Prozent, im übrigen mit abnehmender Tendenz. Das sind die realen Daten, nichts anderes!
Engels: An welchen Maßnahmen, die Frau Künast getroffen hat, machen Sie denn Ihre Kritik fest?
Funke: Wir setzen in allen anderen Bereichen der Wirtschaft das, was von europäischer Ebene kommt, ob Auto oder was auch immer, eins zu eins um, alle möglichen Richtlinien, zurecht, um nicht deutsche Wirtschaft im Wettbewerb zu schwächen.
Engels: Nun gilt die europäische Agrarpolitik ja nicht unbedingt im Zuge dieser großen Subventionstöpfe, die es dort noch gibt, als sonderlich wettbewerbsfähig im internationalen Vergleich?
Funke: Mit Verlaub eine Aussage, die völlig falsch ist. Die deutsche Landwirtschaft, die europäische Landwirtschaft ist enorm wettbewerbsfähig. Und jetzt will ich Ihnen mal sagen: dann muss man darauf hinweisen, dass in Neuseeland/Australien auf Betriebsstoffen überhaupt keine Steuer liegt, dass in Amerika selbstverständlich genauso Exporterstattung für zu exportierende Agrargüter gezahlt werden wie bei uns auch. Da muss man genau hingucken.
Engels: Grundsätzlich ist aber die Frage der Öffnung der Landwirtschaft auch fürs Ausland?
Funke: Nein, wir müssen uns über Fakten unterhalten, oder wir betreiben Theologie. Mache ich sehr gerne, mein großes Hobby. Bloß dabei sind wir gegenwärtig nicht.
Engels: Gut. Wir waren ja eigentlich auch beim Thema von Frau Künast?
Funke: Nein, so kann man kein Interview machen mit Verlaub. Sie haben angesprochen, die europäische Landwirtschaft sei nicht wettbewerbsfähig. Stimmt überhaupt nicht! Man muss sehen, dass die Amerikaner und die Dänen gegenwärtig, vor allem die Amerikaner, 12 Milliarden Euro pro Jahr aufwenden, um die amerikanische Landwirtschaft wettbewerbsfähig zu machen.
Engels: Gut, dann lassen wir es an diesem Punkt so stehen.
Funke: Das sind alles Grunddaten und da kann ich nicht die deutsche Landwirtschaft, um zur Eingangsfrage zurückzukommen, im Wettbewerb schwächen, wenn alle andere etwas anderes tun. Das geht nur im europäischen Verbund.
Engels: Gut, dann lassen wir es an diesem Punkt so stehen und kommen wieder auf Frau Künast zurück, die Ihrer Meinung nach dann kein glückliches Händchen innerhalb der europäischen Einpassung hatte?
Funke: Nein. Sie orientiert sich nicht an ökonomischen Entwicklungen, die wir haben, sowohl in Europa als auch weltweit. Daran muss ich mich orientieren. Wir haben einen Binnenmarkt seit 1993. Wir haben eine gemeinsame Agrarpolitik und da muss ich immer gucken, was machen andere. Machen sie das, was ich auch mache? Machen sie ihre Landwirtschaft sozusagen flott, geschmeidig für den Wettbewerb, den wir schon haben und der noch verschärft angesichts von WTO II und Liberalisierung auf uns zukommt? Machen sie da die Landwirtschaft flott oder wird mit verschärften Auflagen unsere Landwirtschaft in der Entwicklung und in der Konkurrenzfähigkeit behindert? Das ist der Punkt!
Engels: Gibt es denn etwas, was Sie positiv an der Politik von Frau Künast sehen?
Funke: Natürlich gibt es immer positive Dinge. Sie hat ja ein ganzes Teil dessen auch - ist ja in der offiziellen Agrarpolitik des Bundes -, was wir begonnen haben, was wir angefangen sind, weitergeführt. Selbstverständlich ist das auch positiv zu bewerten. Da gibt es doch gar keine Frage. Ich habe jetzt eine ökonomische Bewertung dessen, was innerhalb der Agrarwende ist, vorgenommen. Nicht zuletzt ist ja auch der wissenschaftliche Beirat beim Ernährungsministerium zurückgetreten, weil er in seiner Bewertung sich nur in Nuancen von dem entscheidet, was ich vornehme.
Engels: Was empfehlen Sie denn Frau Künast für einen künftigen Kurs? Die Rücknahme der Agrarwende, ansonsten aber die weiteren Kursverfolgungen, die sie eingeschlagen, beispielsweise den stärkeren Schutz des Verbrauchers?
Funke: Darüber brauchen wir ja gar nicht zu streiten. Wir haben in Deutschland einen hohen Stellenwert des Verbraucherschutzes, in Europa zunehmend. Wir haben eine hervorragende Lebensmittelkontrolle und Überwachung. Das ist richtig und vernünftig, das auch ständig anzupassen und fortzuentwickeln. Da kann es gar keinen Streit geben. Andererseits muss man, was die Agrarökonomie anbelangt, die Agrarpolitik im engeren und eigentlichen Sinne anbelangt, schlichtweg weg von den Illusionen und sich der Realität zuwenden, weg von Ideologie, hin zum Pragmatismus, erkennen welche Chancen vorhanden sind, um zum Beispiel mehr ökologische Produkte abzusetzen, und nicht einfach in die Förderung gehen. Das ist zu einfach, denn die Nachfrage muss auch da sein.
Engels: Heißt die Förderung, heißt die Punkte kritisieren Sie, dass jetzt gerade die ökologisch betriebenen Höfe stärker gefördert werden oder auch die Verordnungen jetzt zugenommen haben?
Funke: Ja. Man kann sogar meinetwegen die stärker fördern, soweit Nachfrage nach deren Produkten vorhanden ist. Sonst tue ich denen keinen Gefallen und auch denen keinen Gefallen, die schon im ökologischen Landbau drin sind. Es ist ganz entscheidend, dass Angebot und Nachfrage im Einklang sind. Und vor allen Dingen, dass wir die ökologisch-wirtschaftlichen Betriebe nicht in dem Sinne stärker fördern, dass ich den anderen Betrieben Förderung wegnehme. Das ist in meinen Augen unzuträglich.
Engels: Vielen Dank! - Das war Karl-Heinz Funke, früher Landwirtschaftsminister im Kabinett von Bundeskanzler Schröder.
Link: Interview als RealAudio