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Die Akademie und die Stasi

Als Nachfolgerin der preußischen Akademie gründete die DDR-Regierung 1950 in Ost-Berlin die Deutsche Akademie der Künste. Der Staat hegte aber die kommenden 40 Jahre ein grundsätzliches und wohl auch gut begründetes Misstrauen gegen die Künstlersozietät. Welchen Einfluss aber nahmen SED und Stasi auf die Akademie genau? Welche Mitspracherechte hatten die Künstler? Und welche Chancen eröffnet die Aufarbeitung dieser Geschichte? All das sollte in der Berliner Akademie der Künste am Pariser Platz in einer Podiumsdiskussion geklärt werden, deren Anlass eine umfangreiche Studie zur Ost-Berliner Akademie der Künste war. "Kulturinsel und Machtinstrument" heißt das Werk von Matthias Braun.

Von Otto Langels | 31.10.2007
    Als Manfred Wekwerth 1990 das Amt des Präsidenten der Ost-Berliner Akademie der Künste an Heiner Müller übergab, sprach er von den "Verstrickungen in schwierigen Jahren" und einer "Gratwanderung zwischen Anpassen und Anderssein" zu DDR-Zeiten.

    Der Literaturhistoriker Matthias Braun, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Birthler-Behörde, hat jetzt eine umfassende Untersuchung über das Verhältnis von Akademie, SED und Stasi vorgelegt.

    " Mitte der 1970er Jahre richtete der Akademie-Präsident Konrad Wolf einen Appell an die Stasi. Wolf sagte, die Mitglieder seien "heilige Kühe, die vom MfS weder gemolken noch geschlachtet werden dürften." "

    Doch das kümmerte die Stasi wenig, wie die Akten zeigen. Das Ministerium für Staatssicherheit war bemüht, kritische Geister bei der SED zu denunzieren.

    " Dem MfS gelang es, in die Akademie einzudringen und inoffizielle Mitarbeiter anzuwerben. Dies geschah sowohl unter den Mitgliedern wie unter den Mitarbeitern. "

    Der Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase, einstiges Mitglied der Ost-Berliner Akademie der Künste, warnt jedoch davor, den Stasiakten zu viel Bedeutung zuzumessen. Sehr viel Papier sei damals beschrieben und wenig Erhellendes festgehalten worden. Kritische Bemerkungen von Künstlern hätten sich in der eindimensionalen Perspektive der Stasi-Offiziere in staatsfeindliche Äußerungen verwandelt.

    " Wenn die wirklichen Vorgänge, auch die Vorgänge, über die berichtet wird in der Akademie, in die Sprache der Protokolle fließen und darunter noch mal in die Sprache der Sicherheitsprotokolle, findet ein permanenter und bedeutender Sinnverlust statt. Die Dinge werden übersetzt in ein Vokabular, in dem sie nie gesagt worden sind. "

    Allerdings waren den Eingriffen des MfS Grenzen gesetzt, betrachtete die SED doch die Akademie der Künste als ihren verlängerten Arm auf dem Gebiet der Kulturpolitik. Die wichtigen Entscheidungen über Statuten, Programme und Strukturen bis hin zur Besetzung des Präsidentenamtes fielen in der Kulturabteilung und dem Politbüro des SED-Zentralkomitees. Braun:

    " Die SED betrachtete die Akademie von Beginn an als ein Regulierungsorgan, das geht aus den Quellen eindeutig hervor. Sie sollte die Forderungen der führenden Partei umsetzen, nicht selbst kulturpolitische Initiativen ergreifen. Diesen grundsätzlichen Forderungen hat sich die Akademie nur in Ausnahmefällen widersetzt. Und wenn man diese Begegnung zwischen Akademie-Führung und dem Parteiapparat sieht, dann sieht man, dass diese Forderungen, die die SED stellt, auch durchgesetzt werden. "

    Die Ost-Berliner Akademie der Künste war nie eine Kulturinsel in der DDR und schon gar keine subversive Institution, wie manche ihrer früheren Mitglieder sie heute gerne noch dargestellt sehen möchten. Zwar genoss sie nicht zuletzt aufgrund des hohen Ansehens prominenter Mitglieder im Ausland einen Sonderstatus, das bewahrte sie aber nicht vor Ergebenheitsritualen und Gängelungspraktiken. Die Akademie trat in ihrer 40jährigen Geschichte nicht dezidiert für die Autonomie der Kunst und die Verteidigung von Menschen- und Bürgerrechten ein, weder im Juni 1953 oder im Prager Frühling noch nach der Biermann-Ausweisung.

    Der SPD-Politiker und Ost-Experte Egon Bahr:

    " Zunächst mal wollen wir uns doch darüber im Klaren sein, dass es in der DDR keine Organisation gegeben hat, die außerhalb des Systems der politischen Kontrolle existieren konnte. Das galt für die Parteien, die Gewerkschaften, keine Kirche konnte das, keine Universität, natürlich auch keine Akademie. Das ist eine Insel mit Freiräumen auf hohem Niveau, wobei ich finde, dass die Mitglieder einschließlich der Präsidenten einen gewissen Durchschnitt der DDR-Bevölkerung darstellen in ihrer Reaktion und in ihrer Existenz. "