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Die alles beherrschende Krake Internet

Beim 25. Medienforum NRW stand im Mittelpunkt der Podien immer wieder die Frage: Ist das Internet nun Fluch oder Segen? Denn mittlerweile haben sich auch die Schattenseiten des Mediums gezeigt. Kritische Stimmen gab es auch zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Von Josef Schnelle | 08.06.2013
    "Meine Damen und Herren. Wir müssen erkennen, dass die Informationstechnologien unsere Welt von A - Z verändern."

    Ministerpräsidentin Hannelore Kraft begrüßt zum 25. Medienforum NRW, diesmal reichlich abgespeckt und konzentriert auf drei Tage. Vor 25 Jahren mussten noch Telefonhörer in Modems gewuchtet werden, um Verbindung mit dem Internet aufzunehmen. Im Pressezentrum standen noch Schreibmaschinen und die Handys waren so groß wie Zigarrenschachteln. Die Ministerpräsidentenreden zur Eröffnung von Wolfgang Clement, Peer Steinbrück und Jürgen Rüttgers waren stets pralle Heraufbeschwörungen einer immer schöneren neuen Medienwelt mit Breitbandkabel, High-Definition-Fernsehen und digitaler Kompetenzzentren.

    Der Kongress ist nicht nur zeitlich geschrumpft. Die einst bombastische Inszenierung muskulöser neuer Medienpolitik ist einer nüchternen, fast akademischen Veranstaltung mit kaum mehr als einem Dutzend Podien geschrumpft. Inzwischen zeigt das Internet nämlich auch deutlich seine Schattenseiten. Und trotzdem ist es die alles beherrschende Krake, die sämtliche Lebensbereiche umfasst. Was wird aus dem professionellen Journalismus? Neue Formen oder Schluss mit lustig. In Amerika gibt es die Website "Newspaper Deathwatch", auf der man das Sterben von Tageszeitungen verfolgen kann. Und was jetzt. Ratlosigkeit darf als generelles Gefühl konstatiert werden. Niemals war häufiger die Formulierung "Ich weiß es auch nicht" zu vernehmen. Werden demokratische Gesellschaften autokratisch? Hat die Politik überhaupt noch Einfluss auf die Medienentwicklung? Im kleinen Gärtchen der deutschen Medienpolitik zog Hannelore Kraft schon einmal deutliche Grenzen.

    "Und deshalb müssen die Telekommunikationsunternehmen auch eine faire Chance erhalten, ihre Investitionen zu refinanzieren. Auf der anderen Seite darf der Ausbau nicht auf Kosten des Prinzips gehen, mit dem das Netz zu dem wurde, was es heute ist. Deshalb werden wir uns mit einer Bundesratsinitiative dafür einsetzen, dass das Prinzip der Netzneutralität gesetzlich verankert wird."

    Dass die mächtige Fernsehindustrie im Schlepptau der Entwicklungen sich noch immer nicht neu erfunden hat, durfte auf einigen der Podien verwundern, trotzdem waren die Fragen im Zusammenhang damit gelegentlich die wichtigsten. Was wird zum Beispiel aus dem öffentlich-rechtlichen System? Alle reden vom Kulturauftrag. Aber wo wird er wirklich eingelöst? Zumal es eine neue Fernsehgebühr zu rechtfertigen gilt, die nicht einmal zur Voraussetzung hat, dass überhaupt Fernsehen gesehen wird. Deutliche Worte von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.

    "Jetzt sind die öffentlich-rechtlichen Sender gefragt, für dauerhafte Akzeptanz zu sorgen. Ich bin davon überzeugt, dass dabei nicht die Quote, sondern die Qualität ihres Angebots entscheidend ist. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss sich wieder stärker auf seinen Kernauftrag und sein Kernprogramm konzentrieren. Im eigenen Interesse. Denn nur so kann die Akzeptanz des Rundfunkbeitrags gesichert werden. Wer auf Qualität setzt. Wer Qualität produziert. Der darf sie nicht verstecken. Wir haben aber in den letzten Jahren beobachten können, dass ARD und ZDF immer mehr Kultur und Nachrichtenangebote in die Spartenkanäle auslagern. Diese Entwicklung halte ich für falsch."

    Der Star des diesjährigen Medienforums war eindeutig das Internet und seine Konsequenzen für die Kommunikation der Zukunft. Das Grundrauschen des Netzes begleitet selbst spezielle Veranstaltungen wie diejenige darüber, ob die Förderung von Kinofilmen zur öffentlich-rechtlichen Grundversorgung gehört oder nicht. Auch für kritische Stimmen gab es Raum. Etwa für den beeindruckenden Vortrag der Netzaktivistin Rebecca MacKinnon, die auch zum Internet die gute alte Abiturklausurfrage "Fluch oder Segen" stellen durfte. Manchen Fluch kann man eben durchaus nicht abschütteln, wie den des Autos, der Atombombe und des Internets. Und immerzu rauscht das Internet durch unsere Hirne und Arbeitsgeräte. Wohin das noch führen soll. Dazu ist eine Tagung zu wenig. In Zukunft wird es jedenfalls heißen; folgen, vernetzen oder teilen - offen, frei oder doch wenigstens neutral. Sie können jetzt ihr Smartphone wieder einschalten.