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"Die Angst geht immer mit"

Es ist kein Geheimnis, dass angehende Lehrer das Referendariat nicht als besonders angenehmen Abschnitt ihrer Ausbildung empfinden. In letzter Zeit scheint sich die Situation zuzuspitzen. Vor dem Hintergrund fehlender Lehrkräfte fällt ein ganz neues Licht auf gewisse Schwierigkeiten.

Von Mario Neumann |
    Ob Verden, Oldenburg, Hannover oder Celle – die Probleme sind überall ähnlich: Angehende Lehrerinnen und Lehrer vermissen Förderung und Unterstützung während ihrer praktischen Ausbildung. Stattdessen rasseln etliche durch die Abschlussprüfungen. In Verden beispielsweise waren es nach Angaben von Referendaren jüngst bis zu zwei Drittel.

    Für eine ehemalige Referendarin ist es unfassbar:

    "dass Diplombiologen den Chemieunterricht an öffentlichen Schulen durchführen und diejenigen, die dafür ausgebildet sind, denen wird im Referendariat so die Hölle heiß gemacht, sie werden so unter Druck gesetzt, dass sie dann auf einmal nicht mehr für die öffentliche Schule geeignet sind. Und wie kann das sein?"

    Wenn Lehramtsstudenten nach ihrem Uniabschluss dann im Referendariat scheitern, mutet das in Zeiten knappen Lehrernachwuchses an wie leichtfertige Ressourcen-Verschwendung. Oder ist es nur die logische Konsequenz einer fachlichen Ausbildung mit fairer Beurteilung? Offensichtlich gibt es beim Bewertungsprozess Unklarheiten:

    "Von meinem Fachleiter in Chemie wurde ich in den zwei Jahren 27 oder 28 Mal besucht. Und meine Fachleiterin in Spanisch hat mich wenn es hoch kommt drei mal besucht. Und da frage ich mich, wo sind da die gemeinsamen Kriterien, um einen Unterricht zu bewerten?"

    Nicht nur unterschiedliche Bewertungsgrundlagen, sondern auch unterschiedliche Ergebnisse führen zu Entsetzen über die Lehrerausbildung an niedersächsischen Gymnasien. Nicht etwa, weil der Nachwuchs von der Uni dort unbrauchbar sei – problematisch sei vielmehr das Personal der Studienseminare, meint Dr. Clemens August Borgerding. Er war langjähriger Direktor des Verdener Domgymnasiums und vermisst gerechte Beurteilungen durch die amtlichen Referendarsausbilder:

    "Ich habe den Seminarleiter gebeten, mir ab sofort für die Unterrichtsfächer Deutsch und Geschichte keine Referendare mehr zuzuweisen, weil, es gab die Diskrepanz zwischen sich außerordentlich viel Mühe gebenden, mitwirkenden Lehrkräften an der von mir geleiteten Schule und der Art und Weise wie zwei Fachleiter zu beurteilen pflegten."

    Referendare werden also offenbar mit zwei unterschiedlichen Brillen gesehen: Die einen bauen sie auf, die anderen putzen sie runter. Etwa die Hälfte des Personalrats am Verdener Studienseminar hat diesen Sommer einen Protestbrief geschrieben. Auf Anfrage einiger Politiker hin wiegelt die Landesregierung ab: Es liege kein belastbares Datenmaterial vor und die eingegangenen Beschwerden seien nicht nachweisbar. Auf die grundsätzliche Frage nach Qualitätskontrolle und Auswertung der niedersächsischen Studienseminare heißt es nur, dass dies nicht institutionell verankert sei. Allerdings sei die Qualität des Prüfungsverlaufs durch externe Prüfungsvorsitzende gesichert.

    Dem Referendar Aydin Gürlevik ist am Studienseminar Verden gleich offen gesagt worden, dass es Bremer Uni-Absolventen schwer haben werden. Aber so hatte er sich das dann nicht vorgestellt:

    "Einer meiner Fachleiter hat mir auch gesagt: 'Herr Gürlevik, wenn ich Ihnen wohlgesonnen wäre, dann wäre das ein ganz ordentlicher Unterricht gewesen. Aber, da ich Ihnen nicht wohlgesonnen bin, ist es halt nicht gut genug.' So einfach war das dann."

    Für Referendarin Sandra Cafrey ist die Lage ernst. Zwar habe sie im Referendariat viel Gutes gelernt, aber:

    "Ich hab vor allem gelernt, Angst zu bekommen. Das ist jetzt nicht nur spezifisch auf's Studienseminar Verden bezogen, ich habe Freunde in anderen Studienseminaren und die erzählen mir genau die selben Dinge. Also die weinen nach Unterrichtsbesuchen, die weinen vor Unterrichtsbesuchen, die können Nächte lang vorher nicht schlafen. Man Hyperventiliert vor den Unterrichtsbesuchen, man will diese Unterrichtsstunde hinter sich bringen und dann hat man Angst vor der Besprechung. Egal, was passiert, die Angst geht immer mit. Das ist für mich keine Ausbildung. Eine Ausbildung muss angstfrei ablaufen, und das tut es einfach nicht, bei Referendaren, bei sehr vielen."