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Die Angst vor dem Einheitspauker

Die Regierung von Baden-Württemberg möchte, dass Haupt- und Realschullehrer die gleiche Ausbildung durchlaufen wie ihre Kollegen vom Gymnasium. Bei Philologenverband und Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft sorgen diese Pläne für gegensätzliche Reaktionen.

Von Thomas Wagner | 08.05.2013
    Bernd Saur passt die ganze Richtung nicht. Der Gymnasiallehrer aus Ulm ist Vorsitzender des Philologenverbandes Baden-Württemberg – und kann der angestrebten Vereinheitlichung der Lehrerausbildung so rein gar nichts abgewinnen.

    "Ich weiß als Gymnasiallehrer, dass eine ganz bewusste Wahl getroffen wird, entweder an der Universität zu studieren, also Gymnasiallehrer zu werden mit einem hohen fachlichen Anspruch oder aber an die pädagogische Hochschule zu gehen, um an einer anderen Schulart zu unterrichten."

    Angehende Realschullehrer suchten den Praxisbezug und die pädagogische Herausforderung. Und die werde nun mal besser an der Pädagogischen Hochschule vermittelt. Angehende Gymnasiallehrer dagegen seien dagegen stärker wissenschaftlich ambitioniert und gehörten deshalb auf die Uni. Beides in einem Ausbildungsgang zusammenzufassen, müsse daher zwangsweise schiefgehen.

    "Ich weiß, ich werde gescholten für dieses Wort des Einheitslehrers. Aber so etwas wird hier angestrebt. Und das wird der Sache nicht gerecht."

    Die grün-rote baden-württembergische Landesregierung sieht das völlig anders. Die angestrebte Vereinheitlichung der Lehrerausbildung trage der Entwicklung an den Schulen Rechnung, betont Andreas Stoch, SPD-Kultusminister in Baden-Württemberg. Die Schüler-Zusammensetzung an Realschulen und Gymnasien ähnelten sich immer mehr.

    "Durch die Übergangszahlen an den Gymnasien sehen wir, dass dort auch viele Schülerinnen und Schüler hingehen, die wahrscheinlich als ihr Ziel nicht unbedingt ein Hochschulstudium haben. Und dann ist es ungemein wichtig, dass diese Schülerinnen und Schüler auf ihrem Weg zum Abitur oder zur mittleren Reife eine gute fachliche Qualität erfahren, damit sie in ihrem Lebensweg die Möglichkeit haben, frei zu unterscheiden, zum Beispiel über ein berufliches Gymnasium, zum Beispiel über eine duale Berufsausbildung."

    Um den Schülern die dafür notwendigen Kenntnisse zu vermitteln, tue man gut daran, das Ausbildungsniveau der Lehrer ganz allgemein anzuheben, unabhängig davon, ob ein Lehrer später einmal am Gymnasium oder an der Realschule unterrichtet. Und so sollen dann auch Realschullehrer Chemie, Physik, Deutsch, Geschichte und all die anderen Fächer in Zukunft an der Uni studieren statt wie bisher an den Pädagogischen Hochschulen. Denen schreibt die Expertenkommission die Rolle der didaktischen Know-how-Vermittlung zu. Deshalb müssen die PH's mit den Unis gemeinsame Sache machen, so die grüne baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer:

    "Die Kommission schlägt vor, strukturierte und enge Kooperationen zwischen Universitäten und Pädagogischen Hochschulen im Bereich der Lehramtsausbildung zu machen. Es wird in 'Professionell Schools of Education' , gemeinsam verantwortet von Universität und Pädagogischer Hochschule, ein Studienangebot entwickelt. Also es geht darum, einzelne fachwissenschaftliche Angebote stärker aus der Universität zu holen und die bildungswissenschaftlichen, didaktischen Angebote aus der PH zu nehmen."

    Doch genau diese gemeinsam von den PH's und Unis zu erarbeitenden Studiengänge für Lehrer stoßen gerade bei denen auf Kritik, die später einmal Lehrer werden wollen. Cornelius Kopf gehört der Studierendenvertretung der Universität Freiburg an. Er kritisiert, dass damit den Lehramtstudierenden von morgen die Möglichkeit genommen werde, in einem ihrer Fächer zu promovieren; im klassischen Lehramtsstudium an der Uni ist dies möglich.

    "Ich denke, es ist immer ein großes Plus der Gymnasien in Deutschland gewesen, dass dort Lehrer unterrichtet haben, die eben zur Promotion befähigt sind, also in ihrem Fach ausgebildete Wissenschaftler. Das hat meiner Meinung nach ein hohes fachliches Niveau von der Universität an die Schulen gebracht. Und wenn man sagt, unsere Lehrer sind jetzt keine promotionsfähigen Wissenschaftler mehr, dann nimmt man genau diesen wichtigen Punkt raus. Das führt einfach zu einer Absenkung des Niveaus."

    Ruth Schütz-Zacher, stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft in Baden-Württemberg, führt noch ein weiteres Problem ins Feld. Zwar befürwortet sie im Grundsatz die Neukonzeption der Lehrerausbildung. Allerdings: Wenn angehende Realschul- Gymnasial- und Gemeinschaftsschullehrer schon die gleiche Ausbildung durchlaufen, dürfe es hinterher auch keine Unterschiede mehr beim Gehalt geben.

    "'Da ist natürlich unser Wunsch, dass die Bezahlung dort so geregelt ist, dass sie nicht nach unten geht und dass dort auch eine ordentliche Bezahlung ist. Und die sollte nicht nach unten korrigiert werden und nicht nach oben."

    Dafür allerdings fehlt das Geld. Und damit ist der Grundstein für so manche kontroverse Diskussion zwischen Lehrergewerkschaft und Landesregierung gelegt. Denn Wissenschaftsministerin Theresia Bauer macht klar:

    "Wir gehen davon aus, dass wir mit einem Heben des Niveaus zunächst nicht Besoldungsfragen verändern, sondern die Bezahlung erfolgt in Abhängigkeit vom Einsatzort in der Schule. Was ich erstrebenswert finde, wäre sozusagen, lehreradäquate Strukturen aufzubauen."