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"Die Arbeit beginnt mit der Fahrt zur Arbeit"

CSU-Chef Erwin Huber hält die Wiedereinführung der Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer für unabdingbar, weil sie für die Menschen existenzsichernd sei. In Anbetracht der veränderten Steuereinnahmen und hoher Energiekosten müsse man diese Sparmaßnahme rückgängig machen, sagte Huber.

Stefan Heinlein im Gespräch mit Erwin Huber |
    Stefan Heinlein: Sitzen Sie im Auto und fahren bereits zur Arbeit? Dann ist der heutige Tag für Sie wichtig, denn es geht ums liebe Geld. Wieder einmal geht der Blick nach Karlsruhe. Seit 2007 bleiben Millionen Berufspendler auf der Strecke. Die Große Koalition schränkte die Pendlerpauschale ein. Erst ab dem 21. gefahrenen Kilometer gibt es Geld vom Staat zurück. Die Wut der Autofahrer ist deshalb entsprechend groß. Es gab viele Klagen und viele unterschiedliche Urteile von diversen Gerichten und ab heute nun verhandelt das Bundesverfassungsgericht.

    Auch politisch ist die Abschaffung der Pendlerpauschale wieder auf dem Prüfstand. Im bayerischen Landtagswahlkampf sammelt die CSU Unterschriften gegen die Berliner Koalitionsentscheidung. Finanzminister Steinbrück will allerdings hart bleiben.
    Am Telefon begrüße ich jetzt den CSU-Parteivorsitzenden Erwin Huber. Grüß Gott!

    Erwin Huber: Guten Morgen.

    Heinlein: Rechnen Sie heute mit Rückenwind aus Karlsruhe?

    Huber: Ich hoffe für 16 Millionen Pendler, dass das Bundesverfassungsgericht dieses Gesetz korrigiert, denn aus meiner Sicht ist das keine Subvention, sondern es ist eine existenzsichernde Ausgabe, wenn 16 Millionen Pendler jeden Tag zur Arbeit fahren, weil sie damit die Existenzgrundlage des Einkommens sichern. Das ist aus meiner Sicht der entscheidende Punkt. Das Werktor-Prinzip ist lebensfremd, denn die Arbeit beginnt eben mit der Fahrt zur Arbeit vom Wohnsitz aus. Ich möchte das an einem Beispiel deutlich machen. Wenn bei einem Ehepaar beide zur Arbeit fahren, in verschiedene Richtungen fahren, dann kann man also nicht sagen, sie können einen Wohnsitz neben dem Arbeitsplatz nehmen. Ich erwarte mir also eine richtungsweisende Entscheidung.

    Heinlein: Aber wer in Fürstenfeldbruck wohnt und in München arbeitet, hat meist private Gründe. Warum soll der Steuerzahler dafür aufkommen?

    Huber: Ich bestreite, dass das in erster Linie private Gründe sind, denn der Ausnahmefall ist, dass jemand neben seinem Arbeitsplatz wohnen kann, und das wird jetzt durch das Gesetz unterstellt. Ich halte das Werktor-Prinzip für absolut lebensfremd. Der Gesetzgeber ist ja auch nicht sehr konsequent. Wenn es beispielsweise um Unfälle auf dem Weg zur Arbeit geht, die die Arbeitgeber im Endeffekt über die Berufsgenossenschaft zu zahlen haben, dann ist das auf einmal ein Teil des Berufslebens. Oder wenn die Fahrtkosten ab dem 21. Kilometer anfallen, dann sind das auch wieder quasi Werbungskosten. Nur die Kosten zwischen 0 und 20 Kilometer gelten nicht mehr. Das war ein Eingriff aus haushaltspolitischen Gründen wegen der hohen Schulden, die die rot/grüne Regierung hinterlassen hatte. Jetzt hat sich die Situation geändert. Die Energiepreise sind hoch. Die Steuereinnahmen laufen besser. Deshalb sage ich aus politischen Gründen, das muss korrigiert werden.

    Ich muss allerdings sagen, das Bundesverfassungsgericht hat eine rechtliche Entscheidung zu treffen und hat zu entscheiden, ob diese Einschränkung mit den Grundregeln des Steuerrechts zu vereinbaren ist. Da sage ich, im deutschen Steuerrecht - und da hilft mir der Hinweis auf die USA und auf Frankreich und alle anderen Länder gar nichts - sind Ausgaben, die zur Erlangung von Einkünften notwendig sind, auch entsprechend von der Steuer zu berücksichtigen. Das ist ein einseitige Benachteiligung der Arbeitnehmer und deshalb hoffe ich auf Karlsruhe.

    Heinlein: Warum brauchen Sie denn überhaupt die juristische Unterstützung aus Karlsruhe, Herr Huber? Weil Sie sich politisch mit Ihrer Schwesterpartei und der SPD in der Großen Koalition nicht einigen können?

    Huber: Zunächst einmal muss man hier zwei Dinge unterscheiden. Die CSU klagt ja nicht in Karlsruhe, sondern das höchste deutsche Finanzgericht. Der Bundesfinanzhof hat das beim Bundesverfassungsgericht vorgelegt, weil er diese Regelung in sehr überzeugenden Gründen für verfassungswidrig hält. Ich als Politiker und wir als politische Partei, wir haben ja den politischen Weg gewählt. Wir sagen, wegen der veränderten Bedingungen - hohe Energiekosten, bessere Steuereinnahmen - sollte man diese Sparmaßnahme rückgängig machen.

    Heinlein: Sie sind also jetzt schlauer als vor zwei Jahren, als sie geschlossen, Herr Huber, auch die CSU, für die Abschaffung der Pendlerpauschale gestimmt haben? Sind Sie jetzt schlauer?

    Huber: Ich habe zum einen gesagt, es sind geänderte Bedingungen, und ich meine, es ist eine kluge Haltung der Politik, wenn man dann auch eine Position verändert, wenn sich Bedingungen geändert haben. Das ist das eine. Mein Vorgänger Faltlhauser sagt nun aber, er hätte in den Beratungen zu seiner Zeit auch schon ein Pfund von verfassungsrechtlichen Bedenken vorgebracht, die allerdings vom Tisch gewischt wurden.

    Heinlein: Aber es ist schon ein wenig skurril, Herr Huber, dass sie jetzt Unterschriften gegen ihre eigene Entscheidung sammeln?

    Huber: Sie müssen da bitte präzise argumentieren. Wir sammeln Unterschriften, das heißt unsere Organisationen, für eine Veränderung zum 1.1.2009, weil sich die Bedingungen geändert haben. Wir sagen, wir haben jetzt deutlich höhere Spritpreise. Die Arbeitnehmer sind wesentlich höher belastet. Und der Bund sowie Länder und Kommunen nehmen im nächsten Jahr 100 Milliarden Euro mehr ein als im Jahr 2005. Das heißt also, die Sparmaßnahme ist in diesem Punkt nicht mehr so notwendig.

    Aber ich muss auf eines hinweisen: Wir reden von zwei unterschiedlichen Dingen. Der Bundesfinanzhof hält es für verfassungswidrig, von Anfang an aus steuerrechtlichen Gründen. Und das ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Ich sage, es muss aus politischen Gründen eine Änderung herbeigeführt werden, und ich hoffe jetzt dennoch auf das Bundesverfassungsgericht, weil es in Berlin eben viele Politiker gibt, die sagen, lasst uns das Urteil abwarten. Dann bekommen wir Hinweise darauf, wie eine verfassungsgemäße Regelung dauerhaft aussehen kann. Deshalb wird da auch in der Zukunft zweigleisig gefahren. Ich werde im politischen Bereich unseren Vorstoß für die Pendlerpauschale engagiert fortsetzen. Die CSU wird hier auch inkonsequent an dem Ziel festhalten. Und rechtlich wird das in Karlsruhe geklärt.

    Heinlein: Herr Huber, die Pendlerpauschale ist ja nicht das einzige finanzpolitische Bonbon Ihrer Partei. Auf der heute beginnenden Unionsklausur wollen sie ein großes Paket mit der Forderung nach milliardenschweren Entlastungen für die Bürger vorstellen. War es denn schwierig, ihre Schwesterpartei, die CDU, von diesen Forderungen zu überzeugen?

    Huber: Wir sind ja nun in einem längeren Dialog und das hängt natürlich immer auch von den finanziellen Möglichkeiten ab. Jetzt sieht man beispielsweise, dass sich durch die veränderte Arbeitsmarktlage bei der Bundesagentur für Arbeit Möglichkeiten ergeben, und wir stimmen ja überein zu sagen, zum 1. Januar 2009 soll der Beitrag in der Arbeitslosenversicherung auf 2,8 Prozentpunkte gesenkt werden. Das ist eine erhebliche milliardenschwere Entlastung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Man soll ja dort nicht Geld ausgeben für zusätzliche Programme, sondern zuerst die Beitragszahler entlasten.

    Und es ist dringend notwendig - da freue ich mich, dass CDU und CSU dort völlig übereinstimmen -, zum 1. Januar 2009 das Kindergeld zu erhöhen, denn die Familien leiden auch besonders unter den höheren Energiepreisen, auch unter Lebensmittelpreisen. Und zum 1. Januar 2009 vom ersten Kind an das Kindergeld um rund 10 Euro zu erhöhen, das ist doch eine familienfreundliche Maßnahme.

    Heinlein: Aber für die Senkung der Arbeitslosenbeiträge, Herr Huber, brauchen sie die Zustimmung der SPD. Diese will allerdings nur eine Absenkung auf 3,0 Prozent. Sie wollen 2,8. Wird es am Ende 2,9 geben?

    Huber: Ich hoffe, dass die SPD auch bereit ist zu sagen, wir wollen die Arbeitnehmer entlasten. Denn schließlich war die SPD einmal eine Arbeitnehmerpartei und da soll es ja doch darum gehen, die bestmögliche Entlastung auch für die Arbeitnehmer zu erreichen.

    Heinlein: Also 2,9?

    Huber: Unser Ziel ist 2,8.

    Heinlein: Glauben Sie denn insgesamt, dass es mit dem neuen SPD-Führungsduo einfacher werden wird, sich auf gemeinsame, auch finanzpolitische Reformvorhaben zu einigen?

    Huber: Das muss man abwarten. Ich kann nicht sagen, dass ja nun eine völlige neue Führung heute da ist, sondern Steinmeier und Müntefering waren ja auch die letzten drei Jahre in der politischen Verantwortung und sie haben wenig dazu beigetragen, die Handlungsfähigkeit der SPD herzustellen. Also ich will einmal sagen, da muss man sehen, wie sich die neue SPD-Führung verhält. Die ersten Töne waren für uns nicht so aufschlussreich und positiv, denn man hat im Grunde sofort den Wahlkampf begonnen. Mit der Nominierung eines Wahlkampf-Managers heißt es doch, sie wollen jetzt ein Jahr lang Wahlkampf machen. Das halte ich für negativ, denn wir sollten unsere Aufgabe, unsere Pflicht in der Bundesregierung erfüllen. Wir sollten das Land regieren und nicht schon ein Jahr lang vorher den Wahlkampf auf der Bundesebene beginnen.

    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen der CSU-Parteivorsitzende Erwin Huber. Herr Huber, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Huber: Danke auch.