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Die Arbeit des Deutschen Entwicklungsdiensts in Palästina

Elke Durak: Gestern gab es eine israelische Razzia am nördlichen Gaza-Streifen, es gab Raketen auf Beit Hanun und Verletzte. Fünf Palästinenser, als Extremisten verdächtigt, sollen am Abend in der Nähe von Gaza-Stadt von der israelischen Armee getötet worden sein. Wie kann man unter solchen Umständen dort helfen, als Angehöriger einer internationalen Organisation? Der Deutsche Entwicklungsdienst ist seit einem Jahr in den palästinensischen Autonomiegebieten. Im Mittelpunkt seiner Arbeit stehen eigentlich wohl Bemühungen zu Verbesserungen der Lebensbedingungen, aber auch Friedensarbeit. Was wird nun konkret getan unter den geschilderten Umständen, mit welchen Erfolgen und seien es noch so kleine? Lili Löbsack ist stellvertretende Geschäftsführerin des DED, zur Zeit auch dort unterwegs. Ich erreiche sie in Ramallah. Frau Löbsack, zunächst einmal, wie haben Sie denn diese Woche Ihres Aufenthaltes dort erlebt? Was haben Sie erlebt?

Moderation: Elke Durak |
    Lili Löbsack: Ich habe die Woche sehr widersprüchlich erlebt. Was die Sicherheitsfrage betrifft, habe ich sie ebenfalls etwas negativ erlebt insofern, als wir nicht nach Nordgaza fahren konnten. Es war dort geplant, zusammen mit der GTZ und dem deutschen Vertretungsbüro, den Betriebshof einer Abfallentsorgungsanlage einzuweihen. Wir konnten dort nicht hinfahren wegen der Geschehnisse, die Sie eben geschildert haben.

    Durak: Haben Sie selbst israelische Gewalt erlebt?

    Löbsack: Nein, nicht in meiner Gegenwart. Wir sind natürlich durch mehrere Kontrollen gekommen, die relativ schnell vorbei gingen. Es gab in den letzten Tagen auch einige fliegende Checkpoints, aber wie durch ein Wunder kam ich da immer relativ schnell durch. Wir fahren mit einem Auto mit einem israelischen Kennzeichen und haben einen Dienstpass. Das ist keine Schwierigkeit durchzukommen. Was anderes ist das manchmal für unsere Entwicklungshelfer, die gerade, um nach Ramallah zu kommen, wo das Büro ist, zum Teil wegen der Mauer erhebliche Umwege in Kauf nehmen müssen. Aber an Gewalt habe ich nichts gesehen. Ich habe es nicht einmal gehört. Allerdings hat unser Landesdirektor mir jedes Mal am nächsten Morgen erzählt, es hätte in der Nähe Schießereien gegeben. Er wohnt relativ in der Nähe eines Checkpointes. Allerdings gestern Abend habe ich auch solchen Lärm gehört, da hieß es aber, es seien Hochzeitsfeierlichkeiten.

    Durak: Haben Sie denn umgekehrt gefragt, da Sie ja auch oft von palästinensischer Seite her kommen: Haben Sie palästinensische Übergriffe erlebt?

    Löbsack: Das habe ich jetzt auch nicht gesehen. Ich habe nur gehört von den Vorkommnissen im Gaza-Streifen.

    Durak: Sie haben geschildert, dass dieser israelische Sicherheitszaun, dort auch Mauer genannt, auch die Arbeit Ihrer Mitarbeiter beeinträchtigt, inwiefern denn?

    Löbsack: Es müssen erhebliche Umwege in Kauf genommen werden. Sie müssen dann immer um die Mauer herum fahren. Wo Sie vielleicht früher nur die Straße überqueren mussten, müssen Sie nun bis zu dem nächsten Checkpoint fahren. Diese Mauern sind etwa sechs Meter hoch, sehen sehr bedrohlich aus und ich kann nachvollziehen, wenn die Palästinenser sie insbesondere als ein Zeichen dafür sehen, dass die Bemühungen, die sie meinen, eingesetzt zu haben, um friedlich mit den Israelis zusammen zu leben, keinen Sinn machen im Augenblick. Die Stimmung ist sehr negativ unter den Palästinensern. Selbst meine Frage, wenn es so wäre, wenn der internationale Gerichtshof jetzt die Mauer als illegal erklären würde, würden sie das nicht als ein positives Zeichen sehen. Wobei ich natürlich nicht weiß, wie die Gerichtsentscheidung ausgeht. Die normale Antwort ist sofort: Ja und? Scharon wird sich auch nicht einem möglichen internationalen Druck beugen. Wir werden mit dieser Mauer leben müssen. Man hat uns Land weggenommen, man behindert uns daran, Geschäfte zu machen. Es ist in der Tat eine etwas düstere Stimmung, wenn Sie an dieser Mauer stehen.

    Durak: Das Oberste Gericht hat einen Baustopp unterdessen in einem Teilabschnitt des Zauns nördlich von Jerusalem angemahnt und Scharon, der israelische Ministerpräsident, hat sich zu Änderungen bereiterklärt. Kehren wir aber zur Arbeit der Mitarbeiter des Deutschen Entwicklungsdienstes zurück. Sie haben davon gesprochen, Sie konnten eben nicht eine Abfallentsorgungsanlage mit einweihen. Worauf konzentrieren sich Ihre Mitarbeiter dort?

    Löbsack: Unsere Mitarbeiter konzentrieren sich auf die Schwerpunkte, die vereinbart worden sind mit dem BMZ. Da geht es einmal um Wasser, um Abfallentsorgung, es geht um Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung und es geht um die Förderung von Institutionen, Good Governments. Wobei wir noch zusätzlich den Block haben mit dem sogenannten Zivilen Friedensdienst.

    Durak: Wie ist ein Friedensgespräch unter den Umständen, die Sie schildern, über die wir jeden Tag berichten müssen, wie ist das herstellbar? Gibt es überhaupt noch Bereitschaft von beiden Seiten dazu?

    Löbsack: Die erste Frage kann ich Ihnen nicht mit einem klaren Ja beantworten. Es gibt erfreuliche Bewegungen, Versuche, auf beiden Seiten zu solchen Gesprächen zu kommen. Dennoch trifft man sich meistens im Ausland, wenn es um Veranstaltungen geht, die der israelischen Seite unerwünscht sind. Ich habe gestern mit dem Präsidenten der Universität, Sari Nuseiba, gesprochen, der mir davon berichtete, dass von beiden Seiten Unterschriften gesammelt worden sind, um Druck von unten herzustellen, damit die israelische Bevölkerung wie auch die palästinensische Bevölkerung in einen Dialog kommt und beide deutlich machen, dass jetzt Schluss sein muss, dass jetzt Frieden herrschen muss. Wenn Sie mit den Palästinensern sprechen, was ich in den letzten Tagen sehr viel gemacht habe, sind die Seiten verhärtet, und es herrscht viel Frustration, Resignation.

    Durak: Abschießend noch eine kurze Frage: Ist, so wie Sie es schildern, die Arbeit der Entwicklungshelfer unparteiisch möglich?

    Löbsack: Das hat sich wie ein roter Faden durch unsere Gespräche geführt, weil ich gesagt habe, ich erwarte von Ihnen, dass sie überparteilich sind. Es ist natürlich so, da man von Schicksalen menschlich berührt wird, neigt man dazu, der Seite Recht zu geben, der Unrecht geschehen ist in diesem Moment. Aber genauso gut gibt es natürlich auch Entwicklungshelfer - und wir versuchen immer, Sie auch mit Israelis zusammen zu bringen, damit sie die andere Seite hören. Ich will mal so antworten: Es ist nicht einfach, aber wir bemühen uns, und ich halte eine Überparteilichkeit für absolut notwendig, um überhaupt als eine deutsche Institution hier vorwärts zu kommen. Es macht keinen Sinn, wenn wir eintauchen in die palästinensische Seele und mit ihnen leiden. Das können wir tun und das sollten wir auch tun, aber wir sollen dennoch versuchen, offen zu sein für die Argumente und die Interessen auch der israelischen Seite.