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Die ARD kann doch lustig sein

Bravo, ARD! Das ist mal Qualitätsfernsehen: Gnadenlos enttarnt und persifliert Olli Dittrichs neue Satiresendung "Frühstücksfernsehen" selbst sakrosankte Institutionen wie die "Tagesschau", lobt Andreas Stopp. Sein Mitgefühl gilt den Machern des "echten" Frühstücksfernsehens.

Von Andreas Stopp |
    Na bitte –geht doch! Das Erste kann ja tatsächlich noch für Erfrischung sorgen. Nicht, dass sich das Publikum dadurch verjüngt und die Greise bei Pro Sieben stranden. Etwas Neues, Gewagtes. Wann gab es das eigentlich zum letzten Mal? Gut, die Brüder von der "Heute Show" haben ganz schön was vorgelegt. Aber die ARD wirft da noch ein Schippchen drauf! Denn nicht nur über Politiker und Co können wir uns köstlich amüsieren, nein, wir machen uns über uns selbst lustig! Ja, wirklich, die Programmgewaltigen haben die Vokabel "Selbstironie" auf einer vorher verklebten Seite des Handbuches "Gestaltung ansprechender Sendungen leicht gemacht" offenbar wiederentdeckt!

    Ziemlich unerhört, dieses "Frühstücksfernsehen" am späten Abend. Nicht lange her, wäre man noch mit Verbannung in die Keller des Rundfunkarchivs gestraft worden, hätte man sich über die heilige Kuh "Tagesschau" lustig gemacht. Nationale Institutionen sind nicht zum Amüsement da. Und jetzt kommt dieser Komiker - nein, Olli Dittrich ist mehr als das, ich finde aber keine adäquate Bezeichnung für seinen …, seinen … -was genau ist das eigentlich? Er parodiert, er persifliert, er entlarvt, enttarnt, teilt aus, aber das alles so scheinbar ungerührt normal und in der Attitüde fast kindlicher Naivität. Und in einer Schlagzahl! Muss man erst mal hinkriegen so wie dieses Kamerachamäleon die Rollen wechselt und dabei in jeder echter wirkt als das Original!

    Glaubte man bisher, dass zum Beispiel Fußballspieler auf der Skala der grenzdebil-nichtssagenden Antworten auf zugegeben blödsinnige Fragen unüberbietbar sind – Dittrich schafft’s! Er wird damit authentischer als das Real-live-Exemplar. Das gab’s noch nicht im Fernsehen, soweit meine Erinnerung bis Claus Havenstein und Basteln mit Tante Erika richtig zurückreicht. Er überbietet an Echtheit sogar den echten Beckmann als Fragesteller und man kratzt sich verwundert die Birne: Wer ist eigentlich echt und wer ist nicht mehr richtig echt? Oder war es vielleicht gar noch nie?

    Karasek spielt sich auch selbst und macht das besser als wenn er nicht Karasek gibt, sondern es einfach nur ist. Verstehen Sie? Meine Befürchtung nur: Die armen Beitragszahler, die nicht mitbekommen hatten (und das konnte man phasenweise wirklich nicht so leicht), die hielten die Liveschalte zum Ort der Katastrophe für echt! Haben es aber nicht gemerkt, dass es nicht echt war! Es fiel ihnen nur nicht auf, weil die wirklichen Meldungen oftmals auch kaum brisanter sind als diese geniale Null-Reportage. Daraus macht die ARD gerne abendelange Brennpunkte! Ironie: Die Frühstücksfernsehsendung fing später an, weil nach Acht tatsächlich ein Brennpunkt lief. Ich weiß aber nicht mehr, zu welchem Thema! Genau das meinte der Olli! Wie belanglos müssen Ereignisse sein, damit sie in einer Sondersendung investigativ-hechelnd geadelt werden?

    Mein Mitgefühl gilt den echten Frühstücksfernsehmachern. Ob die das Ganze auch lustig fanden? Oder sie eine Klippe suchen, um sich ins Nirwana der televisionären Bedeutungslosigkeit zu stürzen? Jedenfalls, es ist diese mediale ARD-Seriösität, na gut, Pseudo- Seriösität, die aus dieser neuen Sendung trieft. Seriöser aber als manch echter Programmbeitrag. Und das muss man erst mal hinkriegen. Bravo, ARD! Das ist Qualitätsfernsehen. Wenn mal ein neuer Moderator für den Musikantenstadel oder so gesucht wird: Ich wüsste einen. Der heißt Sören Lorenz. Oder ist der gar nicht echt?