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"Die Autoindustrie weiß im Moment nicht, wo es hingeht"

Der niedersächsische Finanzminister Hartmut Möllring fordert bei Änderungen an der Kfz-Steuer finanzielle Entschädigungen für die Länder. Es könne nicht sein, dass der Bund zu Lasten der Länder Steuersenkungen durchsetze, sagte der CDU-Politiker. Nach seinen Angaben nehmen die Länder bisher jährlich acht Milliarden Euro durch die Kfz-Steuer ein. Diese Summe müsse kompensiert werden, betonte Möllring.

Hartmut Möllring im Gespräch mit Dirk Müller |
    Dirk Müller: Ein Unternehmen, was binnen weniger Stunden zum teuersten der Welt wird; ein Aktienkurs, der an einem Tag regelrecht nach oben explodiert. VW - das wertvollste Unternehmen der Welt. Nicht etwa, weil das dem tatsächlichen Wert entspricht, sondern weil die Börse, die Finanzmärkte wieder mal schlichtweg überzogen haben, viele Kritiker sagen durchgedreht haben. Dieser Höhenflug ging vor allem zurück auf Fehlspekulationen offenbar von Hedgefonds. Zugleich will die Automobilindustrie aber Unterstützung von der Politik, weil die Autobauer jetzt schon Auftragseinbrüche und Produktionsstopps haben oder angekündigt haben. Nach den Banken nun die Automobilindustrie. Die EU-Kommission will die angeschlagene Branche mit Krediten unterstützen.
    Am Telefon ist nun Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllring (CDU). Guten Morgen!

    Hartmut Möllring: Guten Morgen, Herr Müller.

    Müller: Herr Möllring, stehen wir vor einer Kette ohne Ende?

    Möllring: Nein, das glaube ich nicht. Im Moment ist es wohl modern, in Hysterie zu machen. Dass wir eine Finanzmarktkrise hatten, ist ja mit Händen zu greifen gewesen. Dort haben aber die europäischen Staaten, insbesondere auch die Bundesrepublik den Schutzschirm gespannt, so dass die eigentlich beendet sein müsste, wenn ein bisschen Normalität wieder einkehrt. Aber wir können jetzt nicht eine Branche nach der anderen sozusagen unter staatlichen Schutz nehmen.

    Müller: Sie sind Finanzminister von Niedersachsen. VW liegt bei Ihnen vor der Haustüre. Bei der Automobilindustrie wollen Sie eine Ausnahme machen?

    Möllring: Nein. Die Automobilindustrie braucht nur gewisse Rahmenbedingungen. Wenn Sie hören, was im Moment mit der CO2-Steuer diskutiert wird, da blickt ja kein Mensch mehr durch und dann ist es doch auch ganz selbstverständlich, dass der Konsument, der Bürger sagt, ich warte erst mal ab was da passiert, ehe ich mir heute ein Auto kaufe, das morgen teuer besteuert wird. Diese Kaufzurückhaltung macht sich natürlich bemerkbar.

    Müller: Da werden einige, vielleicht auch Sie zusammengezuckt haben, dass jetzt ausgerechnet die Industrie, die Automobilbranche fordert, endlich mit schadstoffarmen PKW zu bedienen.

    Möllring: Das ist doch eine Forderung, die nicht nur die Politik schon seit langem erhebt; das ist doch auch eine Selbstverständlichkeit. Ich meine, die Automobilindustrie hätte auch aus der Katalysator-Diskussion lernen können. Damals hieß es auch "teuer und kostet nur zusätzlich". Hinterher sind alle mit Katalysator gefahren und das ist heute eine Selbstverständlichkeit. Dass wir hier weitermachen müssen und nicht weiter die Umwelt verschmutzen, ist doch selbstverständlich. Jetzt hier in diesem Moment nach staatlicher Hilfe zu rufen, ist schon mehr als befremdlich.

    Müller: Also Sie sind dagegen?

    Möllring: Ja. Ich meine, wir sollten die Rahmenbedingungen setzen. Wir müssen europaweit die Vorgaben machen. Wir müssen verlässlich auf Dauer sagen, was wir von der Industrie erwarten. Dann können sie auch entsprechende Autos konstruieren und dann läuft der Verkauf auch wieder.

    Müller: Kann das denn so schwierig sein, mal von außen betrachtet, mit dieser CO2-generierten Steuer, die endlich auf den Weg zu bringen, die umzusetzen? Das kann doch nicht so kompliziert sein.

    Möllring: Das ist deshalb kompliziert, weil der Bund seit mehr als einem Jahr nicht bereit ist, die Kfz-Steuer zu übernehmen. Die steht ja den Ländern zu, während die anderen Steuern rund um das Automobil, also die Maut und die Mineralölsteuer und die Ökosteuer dem Bund zustehen. Es ist ja völlig irre, dass man vier verschiedene Steuern hat, die unterschiedlichen Ländereinheiten zustehen. Das muss in einer Hand beim Bund zusammengefasst werden und dann kann man da auch eine vernünftige Steuerpolitik machen.

    Müller: Dann muss man ja, Herr Möllring, in einem effektiven System leben, wenn kluge Politik wieder einmal am Föderalismus scheitert.

    Möllring: Es scheitert nicht am Föderalismus. Die Länder haben schon vor über einem Jahr dem Bund angeboten, die Kfz-Steuer zu übernehmen. Der Bund hat sich geweigert. Also hier hat nicht der Föderalismus versagt, sondern der Zentralstaat hat gesagt, wir wollen die nicht oder zu Bedingungen, die nicht akzeptabel sind. Immer nur Forderungen machen, dass die Steuer geändert werden muss, ist einfach. Dann soll man sie übernehmen, soll sie ändern und dann kann man auch entsprechende Regeln schaffen, dass die Autokonjunktur - die sonstige Konjunktur läuft ja dankenswerterweise noch - auch wieder anspringt.

    Müller: Ärgert Sie das, dass diejenigen, die sonst kräftig abkassiert haben, nicht nur die Manager, die Unternehmer, die Aktionäre, insgesamt jetzt auf einmal anfangen zu jammern und wir müssen es ausbaden?

    Möllring: Das wollen wir ja gerade nicht. Es ist ja in Ordnung, wenn jemand viel Geld verdient, unternehmerische Ideen hat, dass dann da auch was über bleibt. Nur wenn man sich dann unternehmerisch vertan hat, soll man nicht gleich nach dem Staat rufen. Es muss eben so sein: im Guten wie im schlechten, dass man in den guten Tagen das den Leuten durchaus gönnt und ihnen nicht neidet. Dann müssen sie aber in den schlechten Tagen auch selber für sich die Verantwortung übernehmen.

    Müller: Jetzt ist von Rettungspaketen die Rede. Wir haben ja in der Bundesrepublik auch ein sehr großes, Milliarden schweres auf den Weg gebracht. Nun geht es um Kredite, Kredithilfen, Rahmenbedingungen. Plötzlich kann die Politik Dinge tun, für die sonst kein Geld da ist. Wie kommt das?

    Möllring: Nein. Sie sprechen jetzt das 400 Milliarden, das 470 Milliarden Paket an. Hier fließt ja kein Geld, sondern der Staat übernimmt für Bankdarlehen, die sich die Banken untereinander geben, die Garantie. Das Geld ist ja da, nur das Vertrauen war nicht da. Das heißt, die Banken gaben sich untereinander das Geld nicht, und wichtig ist, dass das Geld fließt. Ich bin überzeugt, dass dieser Fonds, der vor zwei Wochen gegründet worden ist, am Ende mindestens mit einer schwarzen Null, wenn nicht sogar mit einem Gewinn endet, denn die Garantien gibt es ja nicht für umsonst, sondern die müssen ja von den Banken bezahlt werden.

    Müller: Aber Günter Verheugen - Herr Möllring, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche - redet jetzt von 40 Milliarden, die die europäische Automobilindustrie braucht, einen 40 Milliarden Kredit. Das ist natürlich kein Geld, was man ausgibt, aber man muss es ja irgendwo hernehmen. Man muss es ja zunächst einmal vorlegen können und bezahlen. Wer soll das bezahlen?

    Möllring: Na gut, dafür gibt es die Europäische Industriebank. Ob die zu ihren Bedingungen einen 40 Milliarden Kredit rausgeben kann, kann ich nicht beurteilen. Das wird Herr Verheugen beurteilen können. Das wäre ja dann ein normales Bankgeschäft, dass man der Autoindustrie, einem Autowerk, einer Autofirma einen Kredit gibt. Dafür gibt es Bedingungen bei der EIB und das muss man dann sehen. Der muss ja dann auch zurückgezahlt werden, der muss entsprechend abgesichert werden. Dass Firmen Kredite nehmen, um zu produzieren, um Innovationen zu machen, ist ja das normalste der Welt. Das ist jetzt nicht besonders spektakulär.

    Müller: Also reden wir gar nicht über eine Krise, sondern wir reden im Moment über das normalste der Welt?

    Möllring: Nein. Wir reden darüber, dass die Autoindustrie im Moment nicht weiß, wo es hingeht, weil in Europa, aber auch in der Bundesrepublik viele Politiker durcheinander reden und dadurch die Verbraucher verunsichern, und das kann man ja auch verstehen. Warum soll ich mir heute ein Auto kaufen, wenn ich nicht weiß, wie es morgen besteuert wird. Das alte Auto tut es ja noch; also kaufe ich mir kein neues. Das muss jetzt eingesehen werden, sowohl von den Bundespolitikern als auch von den europäischen Politikern. Es muss jetzt mal für ein paar Jahre verlässliche Rahmenrichtlinien geben, was die Politik sagt, und dann können die Verkäufer, die Produzenten, die Autofabriken, sich darauf einstellen und der Käufer, die Konsumenten können sich auch darauf einstellen und sagen jawohl, dann kaufe ich mir dieses neue Auto und fahre das und weiß, was mich das in Zukunft kostet.

    Müller: Wenn dies das Argument ist - das ist ja für einige zumindest neu, dass es plötzlich daran liegt, dass man nicht so richtig weiß, wie es mit der Steuer weitergehen soll -, kann es sein, dass es immer wieder diese Krisen in der Automobilindustrie gegeben hat (die hat es natürlich gegeben bei allen großen Herstellern in den vergangenen Jahren, in den vergangenen Jahrzehnten, immer in bestimmten zyklischen Abständen) und dass der eine oder andere vielleicht sagt, 28.000 Euro für einen Golf ist mir zu viel?

    Möllring: Nein. Gerade VW steht ja im Moment da und hat erhöhte Verkaufszahlen. Beim Passat haben sie Lieferzeiten von sechs Wochen. Der neue Golf ist gut eingeschlagen. Es sind Einzelfirmen. Auch bei Ford und Opel ist es, glaube ich, mehr die Mutter in Amerika, die Probleme macht, als hier unbedingt der europäische Markt. Aber es ist eben auch die Kaufzurückhaltung, weil die Leute nicht wissen, was passiert nächstes Jahr oder in den nächsten Tagen mit der Steuer, und dann wartet man eben zu.

    Müller: Halten wir fest, Herr Möllring es gibt dieses Rettungspaket für die Finanzinstitute, für die Banken, und damit ist gut?

    Möllring: Ich glaube, damit muss es auch gut sein, denn das war wichtig, dass die Finanzwirtschaft wieder stabilisiert wird, denn das ist nun mal der Blutkreislauf der Wirtschaft, dass Geld fließt. Das Geld wird jetzt wieder fließen. Wir merken das zum Teil auch schon, dass es wieder fließt. Es fängt natürlich sachte an, aber das wird sich stabilisieren und damit kann auch die ganze Wirtschaft stabilisiert werden. Im Moment haben wir ja noch Wachstum, Wirtschaftswachstum. Es ist ja nicht so, dass wir eine Rezession haben. Da wird ja nur hingeredet. Manche Politiker, aber auch manche Journalisten, manche Talkshow-Masterinnen gefallen sich darin, jetzt eine Panik zu erzeugen, weil das natürlich spannender ist als das normale Leben. Aber das ist ja nicht die Realität.

    Müller: Wobei 500 Milliarden ja schon erstaunen.

    Möllring: Ja, das ist selbstverständlich. Aber ich habe schon mal gesagt, das ist nur eine Garantie und diese Garantie muss bezahlt werden und ich gehe davon aus, dass der Staat hinterher etwas dabei über hat und nicht draufgezahlt hat. Das heißt also, dass die Steuerzahler nicht draufgezahlt haben und damit das Argument, den kleinen Leuten wird's aus der Tasche genommen, um es den gierigen Managern in den Hals zu werfen, so einfach nicht stimmt. Das ist ja nicht so, sondern das System ist stabilisiert worden und das ist, glaube ich, ganz wichtig.

    Müller: Herr Möllring, ich möchte zum Schluss noch über eine Agenturmeldung der Deutschen Presseagentur mit Ihnen sprechen, Sie nicht überfallen. Das ist gerade während unseres Gespräches reingekommen. Die Länder müssen dem Vorschlag noch zustimmen, steht es hier. Danach will die Bundesregierung die Kfz-Steuer für umweltfreundliche Neuwagen für zwei Jahre aussetzen. Das hat Umweltminister Sigmar Gabriel heute Morgen im "ARD Morgenmagazin" gesagt. Machen Sie da mit?

    Möllring: Ich habe doch gesagt: der Bund kann die Kfz-Steuer haben und dann kann er damit machen was er will. Es kann nur nicht sein, dass die Bundespolitiker zu Lasten der Länderhaushalte Steuersenkungen durchsetzen. Das ist ganz einfach: die Kfz-Steuer erbringt bundesweit etwa im Jahr acht Milliarden Euro. Diese acht Milliarden muss der Bund den Ländern erstatten; in welcher Form ist völlig egal. Und dann kann der Bund entsprechend in der Steuer rund um das Auto (Kfz-Steuer, Mineralölsteuer, Ökosteuer, Maut) die gesamte Gestaltung übernehmen und dann kann er auch umweltpolitische und andere Ziele damit verfolgen. Das ist dann ganz egal. Da brauchen dann die Länder nicht zuzustimmen, dann ist es eine reine Bundessteuer.

    Müller: Der niedersächsische Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) bei uns im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Möllring: Bitte schön. Auf Wiederhören!