Nutz: Herr Bodewig, Ihre Benennung war für alle eine Überraschung, auch für Sie selbst. Warum glauben Sie ist die Wahl nun gerade auf Sie gefallen?
Bodewig: Das ist immer eine schwierige Frage. Der Bundeskanzler hat mir das Vertrauen gegeben und ich denke, dass es vor dieser Entscheidung eine intensive Beratung gibt. Ich hoffe, ich habe in meiner Tätigkeit als parlamentarischer Staatssekretär bewiesen, dass ich Probleme anpacken kann. Vielleicht wird dies geschätzt.
Nutz: Der FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt hat gestern beispielsweise gesagt, er kenne Sie nur aus dem Handbuch des Bundestages. Liegt das an Wolfgang Gerhardt oder gab es für Sie noch keine Gelegenheit zu mehr öffentlicher Profilierung?
Bodewig: Ich glaube es liegt an Wolfgang Gerhardt.
Nutz: Innerhalb der SPD, Herr Bodewig, werden Sie zum linken Flügel gezählt. Wie wird sich das in Ihrer neuen Position bemerkbar machen?
Bodewig: Ich glaube, ich habe gestern in der Pressekonferenz deutlich gemacht, dass ich mit diesen klassischen Links-Rechts-Schemata nichts anfangen kann. Wir sind in einer neuen Situation. Wir haben globale Probleme. Es geht darum, Lösungen zu finden. Die müssen sachorientiert sein. Die müssen wertorientiert sein. Die müssen zielorientiert sein. Deswegen denke ich mir wird diese Frage rechts/links in der SPD zunehmend an Bedeutung verlieren, sondern wir werden gemeinsam Werte definieren und Ziele definieren.
Nutz: Sie haben gesagt, Sozialpolitik ist Beschäftigungspolitik. Werden Sie das auch beispielsweise bei der Bahnreform berücksichtigen, etwa beim Stellenabbau?
Bodewig: Ich habe sehr deutlich gemacht, dass Investitionspolitik Beschäftigungspolitik ist, also wir damit Arbeitsplätze sichern und schaffen wollen. Dies geht vor allem auch dadurch, indem wir viel investieren, indem wir die Bahn zukunftsfähig machen. Sie muss aber unternehmerisch arbeiten. Sie darf kein Dauersubventionsbetrieb sein, sondern der Bund investiert ins Netz, in die Schiene und die Bahn selbst muss unternehmerisch tätig sein.
Nutz: Es gibt ja verschiedene Zahlen zum Defizit des Unternehmens. Das geht über die genannten fünf Milliarden weit hinaus. Manche reden von 20 bis hin zu noch einmal 10 Milliarden. Das macht fast 30 Milliarden. Was ist an diesen Zahlen dran und haben Sie schon einmal wirklich, wie Reinhard Klimmt gesagt hat, auf den Boden des Eimers schauen können?
Bodewig: Ich danke Reinhard Klimmt dafür, dass er wirklich diese "Aufgabe Bahn" direkt in Angriff genommen hat und dass er auch die Bahn dazu gebracht hat, die Karten jetzt auf den Tisch zu legen. Die Berechnungen unterscheiden sich, weil es sich hierbei um Delta-Berechnungen handelt. Bei Erwartungen und voraussichtlichen Betriebsergebnissen differiert das. Aber ich denke mir, wir haben deutlich gemacht: sechs Milliarden D-Mark zusätzlich für die Bahn in den nächsten drei Jahren. Ich gehe davon aus, dass wir auch die Finanzierung der Bahn verstetigen. Das ist ein Ziel.
Nutz: Verstetigen heißt was genau?
Bodewig: Ab 2004 werden wir darüber reden, wie hoch der weitere zusätzliche Investitionsbedarf ist. Ich sage erst mal, sechs Milliarden Mark Steuergelder als Sofortprogramm zur Pflege des Bestandsnetzes war schon ein Riesen Schritt nach vorne. Über die Zukunft werden wir reden. Aber ich habe auch eine weitere Nuance, und die lautet: die krassen Preise der Bahn wären günstiger, wenn die Schiene stärker genutzt wird. Das können auch Dritte machen. Deswegen sage ich, der diskriminierungsfreie Zugang von Dritten aufs Schienennetz, das ist ein ganz entscheidender Schritt. Das dient auch der Bahn.
Nutz: Das heißt konkret, zu den Sanierungsplänen gehören weitere Privatisierungen, aber auch Streckenstilllegungen und eventuell Revisionen der Großprojekte?
Bodewig: Das will ich jetzt nicht sagen. Ich bin parlamentarischer Staatssekretär. Die Vereidigung wird erst übernächste Woche erfolgen. Bitte lassen Sie mir da etwas Zeit. Ich habe Vorstellungen, und wir werden die dann auch wirklich präzise und solide der Öffentlichkeit vorstellen.
Nutz: Sie haben gestern ein paar Worte gesagt über den Güterverkehr. Was wird, Herr Bodewig, aus dem Güterverkehr? Die Wirtschaft zum Beispiel kritisiert, dass die Bahn für die Verlagerung auf die Schiene einfach - so heißt es wörtlich - "zu schlecht" sei.
Bodewig: Ich kann das so pauschal nicht bestätigen, aber man muss sie besser machen. Das ist richtig und das ist Ziel. Das ist unternehmerische Verantwortung, und unsere Verantwortung ist, dass wir ein Schienennetz schaffen, das dieser zukünftigen Aufgabe entspricht. Deswegen investieren wir ins Bestandsnetz. Das ist in den letzten Jahren wirklich marode geworden. Das haben wir jetzt angepackt. Es macht keinen Sinn, teuere Neubaustrecken zu finanzieren und zehn Kilometer danach fahren die gleichen Züge, die sonst Hochgeschwindigkeit fahren, vielleicht mit 60 Stundenkilometern. Das macht keinen Sinn. Wir müssen die Gesamtstrecke schneller machen und wir müssen mehr Güterverkehr auf die Bahn bringen. Wir haben einen Verkehrsbericht 2000 vorgelegt. Der hat eine eindeutige Zahl. Wir wollen bis 2015 den Anteil der Schiene im Güterverkehr verdoppeln. Das ist ein sehr ehrgeiziges Ziel. Aber ich sage auch deutlich: der Hauptverkehrsträger wird in Zukunft die Straße sein. Das kann gar nicht anders. Aber wissen Sie, sie können nicht beliebig Autobahnen erweitern. Wir sind ein dicht besiedeltes Land. Da muss man intelligente Lösungen finden.
Nutz: Herr Bodewig, Sie sind oder Sie werden ja auch Minister für den Wohnungsbau. Was sind denn dort Ihre Vorstellungen? Es gibt ja ein großes Problem von leerstehenden Wohnungen beispielsweise im Osten. Die Zukunft der Plattenbauten ist ungewiss. Hier herrscht Wohnungsmangel. Was sind dort Ihre Vorstellungen, soweit Sie sie jetzt sagen können?
Bodewig: Ich glaube, die Leerstandskommission, die sich ja gerade mit dem Problem des Leerstandes in den neuen Bundesländern beschäftigt hat, hat eine Reihe von wichtigen und sinnvollen Vorschlägen erarbeitet. Die werden wir jetzt prüfen. Wir werden die Fördermaßnahmen mehr auf den Bestand konzentrieren. Das ist wichtig. Es werden Abrisse in den neuen Ländern nicht vollständig zu vermeiden sein. Das ist allen klar. Die ersten Projekte wurden auch. Ich möchte aber nicht das Geld auf den Abriss konzentrieren, sondern auf das Schaffen von guten Wohnungen im Bestand. Das ist ein Ziel. Das weitere: Wir haben auch ein Projekt "soziale Stadt". Wir wollen die Ballungszentren wieder attraktiver machen. Wir wollen vermeiden, dass die Menschen aus den Städten herausziehen ins Umland, weil das zu viel kostet. Es ist nicht sinnvoll. Da muss man eben die Städte attraktiver machen, und da wollen wir sehr viel Geld mobilisieren, gemeinsam mit den Ländern und den Kommunen, auch hier Anreize durch den Bund und Impulse für die örtliche Situation zu schaffen.
Nutz: Kurt Bodewig, der designierte Bundesverkehrsminister und auch Bundesbauminister, in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. - Herr Bodewig, Ihnen alles Gute und auf Wiederhören!
Link: Interview als RealAudio