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Die Bank aus dem Internet

Der deutsche Banksektor hat es regelrecht verschlafen, ein System einzuführen, mit dem Bezahlvorgänge komfortabel mit dem Handy erledigt werden können. Aber gerade jetzt müssten sich deutsche Anbieter solcher Verfahren mit der Entwicklung sputen. Denn Google, Facebook und Co. sitzen ihnen bereits im Nacken.

Von Thomas Reintjes | 04.02.2012
    Social Media war das große Thema der Konferenz MCTA, bei der es ums Geldverdienen im mobilen Netz geht. Im Programm hörte es sich harmlos an:

    "Social Media and Banking:

    Mobile Social-Media-Kennzahlen, Messbarkeit und Erfolgsfaktoren"


    Doch Google und Facebook waren nicht nur in diesen, sondern in fast allen Vorträgen Thema. Diese Unternehmen sorgen für deutliche Nervosität bei allen, die in Deutschland mit mobilen Bezahlverfahren ein Geschäft machen wollen.

    "Ich glaube, der Payment-Markt ist im Moment hoch nervös, was das angeht."

    Key Pousttchi, Gastgeber der Konferenz, Wirtschaftsinformatiker an der Universität Augsburg und Fachmann für Mobiles Bezahlen. Er setzte den deutschen Anbietern von Bezahlverfahren praktisch das Messer auf die Brust und machte ihnen klar: Die Zeit läuft ab.

    "Ich glaube, dass wir in zwei Jahren entweder etwas haben, das sich auf dem deutschen Markt entwickelt, oder sehr stark die Player aus dem stationären Internet sehen werden. Die Apples, Googles und Facebooks dieser Welt, Amazon und Ebay/Paypal nicht zu vergessen."

    Google hat bereits eine europäische Lizenz für das Handling von elektronischem Geld. In den USA gibt es mit dem Produkt Google Wallet erste Anwendungen fürs Bezahlen mit dem Handy. Angesichts dieser Konkurrenz, sagt der Branchenkenner Pousttchi, müssen aktuelle Modelle für den deutschen Markt entwickelt werden. Einfach das Portemonnaie ins Handy zu überführen, wie man sich Mobile Payment vor einigen Jahren vorgestellt hat, damit ist es nicht mehr getan. Denn die Online-Händler haben gegenüber dem Offline-Handel einen großen Vorteil: Sie wissen sehr viel über ihre Kunden. Mit diesem Wissen könnten sie auch im klassischen Handel punkten und in die Offline-Welt vordringen. Ebay hat in New York und London schon mit Ladengeschäften experimentiert. Diese Bewegung von der virtuellen in die reale Welt werde von einem Teil des Handels ignoriert, sagt Pousttchi. Es gebe aber noch die Möglichkeit…

    "…dass der stationäre Handel innovativ wird. Das der stationäre Handel sich in die virtuelle Welt bewegt. Damit meine ich nicht, dass jeder seine kleine App hat, das gibt es ja jetzt schon, sondern damit meine ich, dass er eine Marktposition aufbaut, eine Kundenbeziehung, eine völlig anders geartete, persönliche Kundenbeziehung aufbaut, die mit den Techniken der virtuellen Welt geschaffen werden kann. Und dann kann er, wenn er das richtig macht, stärker werden als der virtuelle Händler, weil er noch zusätzlich den stationären Kontakt hat."

    Auf der Konferenz in Berlin zeigte Pousttchi in einer Präsentation seine Vision: Stationäre Händler, die auf dem Smartphone um Kunden kämpfen.

    "Kommen Sie in den nächsten zehn Minuten in unseren Laden gegenüber und erhalten Sie zehn Prozent Rabatt!"

    Solche Botschaften auf dem Handy-Display sollen Kunden künftig von der Konkurrenz weglocken. Um dem Handel übergreifend eine Plattform für Innovationen, mehr Soziales Netzwerken und letztlich mobiles Bezahlen zu bieten, will Pousttchi die Entwicklung anschieben. Er sei im Gespräch mit verschiedenen Partnern.

    "Ich denke an etwas, das den virtuellen Mobilfunkanbietern, den Simyos und Aldi Talks dieser Welt, ähnlich ist: Es gibt einen, der eine solche Bezahl-Infrastruktur betreibt, und dann gibt es verschiedene Anbieter, die auf dieser Infrastruktur dann eigene Bezahlverfahren anbieten können."

    Das Bezahlen wäre dann allerdings vermischt mit Marketing und Kundenbindung.