Bender: Guten Tag, Herr Breker.
Breker: Herr Bender, ein Abschied in Würde, den Johannes Rau da gewählt hat. Auch in der Form.
Bender: Ja. Ich würde auch sagen, die Form ist in diesem Amt noch wichtiger als bei allen anderen Staatsämtern. Das Amt des Bundespräsidenten hat ja eine Bedeutung, die darin liegt, dass er über den Parteien steht. Das ist etwas, was wir in dieser Zeit, glaube ich, sogar noch besonders brauchen. Die Parteien sind oft dabei, die Balance zu verlieren. Damit meine ich, dass der Partei der persönliche Vorteil dem Vorteil für das Land unangemessen, in unvertretbarem Maße überwiegt. Da muss einer sein, der nicht nur keiner Partei angehört. Der Mann oder die Frau muss souverän über den Parteien stehen. Er muss mal etwas sagen, was die Parteien nicht sagen, weil es unpopulär ist, weil sie Angst haben. Er muss die Parteien auch mal kritisieren, wie beispielsweise Rau seinerzeit mal diese höchst fragwürdige Abstimmung im Bundesrat kritisiert hat. Er kritisierte da einen Ministerpräsidenten von der SPD, einen stellvertretenden Ministerpräsidenten von der CDU und einen Bundesratspräsidenten - also ein ganz hohes Amt - auch wieder von der SPD. Sein Vorgänger Richard von Weizsäcker hat ja die Parteien insgesamt scharf herangenommen. Erinnern Sie sich an diesen Satz: "Die machen sich den Staat zur Beute". Den habe ich noch in Erinnerung. Was sonst nur Publizisten, Professoren und andere Leute sagten, sagte er mit dem Gewicht des Staatsoberhauptes. Das war - glaube ich - eine ganz wichtige Wahrnehmung dieses Amtes und seiner Bedeutung über den Parteien.
Breker: Man kann, Herr Bender, sagen, der Bundespräsident ist qua Amt nicht mächtig. Er ist immer nur so stark wie derjenige, der dieses Amt gerade innehat. Ist trotzdem der Eindruck, dass die Bedeutung des Amtes nachgelassen hat, falsch?
Bender: Natürlich ist es eine Persönlichkeitsfrage. Das ist ganz klar. Wir haben stärkere und schwächere Präsidenten gehabt. Das ist immer so. Was das Amt betrifft: Das weiß ich eigentlich nicht. Mir scheint, eher nein. Wir haben drei Präsidenten gehabt, also die letzten: Weizsäcker, der eine ungeheure Bedeutung gehabt hat. Erinnern Sie sich an das Jahr 1985: 40 Jahre Kriegsende- Zusammenbruch oder Befreiung? Der Kanzler Kohl ließ fast kein Fettnäpfchen aus. Weizsäcker hat damals das Ansehen der Bundesrepublik gerettet.
Breker: Die Rede zum 8.Mai, meinten Sie.
Bender: Anderthalb Millionen Mal ist seine Rede verteilt worden. Der nächste, Roman Herzog, mit seiner Ruck-Rede. Vor allen Dingen in seinen ersten Auftritten in Polen hat er etwas getan, was die Parteien und die Politiker nicht schafften. Auch von Rau haben wir eine ganze Reihe von Reden höchst kritischer, höchst souveräner Art gegenüber der übrigen Politik. Wissen Sie, eines ist wichtig: Wir brauchen in einem Parteienstaat überparteiliche Instanzen. Dass die Gesetze eingehalten werden, dafür haben wir die Justiz und das Verfassungsgericht. Dass aber die ungeschriebenen Gesetze eingehalten werden, dass die beachtet werden, dafür haben wir den Bundespräsidenten. Ein Staat wird von den ungeschriebenen Gesetzen zusammengehalten. Dass ein Staat funktioniert, liegt nicht daran, dass nur das nicht getan wird, was verboten ist, sondern dass man bestimmte Dinge nicht tut, auch wenn es nirgendwo geschrieben steht. Nur das garantiert das Funktionieren eines Staates. Darauf zu achten ist eine der vornehmsten Aufgaben des Bundespräsidenten.
Breker: Wohl wahr, Herr Bender. Sollte man nicht dennoch überlegen, ob man dieses Amt nicht mit mehr Aufgaben betraut und möglicherweise reformiert, indem man - das ist ja auch eine Idee von Johannes Rau gewesen - möglicherweise die Amtszeit auf sieben Jahre verlängert.
Bender: Ich finde es einen einleuchtenden Vorschlag. Schon deshalb, weil einem eine Weile erspart wird, was wir jetzt vor uns haben, nämlich doch wieder ein ziemliches Parteiengerangel und -gerechne: Wer wird nun der Nachfolger, wer kungelt mit wem, was bedeutet das für die nächste Regierung und so weiter. Wenn er sieben Jahre präsidiert, ist das eine Zeit, bei der es sowieso bleiben muss. Länger als zwei Mal sieben geht nicht. Wir sind dann auch eine Zeitlang von diesem im Grunde dem Amt gar nicht entsprechenden Parteiengerangel verschont. Ich finde den Vorschlag einleuchtend.
Breker: Noch einen kurzen Ausblick nach vorne, Herr Bender: Was muss der nächste Präsident oder die nächste Präsidentin verkörpern?
Bender: Er muss das verkörpern, was ich versucht habe, zu sagen: Eine souveräne Person muss es sein, die nicht nur ihr Parteibuch in die Ecke legt, sondern tatsächlich über dem steht und unabhängig ist in ihrem Urteil. Egal, ob sie die Leute ihrer früheren eigenen Partei zu kritisieren hat oder nicht. Außerdem eine Persönlichkeit, die auch ich will nicht sagen "populär" ist. Populär ist schön genug, die aber vor allen Dingen Respekt hat. Demokratie verführt ja dazu, dass sich die Politiker und eben auch hohe Ämter allzu sehr gemein machen. Der Präsident sollte ein bisschen Würde wahren. Mir hat zum Beispiel missfallen, dass der Präsident Herzog quasi als Fernsehmoderator agierte, sich immer Leute einlud und wie ein Moderator diese zu allem Möglichen befragte. Wenn der Präsident sich Leute einlädt, um von denen zu hören, was sie meinen, muss er das in seinen vier Wänden tun. Ich glaube, seine Frau hat Schaukochen gemacht im Fernsehen. Dies ist für mein Gefühl mit der Würde des Präsidenten nicht vereinbar.
Breker: Das war in den Informationen am Mittag im Deutschlandfunk Peter Bender, der freie Publizist und langjährige Beobachter unserer Republik.
Breker: Herr Bender, ein Abschied in Würde, den Johannes Rau da gewählt hat. Auch in der Form.
Bender: Ja. Ich würde auch sagen, die Form ist in diesem Amt noch wichtiger als bei allen anderen Staatsämtern. Das Amt des Bundespräsidenten hat ja eine Bedeutung, die darin liegt, dass er über den Parteien steht. Das ist etwas, was wir in dieser Zeit, glaube ich, sogar noch besonders brauchen. Die Parteien sind oft dabei, die Balance zu verlieren. Damit meine ich, dass der Partei der persönliche Vorteil dem Vorteil für das Land unangemessen, in unvertretbarem Maße überwiegt. Da muss einer sein, der nicht nur keiner Partei angehört. Der Mann oder die Frau muss souverän über den Parteien stehen. Er muss mal etwas sagen, was die Parteien nicht sagen, weil es unpopulär ist, weil sie Angst haben. Er muss die Parteien auch mal kritisieren, wie beispielsweise Rau seinerzeit mal diese höchst fragwürdige Abstimmung im Bundesrat kritisiert hat. Er kritisierte da einen Ministerpräsidenten von der SPD, einen stellvertretenden Ministerpräsidenten von der CDU und einen Bundesratspräsidenten - also ein ganz hohes Amt - auch wieder von der SPD. Sein Vorgänger Richard von Weizsäcker hat ja die Parteien insgesamt scharf herangenommen. Erinnern Sie sich an diesen Satz: "Die machen sich den Staat zur Beute". Den habe ich noch in Erinnerung. Was sonst nur Publizisten, Professoren und andere Leute sagten, sagte er mit dem Gewicht des Staatsoberhauptes. Das war - glaube ich - eine ganz wichtige Wahrnehmung dieses Amtes und seiner Bedeutung über den Parteien.
Breker: Man kann, Herr Bender, sagen, der Bundespräsident ist qua Amt nicht mächtig. Er ist immer nur so stark wie derjenige, der dieses Amt gerade innehat. Ist trotzdem der Eindruck, dass die Bedeutung des Amtes nachgelassen hat, falsch?
Bender: Natürlich ist es eine Persönlichkeitsfrage. Das ist ganz klar. Wir haben stärkere und schwächere Präsidenten gehabt. Das ist immer so. Was das Amt betrifft: Das weiß ich eigentlich nicht. Mir scheint, eher nein. Wir haben drei Präsidenten gehabt, also die letzten: Weizsäcker, der eine ungeheure Bedeutung gehabt hat. Erinnern Sie sich an das Jahr 1985: 40 Jahre Kriegsende- Zusammenbruch oder Befreiung? Der Kanzler Kohl ließ fast kein Fettnäpfchen aus. Weizsäcker hat damals das Ansehen der Bundesrepublik gerettet.
Breker: Die Rede zum 8.Mai, meinten Sie.
Bender: Anderthalb Millionen Mal ist seine Rede verteilt worden. Der nächste, Roman Herzog, mit seiner Ruck-Rede. Vor allen Dingen in seinen ersten Auftritten in Polen hat er etwas getan, was die Parteien und die Politiker nicht schafften. Auch von Rau haben wir eine ganze Reihe von Reden höchst kritischer, höchst souveräner Art gegenüber der übrigen Politik. Wissen Sie, eines ist wichtig: Wir brauchen in einem Parteienstaat überparteiliche Instanzen. Dass die Gesetze eingehalten werden, dafür haben wir die Justiz und das Verfassungsgericht. Dass aber die ungeschriebenen Gesetze eingehalten werden, dass die beachtet werden, dafür haben wir den Bundespräsidenten. Ein Staat wird von den ungeschriebenen Gesetzen zusammengehalten. Dass ein Staat funktioniert, liegt nicht daran, dass nur das nicht getan wird, was verboten ist, sondern dass man bestimmte Dinge nicht tut, auch wenn es nirgendwo geschrieben steht. Nur das garantiert das Funktionieren eines Staates. Darauf zu achten ist eine der vornehmsten Aufgaben des Bundespräsidenten.
Breker: Wohl wahr, Herr Bender. Sollte man nicht dennoch überlegen, ob man dieses Amt nicht mit mehr Aufgaben betraut und möglicherweise reformiert, indem man - das ist ja auch eine Idee von Johannes Rau gewesen - möglicherweise die Amtszeit auf sieben Jahre verlängert.
Bender: Ich finde es einen einleuchtenden Vorschlag. Schon deshalb, weil einem eine Weile erspart wird, was wir jetzt vor uns haben, nämlich doch wieder ein ziemliches Parteiengerangel und -gerechne: Wer wird nun der Nachfolger, wer kungelt mit wem, was bedeutet das für die nächste Regierung und so weiter. Wenn er sieben Jahre präsidiert, ist das eine Zeit, bei der es sowieso bleiben muss. Länger als zwei Mal sieben geht nicht. Wir sind dann auch eine Zeitlang von diesem im Grunde dem Amt gar nicht entsprechenden Parteiengerangel verschont. Ich finde den Vorschlag einleuchtend.
Breker: Noch einen kurzen Ausblick nach vorne, Herr Bender: Was muss der nächste Präsident oder die nächste Präsidentin verkörpern?
Bender: Er muss das verkörpern, was ich versucht habe, zu sagen: Eine souveräne Person muss es sein, die nicht nur ihr Parteibuch in die Ecke legt, sondern tatsächlich über dem steht und unabhängig ist in ihrem Urteil. Egal, ob sie die Leute ihrer früheren eigenen Partei zu kritisieren hat oder nicht. Außerdem eine Persönlichkeit, die auch ich will nicht sagen "populär" ist. Populär ist schön genug, die aber vor allen Dingen Respekt hat. Demokratie verführt ja dazu, dass sich die Politiker und eben auch hohe Ämter allzu sehr gemein machen. Der Präsident sollte ein bisschen Würde wahren. Mir hat zum Beispiel missfallen, dass der Präsident Herzog quasi als Fernsehmoderator agierte, sich immer Leute einlud und wie ein Moderator diese zu allem Möglichen befragte. Wenn der Präsident sich Leute einlädt, um von denen zu hören, was sie meinen, muss er das in seinen vier Wänden tun. Ich glaube, seine Frau hat Schaukochen gemacht im Fernsehen. Dies ist für mein Gefühl mit der Würde des Präsidenten nicht vereinbar.
Breker: Das war in den Informationen am Mittag im Deutschlandfunk Peter Bender, der freie Publizist und langjährige Beobachter unserer Republik.