Durak: Wie ist es nun mit den Korrekturen in den Beziehungen zwischen den USA und Saudi-Arabien? Wie sehen Sie das gegenwärtige Verhältnis?
Perthes: Da wäre sehr viel zu korrigieren, weil einfach mehrere Dinge zusammengekommen sind. Das sind im groben vier Faktoren: Erstens der von Ihnen angesprochene Streit um die Irak-Politik der USA. Die Saudis wollen im Wesentlichen aus Sorge um die Stabilität in der Region keinen Militärschlag der Amerikaner gegen das irakische Regime. Da sind Auseinandersetzungen, zwischen der Nahostpolitik der USA, also die Politik zwischen Arabern und Israelis, die die USA fährt. Da sagen die Saudis, dass die Amerikaner viel zu zurückhaltend sind, keinen Druck auf ihren Verbündeten Israel machen und die Dinge schleifen lassen. Es gibt insbesondere von amerikanischer Seite erhebliche Vorbehalte - ich will mal sagen - gegen die gesellschaftliche Stimmung in Saudi-Arabien, die zum Teil offen Amerika-feindlich ist. Das ging natürlich hin bis zur Nationalität eines Großteils der Attentäter vom 11. September, wo 15 von 19 der Leute, die in den Flugzeugen saßen, Saudis waren. Und es gibt letztlich noch eine persönliche Dimension: Die amerikanische Regierung ist nicht sehr glücklich mit dem Kronprinzen, der die Regierungsgeschäfte in Saudi-Arabien faktisch führt. Der Kronprinz Abdullah ist Ihnen zu unabhängig, zu nationalistisch. Er versucht zu sehr, eine arabische und saudi-arabische Politik zu machen, und er ist nicht immer bereit zum Schulterschluss mit den Amerikanern.
Durak: Deshalb vielleicht die Distanz. Die Partnerschaft der Amerikaner mit Saudi-Arabien hatte ja bisher stabilisierenden Charakter auch für den Nahost-Friedensprozess. Ist das nun abseits der eben beschriebenen Punkte aus Sicht der USA nicht mehr nötig?
Perthes: Ich denke, im amerikanischen Außenministerium sieht man weiterhin, dass das notwendig ist. Das hat sich ja auch im Laufe dieses Jahres ein paar Mal gezeigt, als etwa die Saudis die Arabische Liga dazu gebracht haben, einen Friedensplan gegenüber Israel zu verkünden, der gesagt hat: Wenn die Israelis das tun, was international von ihnen gefordert wird, sich nämlich aus den besetzten Gebieten zurückzuziehen, dann sind die arabischen Staaten bereit zur völligen Normalisierung mit Israel. Dieser saudische Plan, der dann ein arabischer Plan wurde, ist allgemein gelobt worden, auch von den Amerikanern. Und die Saudis waren sehr unglücklich darüber, dass George Bush diesen saudischen Plan gar nicht mehr erwähnt hat, als er seine Grundsatzrede zum Nahen Osten im Juni gehalten hat. Zur Zeit konzentriert sich in den USA wohl so viel auf die Frage Irak, dass man die konstruktive Rolle Saudi-Arabiens im Nahost-Friedensprozess vergisst, und das ist tatsächlich ein Faktor, der sich vielleicht korrigieren lässt, aber zur Zeit scheinen die Amerikaner nicht daran zu arbeiten.
Durak: Bricht denn mit einem - sage ich mal - unkontrollierten Militärschlag der Amerikaner gegen den Irak tatsächlich die Antiterror-Allianz zusammen, zu der ja Saudi-Arabien sehr stark gehört?
Perthes: Sie würde in jedem Fall insofern zusammenbrechen, als die regionalen Unterstützer der Antiterror-Allianz - das ist nicht nur Saudi-Arabien, auch Ägypten, Jordanien, Syrien - sich von den USA distanzieren würden, fast distanzieren müssten, aus innenpolitischen Gründen, und dass die USA in großen Teilen der arabischen Welt ihre Glaubwürdigkeit verlieren würden. Nicht so sehr, weil sie gegen Saddam Hussein vorgehen, sondern wegen der Prioritätensetzung, weil sie das Problem Saddam Hussein offensichtlich für wichtiger nehmen als das Problem Palästina und Israel, was auf der regionalen Tagesordnung ganz oben steht.
Durak: Welche Interessen haben die Saudis im und am Irak?
Perthes: Die Saudis wollen in erster Linie Stabilität. Das ist eine ganz tragende Säule saudischer Regional- und Außenpolitik. Sie haben Angst, dass sich regionale Instabilität nach innen fortsetzen könne, dass etwa ein amerikanischer Schlag auf den Irak dann zu regierungsfeindlichen Demonstrationen im eigenen Land führen könne, wohl wissend, dass Saudi-Arabien nach wie vor zu den Freunden Washingtons im Mittleren Osten gezählt wird. Sie haben ein zweites Ziel, das nicht unbedingt im Konflikt mit amerikanischen Zielen sein muss, das ist eine stabile Ölpreispolitik. Hier gibt es zumindest bei Teilen der amerikanischen Administration, die sich um Energiesicherheit Gedanken machen, die Idee und Überlegung, dass es gar nicht gut ist, wenn Saudi-Arabien alleine über den wesentlichen Teil der nahöstlichen Erdölressourcen verfügt. Wenn die Amerikaner Kontrolle über den Irak gewinnen würden, dann könne man ja Saudi-Arabien erdölpolitisch auch ausbalancieren, und das ist natürlich etwas, wo die Saudis kein Interesse daran haben.
Durak: Angenommen, es käme in absehbarer Zeit zu einem amerikanischen Militärschlag, der international nicht unterstützt wird. Welche Folgen hätte das allein für die Nahost-Region?
Perthes: Ich denke, es würde für die Nahost-Region relativ katastrophal sei, weil viele Parteien, gerade auch im arabisch-israelischen Konflikt, eine solche Destabilisierung auszunutzen versuchen würden. Es würde also auf der einen Seite - jedenfalls wäre das wahrscheinlich - radikale palästinensische Kräfte geben, die sagen werden, in diesem Moment werde auf die Waffenstillstände oder alles, was mit Israel vereinbart sei, verzichtet. Sie werden versuchen, Ihre Ziele umzusetzen und die Israelis auch als wesentliche Verbündete der Amerikaner anzugreifen. Und radikale Mitglieder der israelischen Regierung, vielleicht auch radikale Siedler, werden ihrerseits versuchen, im Schatten einer solchen Auseinandersetzung am Golf, wenn also die internationale Aufmerksamkeit ein Stück weit von dem arabisch-israelischen Theater ans Golf-Theater gegangen ist, gegen die Palästinenser mit besonderer Härte vorzugehen. Und das wiederum würde Länder, die zwischen den beiden Konflikten liegen, also Jordanien etwa, was im Osten den Irak und im Westen Palästina und Israel hat, in arge Bedrängnis bringen. Das könnte da zu erheblichen inneren Unruhen führen.
Durak: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Perthes: Da wäre sehr viel zu korrigieren, weil einfach mehrere Dinge zusammengekommen sind. Das sind im groben vier Faktoren: Erstens der von Ihnen angesprochene Streit um die Irak-Politik der USA. Die Saudis wollen im Wesentlichen aus Sorge um die Stabilität in der Region keinen Militärschlag der Amerikaner gegen das irakische Regime. Da sind Auseinandersetzungen, zwischen der Nahostpolitik der USA, also die Politik zwischen Arabern und Israelis, die die USA fährt. Da sagen die Saudis, dass die Amerikaner viel zu zurückhaltend sind, keinen Druck auf ihren Verbündeten Israel machen und die Dinge schleifen lassen. Es gibt insbesondere von amerikanischer Seite erhebliche Vorbehalte - ich will mal sagen - gegen die gesellschaftliche Stimmung in Saudi-Arabien, die zum Teil offen Amerika-feindlich ist. Das ging natürlich hin bis zur Nationalität eines Großteils der Attentäter vom 11. September, wo 15 von 19 der Leute, die in den Flugzeugen saßen, Saudis waren. Und es gibt letztlich noch eine persönliche Dimension: Die amerikanische Regierung ist nicht sehr glücklich mit dem Kronprinzen, der die Regierungsgeschäfte in Saudi-Arabien faktisch führt. Der Kronprinz Abdullah ist Ihnen zu unabhängig, zu nationalistisch. Er versucht zu sehr, eine arabische und saudi-arabische Politik zu machen, und er ist nicht immer bereit zum Schulterschluss mit den Amerikanern.
Durak: Deshalb vielleicht die Distanz. Die Partnerschaft der Amerikaner mit Saudi-Arabien hatte ja bisher stabilisierenden Charakter auch für den Nahost-Friedensprozess. Ist das nun abseits der eben beschriebenen Punkte aus Sicht der USA nicht mehr nötig?
Perthes: Ich denke, im amerikanischen Außenministerium sieht man weiterhin, dass das notwendig ist. Das hat sich ja auch im Laufe dieses Jahres ein paar Mal gezeigt, als etwa die Saudis die Arabische Liga dazu gebracht haben, einen Friedensplan gegenüber Israel zu verkünden, der gesagt hat: Wenn die Israelis das tun, was international von ihnen gefordert wird, sich nämlich aus den besetzten Gebieten zurückzuziehen, dann sind die arabischen Staaten bereit zur völligen Normalisierung mit Israel. Dieser saudische Plan, der dann ein arabischer Plan wurde, ist allgemein gelobt worden, auch von den Amerikanern. Und die Saudis waren sehr unglücklich darüber, dass George Bush diesen saudischen Plan gar nicht mehr erwähnt hat, als er seine Grundsatzrede zum Nahen Osten im Juni gehalten hat. Zur Zeit konzentriert sich in den USA wohl so viel auf die Frage Irak, dass man die konstruktive Rolle Saudi-Arabiens im Nahost-Friedensprozess vergisst, und das ist tatsächlich ein Faktor, der sich vielleicht korrigieren lässt, aber zur Zeit scheinen die Amerikaner nicht daran zu arbeiten.
Durak: Bricht denn mit einem - sage ich mal - unkontrollierten Militärschlag der Amerikaner gegen den Irak tatsächlich die Antiterror-Allianz zusammen, zu der ja Saudi-Arabien sehr stark gehört?
Perthes: Sie würde in jedem Fall insofern zusammenbrechen, als die regionalen Unterstützer der Antiterror-Allianz - das ist nicht nur Saudi-Arabien, auch Ägypten, Jordanien, Syrien - sich von den USA distanzieren würden, fast distanzieren müssten, aus innenpolitischen Gründen, und dass die USA in großen Teilen der arabischen Welt ihre Glaubwürdigkeit verlieren würden. Nicht so sehr, weil sie gegen Saddam Hussein vorgehen, sondern wegen der Prioritätensetzung, weil sie das Problem Saddam Hussein offensichtlich für wichtiger nehmen als das Problem Palästina und Israel, was auf der regionalen Tagesordnung ganz oben steht.
Durak: Welche Interessen haben die Saudis im und am Irak?
Perthes: Die Saudis wollen in erster Linie Stabilität. Das ist eine ganz tragende Säule saudischer Regional- und Außenpolitik. Sie haben Angst, dass sich regionale Instabilität nach innen fortsetzen könne, dass etwa ein amerikanischer Schlag auf den Irak dann zu regierungsfeindlichen Demonstrationen im eigenen Land führen könne, wohl wissend, dass Saudi-Arabien nach wie vor zu den Freunden Washingtons im Mittleren Osten gezählt wird. Sie haben ein zweites Ziel, das nicht unbedingt im Konflikt mit amerikanischen Zielen sein muss, das ist eine stabile Ölpreispolitik. Hier gibt es zumindest bei Teilen der amerikanischen Administration, die sich um Energiesicherheit Gedanken machen, die Idee und Überlegung, dass es gar nicht gut ist, wenn Saudi-Arabien alleine über den wesentlichen Teil der nahöstlichen Erdölressourcen verfügt. Wenn die Amerikaner Kontrolle über den Irak gewinnen würden, dann könne man ja Saudi-Arabien erdölpolitisch auch ausbalancieren, und das ist natürlich etwas, wo die Saudis kein Interesse daran haben.
Durak: Angenommen, es käme in absehbarer Zeit zu einem amerikanischen Militärschlag, der international nicht unterstützt wird. Welche Folgen hätte das allein für die Nahost-Region?
Perthes: Ich denke, es würde für die Nahost-Region relativ katastrophal sei, weil viele Parteien, gerade auch im arabisch-israelischen Konflikt, eine solche Destabilisierung auszunutzen versuchen würden. Es würde also auf der einen Seite - jedenfalls wäre das wahrscheinlich - radikale palästinensische Kräfte geben, die sagen werden, in diesem Moment werde auf die Waffenstillstände oder alles, was mit Israel vereinbart sei, verzichtet. Sie werden versuchen, Ihre Ziele umzusetzen und die Israelis auch als wesentliche Verbündete der Amerikaner anzugreifen. Und radikale Mitglieder der israelischen Regierung, vielleicht auch radikale Siedler, werden ihrerseits versuchen, im Schatten einer solchen Auseinandersetzung am Golf, wenn also die internationale Aufmerksamkeit ein Stück weit von dem arabisch-israelischen Theater ans Golf-Theater gegangen ist, gegen die Palästinenser mit besonderer Härte vorzugehen. Und das wiederum würde Länder, die zwischen den beiden Konflikten liegen, also Jordanien etwa, was im Osten den Irak und im Westen Palästina und Israel hat, in arge Bedrängnis bringen. Das könnte da zu erheblichen inneren Unruhen führen.
Durak: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio