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"Die Bücherdiebin" im Kino
Internationale Großproduktion mit Kitschfaktor

Die Bücherdiebin ist frisch in den Kinos gestartet. Brian Percival hat das Werk von Markus Zusak verfilmt und ein gut gemixtes Zutatenkino geschaffen - mehr allerdings auch nicht.

Von Josef Schnelle | 14.03.2014
    Regisseur Brian Percival mit den Darstellern Sophie Nélisse, Emily Watson, Nico Liersch und Ben Becker bei der Premiere des Films in Berlin
    Regisseur Brian Percival mit den Darstellern Sophie Nélisse, Emily Watson, Nico Liersch und Ben Becker bei der Premiere des Films in Berlin (dpa / picture alliance / Eventpress Stauffenberg)
    "Du warst in einem Krieg?." - "Ja, sein Vater hat sein Leben geopfert für mich. Ich habe seiner Familie etwas versprochen. Sollte ich Ihnen einmal helfen können, würde ich das tun. Ich gab ihnen mein Wort. Du musst mir Dein Wort darauf geben, dass Du nichts und niemandem von unserem Gast erzählst. Habe ich Dein Wort?" - "Ja Papa."
    Die neunjährige Liesel nennt ihren Pflegevater "Papa". Der hat einen Juden im Keller versteckt. Im Februar 1938 ist auch Liesel bei Hans und Rosa untergekommen, weil ihre Mutter keine Zukunft für sie mehr sah. Liesel hat neben allem anderen ein ganz besonderes Problem: Sie kann noch nicht lesen. Die Eingewöhnung insbesondere bei Stiefmutter Rosa ist auch nicht leicht. Und draußen tobt der Naziterror. Die tatsächlichen Bücherverbrennungen der Nazis fanden schon 1933 als Teil der Gleichschaltung der Gesellschaft statt. Später auch das eine ums andre Mal. Aber durch die dramaturgische Zeitverschiebung in diesem Film kann Liesel wenigstens ein Buch aus der Asche bergen.
    "Das ist ein Wörterbuch. Manche Wörter haben wir schon gelernt. Schreib so viele auf, wie Du willst. Alles Deins." – "Danke Papa."
    Zusammen mit ihrem Stiefvater hat Liesel begonnen, lesen zu lernen. Bei der Auswahl der Bücher ist sie nicht wählerisch. Schließlich weiß sie zunächst nicht, was in den Büchern geschrieben steht. Ganz egal, sie muss das Lesen-Lernen so schnell wie möglich nachholen. Acht Millionen Exemplare hat der Deutsch-Australier Markus Zusak von seinem Jugendroman weltweit verkauft. Die Basisinformation für seine Geschichte hat er von seiner deutschen Mutter und seinem österreichischen Vater. Und so sind die Bombennächte in München und der Würgegriff des Naziterrors in der Geschichte überzeugend wiedergegeben. Aus dem Off kommentiert der Tod. Dieser Kunstgriff prägt das Buch.
    Rush als liebevoller Ersatzvater
    Der Film hingegen geht sparsam damit um. Auf einer konkreten einzelnen wahren Geschichte wie so viele ähnliche Filme über Jugendliche, die unter den Bedingungen des Nazi-Terrors aufwuchsen, basieren diesmal weder Buch noch Film. Als internationale Produktion wurde der Film mit einem renommierten Drehbuchautor und einem eingeführten Regisseur auf Englisch gedreht. Das amerikanische Publikum liebt Geschichten aus Nazideutschland, aber sie sollen doch bitte nach den Standards von Hollywoodgeschichten gedreht werden. Mit vielen deutlich positionierten Hakenkreuzfahnen und Stars, die man kennt, wie zum Beispiel Geoffrey Rush, der in der Filmserie "Fluch der Karibik" gleich reihenweise den Bösewicht gegeben hat. In diesem Film ist er ein liebevoller Ersatzvater mit viel Verständnis für die "Bücherdiebin".
    "Um ehrlich zu sein, kann ich selbst nicht gut lesen. Wir werden einander helfen müssen. Dann fangen wir gleich an: Das Handbuch für Totengräber."
    Meist ist der Film, inszeniert von dem britischen Fernsehroutinier Brian Percival, mehr eine coming-of-age-Geschichte - eine Geschichte vom Erwachsenwerden - und der zeitgeschichtliche Hintergrund spielt nicht so eine große Rolle. Er ist Kulisse bis zur Staffage. Liesel muss sich allerdings in einer merkwürdigen Welt zurechtfinden. Sie darf dem Nachbarsjungen Rudy nicht zu viel verraten, und der jüdische Flüchtling im Keller verlangt ihr auch so Einiges ab. Über die Bücher kommen sie sich dennoch näher.
    Film versinkt manchmal im Kitsch
    "Worum geht es in dem Buch?" - "Hitler." - "Verstecken Sie sich vor Hitler?" - "Ja." - "Sind Sie ein Kommunist?" - "Ich bin Jude." - "Hat er Ihre Mutter abgeholt?" - "Vermutlich." - "Keine Sorge: Ich hab auch oft geweint, als ich hierhergekommen bin."
    "Die Bücherdiebin" ist eine fein kalkulierte internationale Großproduktion, die manchmal doch klaftertief im Kitsch versinkt. Das hervorragende Darstellerensemble - insbesondere Geoffrey Rush und Emily Watson, dazu die Laienhauptdarstellerin Sophie Nélisse - retten den Film immer wieder vor dem endgültigen Absturz. Doch allzu häufig wirkt der Film nur wie gut gemixtes Zutatenkino. Man merkt die Absicht und ist verstimmt. Bücher können das Leben verändern, ja klar. Wer Bücher verbrennt, der verbrennt irgendwann auch Menschen, ganz sicher. Auf schmalem Grat tastet sich diese in Babelsberg gedrehte Literaturverfilmung zur Bedeutungslosigkeit.
    "Gute Nacht, Bücherdiebin"