Montag, 29. April 2024

Archiv


Die Bufdis kommen

90.000 Zivildienststellen fallen nach Ende des Wehrdienstes weg. Das Bundesfamilienministerium ist optimistisch, diese nach und nach durch Freiwillige im sogenannten Bundesfreiwilligendienst ersetzen zu können. Doch der Andrang an "Bufids" ist bislang gering.

Von Anja Nehls | 28.07.2011
    "Telefon: Guten Tage, DRK, Haus Albrecht, mein Name ist Petersen, was kann ich für Sie tun? Ja, nein zurzeit sind keine Plätze frei, aber wir haben Mittwoch einen offenen Besuchstermin... ."

    Gabriele Petersen sitzt am Empfang in der Seniorenresidenz Haus Albrecht in Berlin Tempelhof. Vier mal pro Woche, jeweils fünf Stunden, für ein Taschengeld von 165 Euro im Monat. Mit 70 Jahren könnte sie sich eigentlich auf die faule Haut legen, aber der Job im Bundesfreiwilligendienst gibt ihr das gute Gefühl gebraucht zu werden:

    "Ich bin jetzt alleinstehend und was für mich wichtig ist, ist der Kontakt zu Menschen, und mir macht das enormen Spaß, es bringt mir was und sich kann mich persönlich einbringen. Ich habe auch keine Probleme, allein zu sein und meinen Alltag zu gestalten, aber ich wollte gerne noch etwas mit einbringen."

    Gabriele Petersen ist fit, gepflegt und wirkt jünger als sie ist. Im Mai hat sie den allerersten Vertrag als Bundesfreiwillige in Deutschland unterschrieben. Im Gegensatz zum Zivildienst oder freiwilligen sozialen Jahr wendet sich der Bundesfreiwilligendienst auch an ältere Menschen. Beim Roten Kreuz in Berlin arbeiten zurzeit vier sogenannte Bufdis in der Kleiderkammer, bei der Kältehilfe und in der Seniorenbetreuung. Alle sind über 50 Jahre alt, mit drei Dutzend weiteren Interessenten gibt es zur Zeit Gespräche – die große Mehrheit sind ältere Menschen, sagt Rüdiger Kuntz vom DRK:

    "Der größte Teil sind schon Leute, die die Möglichkeit suchen wieder in den Berufsalltag reinzukommen, da sind Leute, die längere Zeit Hartz4 bekommen haben, die zuhause waren, die einfach auch diesen Ablauf in einer Firma oder einem Unternehmen nicht wahrgenommen haben und die jetzt in diese ganzen Abläufe wieder reinkommen und auch die Erfahrungen sammeln, die dafür notwendig sind und sich dann auch ein Sprungbrett schaffen, um wieder reinzukommen in den Arbeitsalltag."

    Ein Trend, der bundesweit zu beobachten ist, Zahlen dazu hat das Familienministerium aber noch nicht. Die Sozialhilfeträger freuen sich über ihre neuen freiwilligen Mitarbeiter. Die älteren müssen nicht unbedingt Vollzeit arbeiten, sie können ihre Stunden reduzieren.
    Entscheidend ist allerdings, dass die Menschen passend zu ihren Fähigkeiten eingesetzt werden, meint Rüdiger Kuntz vom DRK:

    "Das geht da weniger darum große körperliche Aktivitäten aufzubringen, sondern eher Lebenserfahrung und Ansätze aus der Vergangenheit mit einzubringen, das ist der Hintergrund der Geschichte. Es geht bei den älteren Bundesfreiwilligen darum Orientierung weiterzugeben, während bei den jüngeren im freiwilligen sozialen Jahr, dass die sich selber noch orientieren. Das ist ein ganz anderer Ansatz."

    Deshalb sitzt Gabriele Petersen nun auch nicht mehr ausschließlich als Concierge am Empfang. Sie macht sich überall nützlich, wo sie gebraucht wird, das hat sich einfach ergeben:

    "Ich habe gesagt, lass es auf Dich zukommen. Ob ich nun am Concierge sitze oder ob ich mit alten Herrschaften, die sehr schwer zu Fuß sind, spazieren gehe, hier um den Kirchblock und sie motiviere, die Beine zu bewegen, oder wir spielen Mensch ärgere Dich nicht oder ich helfe beim Kochen – ich bringe mich überall da ein, wo man mich braucht."

    Für viele der 100 Senioren im Altenheim ist sie inzwischen so etwas wie eine gute Freundin geworden. Auch ein Vorteil, im Alter an deren Problemen schon ziemlich nah dran zu sein, findet Gabriele Petersen, für die der Job zurzeit jedenfalls mehr Lust als Last ist.
    Ihrem Beispiel als Bundesfreiwillige sollen bis nächstes Jahr 35.000 Menschen folgen, wünscht sich das Bundesfamilienministerium. Erst 3000 haben sich bundesweit bisher dazu entschlossen.