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Die Bundes-SPD nach dem Kölner Spendenskandal

Ensminger: Nicht mauern, sondern so schnell wie möglich aufklären: Die Bundes-SPD versucht im Umgang mit dem Parteispendenskandal in Köln die Vorwärtsverteidigung. Verantwortlichen droht der Parteiausschluss, und wenn's sein muss will man auch gegen die eigenen Genossen vor Gericht ziehen. Die Bundes-SPD also als Aufklärer, ob das was nutzt, bleibt abzuwarten. Momentan jedenfalls glauben laut Forsa-Umfrage 61 Prozent der Deutschen, dass die Affäre Bundeskanzler Gerhard Schröder im Wahlkampf schaden wird. Kurz vor der Sendung sprach ich mit dem Generalsekretär der SPD, dem früheren SPD-Landesvorsitzenden in Nordrhein-Westfalen, Franz Müntefering. Und von ihm wollte ich zunächst wissen, ob mit schneller Aufklärung und Bestrafung der Schuldigen ernsthaft das Vertrauen der Bevölkerung zurück gewonnen werden kann.

    Müntefering: Das kann man heute nicht letztlich beurteilen. Natürlich belastet das im Augenblick alle Parteien, aber uns in besonderer Weise. Entscheidend wird sein, dass wir klar erkennbar dafür sorgen, dass schnell und zügig aufgeklärt wird, und dass dann auch die Konsequenzen gezogen werden. Ich glaube, wenn man das in überzeugender Weise tut, dann werden die Menschen auch respektieren, dass der allergrößte Teil unserer Mitglieder, auch derer in Köln, das Geschäft im Sinne der Demokratie macht, und dass man da keine Sippenhaft machen kann. Also, es wird sehr darauf ankommen, wie wir das in den nächsten Wochen machen.

    Ensminger: Aber es könnte kritisch werden für die SPD?

    Müntefering: Ich glaube nicht, dass der Ausgang der Bundestagswahl daran hängt, aber - wie gesagt - es ist wichtig, wie wir handeln.

    Ensminger: Sie haben sich ja bereit erklärt, vor dem Spendenuntersuchungsausschuss des Bundestages auszusagen. Union und FDP fordern jetzt auch Bundespräsident Johannes Rau auf, er solle vor den Ausschuss geladen werden. Was kann er denn da sagen?

    Müntefering: Also ich hab mich nicht gedrängt dahin zu gehen, weil ich im Augenblick nicht sehe, was ich beitragen könnte, aber ich hab gesagt: Wenn der Ausschuss mich lädt, dann gehe ich natürlich dahin. Ich bin ganz sicher, dass mein Vorgänger im Amt des Landesvorsitzenden das nur so sehen kann wie ich auch. Wir hatten keine Vorstellung, kein Wissen von dem, was sich Einzelne in der Partei in Köln ausgedacht haben und was da praktiziert wurde.

    Ensminger: Und das gilt auch für Johannes Rau?

    Müntefering: Da bin ich ganz sicher.

    Ensminger: Jetzt hat Christian Ströbele von Bündnis 90/Die Grünen ebenfalls Rau aufgefordert, zumindest eine Erklärung abzugeben vor dem Spendenuntersuchungsausschuss. Jetzt bekommen Sie auch noch Druck vom kleinen Koalitionspartner. Das ist wahrscheinlich für Sie nicht erfreulich, oder?

    Müntefering: Nun, Ströbele ist Ströbele. Manche Leute nutzen solche Gelegenheiten ja auch, sich dann in besonderer Weise zu zeigen. Ich finde angesichts der Dimension, um die es geht, die ja nicht vergleichbar ist mit Flick oder mit Kohl, ist die Art und Weise, wie sich einige gleich auf den höchsten Repräsentanten unseres Staates stürzen, schon ein bisschen seltsam.

    Ensminger: Bis Montag sollen ja SPD-Mandatsträger in Köln eine Ehrenerklärung abgeben. SPD-Fraktionschef Struck erwartet, dass die Sache dann, was die SPD zumindest angeht, bis Montag aufgeklärt ist. Und er befürchtet, dass noch mehr ans Tageslicht kommen wird. Befürchten Sie das auch?

    Müntefering: Montag wird der erste Schritt sein. Der Landesvorsitzende Harald Schartau hat richtigerweise alle Kölner Mandatsträger aufgefordert, sich zu erklären. Denn wir wissen ja in Wirklichkeit noch gar nicht, was geschehen ist. Die einzige angebliche Liste, die wir alle nicht kennen, ist von einem der Hauptbeschuldigten. Das heißt, man muss da erst mal zur Klärung beitragen. Das müssen die Mandatsträger jetzt tun, und dann wird das Präsidium der Partei in NRW am Montag entscheiden, was die nächsten Schritte sind und die werden dann in der nächsten Woche auch erkennbar sein. Die Frage, ob weiteres dazu kommt, das ist jetzt die Ebene der Spekulation. Natürlich: Man kann nichts ausschließen. Aber ich weiß auch nicht mehr, und deshalb an der Stelle: Vorsicht mit allen Spekulationen, ob dies oder jenes auch noch sein könnte. Ich habe keinerlei Anlass dafür.

    Ensminger: Jetzt gehen wir mal weg von den Spekulationen. Gestern - direkt nachdem Struck die Befürchtung ausgesprochen hat, dass noch mehr rauskomme, hat die Kölner SPD ein geheimes Konto, eine schwarze Kasse, gefunden, nämlich mit knapp 100.000 Euro drauf. Wissen Sie inzwischen genauer, was es damit auf sich hat?

    Müntefering: Nein, das weiß ich nicht. Man kann sich auch nicht zu jeder Sekunde da voll informieren, und deshalb kann ich dazu auch keine belastbare Aussage machen. Was wir getan haben ist: Wir haben unsere Innenrevision auf den Weg geschickt, wenige Stunden nachdem wir wussten, dass da was in Unordnung war. Wir arbeiten. Die brauchen dazu einige Tage. Die Innenrevision wird verstärkt, da wo es nötig ist. Es ist ein Wirtschaftsprüfer eingeschaltet und ich möchte jetzt von Leuten, die das intern geprüft haben, wissen, was passiert ist. Und dann kann man sich dazu äußern.

    Ensminger: Bis wann glauben Sie wissen Sie alles?

    Müntefering: Das weiß ich nicht, aber ich bin ganz sicher, dass wir noch im Verlaufe dieses Monats der Öffentlichkeit eine klare und deutliche Bilanz hinlegen. Ob das die Endbilanz ist, weiß ich nicht. Jedenfalls wird noch in diesem Monat eine Situation da sein, wo wir alles das beschreiben können, was wir heraus finden konnten. Und das werden ganz sicher Dinge von unterschiedlichem Gewicht sein. Und diejenigen, die die Hauptschuldigen sind, die müssen davon ausgehen, dass sie für die SPD und mit der SPD und in der SPD keine Chance haben, sich noch zu zeigen und aufzusteigen. Da werden wir anders mit umgehen als es die CDU/CSU mit Helmut Kohl getan hat.

    Ensminger: Nun beginnt morgen der SPD-Ost-Parteitag. In Sachsen-Anhalt wird in sechs Wochen gewählt. Misslich die Situation jetzt für SPD-Ministerpräsident Reinhard Höppner, oder?

    Müntefering: Ich glaube, dass die Menschen Köln und Magdeburg da schon unterscheiden können, und dass es keinen Grund gibt, die ganze Sozialdemokratie in Deutschland in Sippenhaft zu nehmen. So weit sind wir Gott sei Dank noch nicht, dass ist ja auch bei anderen Parteien nicht so gewesen. Es kommt darauf an, dass man das, was passiert ist, aufklärt, und dass man nicht davon ausgeht, dass das die allgemeine Regel ist. Ich bestehe schon darauf - und das ist auch wichtig, und dafür werbe ich auch - diese zweite deutsche Demokratie als Erfolgsstory hat eng zu tun mit den demokratischen Parteien. Und die, die da mitwirken, die Frauen und Männer, die haben zunächst mal Dank und Respekt und Anerkennung dafür verdient. Wir haben in Deutschland zu viele, die auf der Tribüne sitzen und zugucken, was alles nicht klappt. Und wir haben zu wenige, die die Ärmel hochkrempeln und mithelfen. Selbstkritik ist nötig, wir machen Fehler, es passieren Fehler. Aber Selbstbewusstsein ist auch wichtig, und das dürfen wir uns auch nicht nehmen lassen.

    Ensminger: Aber zumindest verdeckt die Kölner Affäre nun das Wahlkampfthema Aufbau Ost, oder?

    Müntefering: Das weiß ich nicht. Ich glaube, dass wir morgen auf dem Parteitag erleben werden, dass den Menschen der Solidarpakt zwei und die Effe-Mittel und die Lohnangleichung im Niveau und die Arbeitsplätze für die jungen und die älteren Menschen sehr viel wichtiger ist als das, was da geschehen ist. Ich will das nicht verkleinern in Köln, aber das ist doch eine ganz andere Dimension. Übrigens auch eine andere Dimension als die Tatsache, wenn ein ehemaliger und noch existierender Bundeskanzler damals gegen das Gesetz verstoßen hat.

    Ensminger: Nun hat das Beispiel Köln noch mal deutlich gezeigt, dass es unglaubliche Verflechtungen gibt zwischen der Wirtschaft und der Politik. Kommunalpolitische Spitzenleute haben nicht selten auch noch in irgendeinem Unternehmen eine Spitzenposition. Trienekens beispielsweise hat wichtige Posten in seinem Unternehmen mit aktiven Politikern besetzt. Müsste man da nicht grundsätzlich mal ansetzen?

    Müntefering: Also was die Verknüpfung angeht zwischen Politik und Wirtschaft, soweit das da um Spenden geht, die angesprochen sein könnten, sage ich: Spenden sind erlaubt, sie sind möglich, sie sind nützlich. Die Parteien sind auf Spenden angewiesen. Und da, wo solche Spenden ordentlich ausgewiesen werden, ist dagegen nichts zu sagen. So wie das in Wuppertal ja auch der Fall gewesen ist, da wurde ja gestern auch wieder versucht, etwas zu konstruieren und dann ist das ganze Kartenhaus der Verdächtigungen in sich zusammen gebrochen. Was die Vermischung von persönlichem Beruf und Politik angeht, da bin ich dafür, dass man da den Ehrenkodex der Politik noch einmal überprüft und da für Klarheit sorgt, damit es da gar keine Missverständnisse geben kann. Es ist ja bisher schon in allen Parlamenten so, dass die Mandatsträger offen legen müssen wie ihre Interessenlagen sind. Damit eindeutig ist, wo und für wen sie denn eventuell sprechen könnten. Und an diese Regel halten sich die Politiker in den Parlamenten in aller Regel auch. Auf der anderen Seite: Wir sind in einer Demokratie, in der man niemanden, nur weil er in einem bestimmten Unternehmen tätig ist oder für einen bestimmten Verband tätig ist, verbieten kann, ein freies Mandat zu erwerben. Wenn er das offen legt und es seinen Wählerinnen und Wählern sagt, und er wird gewählt, dann ist das eine Wahl, die intakt ist. Also, wir können ja nicht ein Berufsverbot sozusagen in umgekehrter Weise praktizieren.

    Ensminger: Nun wird ja viel vom Kölner Klüngel gesprochen. Aber diese Verflechtung zwischen Wirtschaft und Politik, die gibt es ja auch in anderen Kommunen. Fürchten Sie sich vor weiteren Enthüllungen auch in anderen Städten?

    Müntefering: Der Kölner Klüngel ist ja ein Begriff, der die Situation dort ganz sicher immer getroffen hat. Aber er ist auch eine Verniedlichung und deshalb gebrauche ich ihn auch nicht. Was da passiert ist, ist ganz klar kriminelles Handeln. Es ist Verstoß gegen Parteiengesetz, gegen Steuergesetz, und da muss in entsprechender Weise differenziert vorgegangen werden. Ob in anderen Orten, in anderen Städten auch so etwas vorgeht, das ist wieder die Ebene der Spekulation. Da kann man nicht gut und vernünftig darauf antworten, weil ich nichts weiteres weiß. Ich muss Ihnen allerdings sagen - und das gebe ich ja auch zu - wenn Sie mich am letzten Samstag gefragt hätten, ob es das in Köln gäbe, hätte ich gesagt: Nein. Da muss man klüger werden und auch einsehen, dass man vorsichtig sein muss mit solchen Aussagen.

    Ensminger: Also auch in anderen Städten eventuell?

    Müntefering: Nein, das bestätige ich Ihnen ausdrücklich nicht, weil ich weiß: Mit dieser Frage wird immer verbunden, dass man gesagt hätte, da sei eventuell noch was. Nein, ich weiß nichts. Und ich hoffe, dass auch nichts ist - weder bei uns noch bei anderen Parteien.

    Ensminger: SPD-Generalsekretär Franz Müntefering war das zum Kölner Spendenskandal. Das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.