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"Die Bundesrepublik attackiert niemanden mit Viren und Würmern"

Die Bündelung des Wissens über Angriffe auf Computernetze ist nach den Worten von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich die Hauptfunktion des Nationalen Cyber-Abwehrzentrums, das der CSU-Politiker heute in Bonn offiziell eröffnet. Das Zentrum hatte seine Arbeit am 1. April aufgenommen.

Hans-Peter Friedrich im Gespräch mit Friedbert Meurer | 16.06.2011
    Friedbert Meurer: Bislang hat Deutschland in einer Hinsicht Glück gehabt: Hier gab es noch keinen größeren Terroranschlag. Die meisten denken dabei an Selbstmordattentäter oder fern gezündete Bomben. Aber vielleicht ist etwas anderes noch effektiver, zum Beispiel die Kommunikationssoftware eines Flughafens außer Gefecht zu setzen, oder die Stromversorgung eines Kernkraftwerks durch einen Hackerangriff auszuschalten. Denkbar ist vieles. Experten warnen, ganze Industriestaaten ließen sich durch Viren und virtuelle Sprengsätze lahmlegen. In Bonn wird deswegen heute das Nationale Cyber-Abwehrzentrum eingeweiht. - Am Telefon Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Guten Morgen, Herr Friedrich.

    Hans-Peter Friedrich: Guten Morgen!

    Meurer: Welches Szenario eines Cyber-Angriffs aus dem Internet fürchten Sie ganz besonders?

    Friedrich: Na ja, da ist vieles denkbar. Aber Sie haben ja schon richtig beschrieben: der Angriff auf die sogenannte kritische Infrastruktur, also das, was unser öffentliches Leben bestimmt, Stromversorgung, Wasserversorgung, Kommunikation, Logistik, all das ist natürlich in der Lage, gigantische Schäden anzurichten, und das müssen wir verhindern und rechtzeitig auch Gegenmaßnahmen vornehmen und deswegen weihen wir heute dieses Nationale Cyber-Abwehrzentrum offiziell ein. Am 1. April hat es bereits mit ersten Beamten begonnen zu arbeiten.

    Meurer: Nun haben ja, Herr Friedrich, Behörden oder deutsche Firmen - um die geht es ja auch - natürlich ihre eigenen PC-System-Administratoren, die da Abwehrsysteme eingebaut haben. Wofür brauchen wir ein Nationales Cyber-Abwehrzentrum?

    Friedrich: Also genau darum geht es. Es gibt sowohl in den Behörden zunehmend eine Schwerpunktsetzung auf diesen Bereich Internet, in den Wirtschaftsunternehmen eine Schwerpunktsetzung in diesen Bereich, weil man weiß, da gibt es Gefahren. Und es geht bei diesem nationalen Abwehrzentrum darum, im Grunde alles Wissen, das wir haben, zu bündeln, eine gemeinsame Analyse vorzunehmen und auch dieses gemeinsame Wissen zur Abwehr allen zur Verfügung zu stellen, das heißt also sowohl den nationalen Sicherheitsbehörden, aber auch der Wirtschaft, soweit sie das will und abruft. Das ist im Grunde die Hauptfunktion dieses Cyber-Abwehrzentrums, eine Bündelungsfunktion des Wissens, das wir schon haben.

    Meurer: Nun gibt es ja Viren- und Hacker-Angriffe täglich zu Tausenden. Wann ist das ein Fall für das Abwehrzentrum?

    Friedrich: Wir haben eine Informationsstruktur, die ständig auch noch erweitert wird, die sicherstellt, dass wir möglichst viel Information über solche Angriffe bekommen - es gibt eine hohe Dunkelziffer -, und es werden dann aus verschiedenen Angriffsszenarien die interessantesten herausgesucht. Dann versucht man zu analysieren, wie diese Angriffe zusammengesetzt sind, und Instrumentarien zu entwickeln, wie man sie auch präventiv schon abwenden kann. Und dieses Wissen wird dann den Firmen, den Behörden zur Verfügung gestellt, sodass man also eine Abwehrmöglichkeit schon im Vorfeld entwickeln kann.

    Meurer: Da das Cyber-Abwehrzentrum, Herr Friedrich, schon seit April arbeitet, wer sind eigentlich die Urheber von Cyber-Attacken?

    Friedrich: Nun, das geht quer durch. Wir haben im Wesentlichen Angriffe natürlich krimineller Organisationen weltweit. Das sind zum einen Organisationen, die finanzielle Interessen haben, das heißt einfach Konten abgreifen, die Identität von Nutzern im Internet stehlen und damit finanzielle Schäden anrichten. Es gibt aber natürlich auch Organisationen, denen es nur darum geht, Schaden in den Staaten anzurichten, Schaden bei den Unternehmen anzurichten. Es gibt ein erhebliches Maß an Wirtschaftsspionage, deswegen sind auch unsere Unternehmen natürlich inzwischen sensibilisiert. Also eine Vielzahl von Motiven bis hin zu den sogenannten Hacktivisten, die einfach beweisen wollen, dass sie besser sind als das, was momentan auf dem Markt so existiert. Eine Vielzahl von Angreifern und Gefährdern, die man ernst nehmen muss.

    Meurer: Neben diesen Hacktivisten, also Einzelpersonen, wird ja gemutmaßt, dass Staaten auch dahinter stecken, und bekannt ist, dass China vorneweg dabei sein soll in Sachen Industriespionage. Was tun Sie dagegen?

    Friedrich: Nun, wir haben da keine Beweise, dass Staaten im Einzelnen auch dahinter stecken. Wir wissen, dass es in Asien erhebliche Aktivitäten gibt und auch erhebliche Schäden gibt, die da stattgefunden haben, auch von Asien in Richtung USA, in Richtung Europa, und um all das abzuwenden, unabhängig davon, wer der Urheber der Gefährdung ist, deswegen eine Cyber-Sicherheitsstrategie, die die Bundesregierung zu Beginn dieses Jahres verabschiedet hat, und das Cyber-Abwehrzentrum ist eines, und zwar ein wichtiges Element in dieser Cyber-Strategie, mit der wir versuchen, auch international mit unseren Partnern gemeinsam solche Cyber-Attacken abzuwehren.

    Meurer: Vor Kurzem wurde bekannt, dass der Computer-Wurm Stuxnet ein iranisches Atomkraftwerk beschädigt hat. Dahinter könnte Israel gesteckt haben. Attackiert, Herr Friedrich, die Bundesrepublik umgekehrt die Computernetze anderer Länder auch mit Viren und Würmern?

    Friedrich: Nein! Also die Bundesrepublik attackiert ...

    Meurer: Sie wollen es nicht sagen, weil es geheim ist.

    Friedrich: Die Bundesrepublik attackiert niemanden mit Viren und Würmern. Nein! Aber Sie weisen zurecht darauf hin, dass mit diesem Angriff auf ein Netz, das nicht online ist, das also nicht verbunden ist mit dem üblichen Internet, natürlich eine neue Dimension beschritten worden ist. Von dem öffentlichen Netz getrennte Netze, die man bisher für sicher gehalten hat, sind also auch angreifbar. Das hat, glaube ich, dieser Virus gezeigt. Und deswegen sind wir natürlich besonders sensibel.