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"Die Bundeswehr ist ausgelastet bis zur Oberkante"

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, hat einen so genannten robusten Bundeswehr-Einsatz mit über 500 Soldaten im Kongo abgelehnt. Eine kleine Mission läge jedoch durchaus im Rahmen dessen, was die Bundeswehr leisten könne, erklärte der SPD-Politiker. Angesichts des Engagements der Truppe in vielen Teilen der Erde, werde es nicht leicht, die Soldaten von einer Mission im Kongo zu überzeugen.

Moderation: Doris Simon |
    Doris Simon: Die Mission ist so heikel wie das Thema. Europäische Soldaten sollen in den Kongo, um dort zu helfen, freie Wahlen zu gewährleisten. Mit dieser Bitte hatte sich der stellvertretende UN-Generalsekretär Jean-Marie Guehenno Ende Dezember an die EU gewandt. Gestern und heute ist der Mann nun in Brüssel, um die UN-Wünsche genauer zu erläutern. Prinzipiell ist man bei der EU bereit zum Kongo-Einsatz, aber die Bedenken wachsen, sobald es in die Einzelheiten geht. Der Kongo ist eines der unsichersten Länder der Erde. Es gibt vor allem im Osten noch viele bewaffnete und unberechenbare Milizen und immer wieder werden Soldaten der dort bereits stationierten UN-Friedenstruppen umgebracht. – Am Telefon ist nun der Wehrbeauftragte Reinhold Robbe. Guten Morgen!

    Reinhold Robbe: Guten Morgen! Ich Grüße Sie!

    Simon: Herr Robbe, können Sie sich vorstellen, dass noch in diesem Jahr deutsche Bundeswehrsoldaten Dienst im Kongo tun?

    Robbe: Wenn Sie die Frage so pauschal stellen, dann muss ich sagen kann ich mir viel vorstellen. Allerdings hängt das sehr davon ab, wie die Konditionen aussehen werden, die jetzt im Augenblick mehr hinter verschlossenen Türen diskutiert werden. Ich muss in aller Deutlichkeit feststellen, dass ich mir einen großen, so genannten robusten Einsatz – ich will mal eine Größenordnung nennen – mit einer deutschen Beteiligung von sagen wir mal über 500 bis etwa 1000 Soldaten überhaupt nicht vorstellen kann. Eine kleine Mission hingegen mit einigen Spezialisten, die dann vor allen Dingen beobachtende Funktionen haben, wäre durchaus im Rahmen dessen, was die Bundeswehr zu leisten in der Lage wäre.

    Simon: Wenn Sie von Spezialisten und einigen wenigen sprechen, sind denn selbst diese Spezialisten gerüstet, wenn sie im Kongo – das kann ja passieren – auf einmal bewaffneten Kindersoldaten gegenüber stehen?

    Robbe: Wissen Sie im Augenblick können wir dazu relativ wenig sagen, weil wir nicht wissen, wie die Anforderungen der Vereinten Nationen sein werden an die Europäische Union, und weil wir auch nicht wissen, wie sich die einzelnen Bündnispartner innerhalb der Europäischen Union verhalten. Da sind alle möglichen Szenarien im Augenblick in der Diskussion und ich bin in Grunde sehr beruhigt darüber, dass alle Fraktionen im deutschen Bundestag festgestellt haben, dass man sehr, sehr vorsichtig ist mit Blick auf eine deutsche Beteiligung, weil es sehr viele Risiken mit sich bringt. Sie haben ein ganz gewichtiges Stichwort genannt, nämlich marodierende Kindersoldaten, die es im Kongo gibt, auf die man eingestellt sein muss und auf die die deutsche Bundeswehr überhaupt nicht eingestellt ist.

    Simon: Herr Robbe, Sie stehen als Wehrbeauftragter ständig im Kontakt zu den Soldaten. Wie schwierig wird es, die Soldaten davon zu überzeugen, dass so ein Einsatz notwendig sein könnte?

    Robbe: Nun es wird nicht einfach sein - ich will das ganz vorsichtig sagen -, weil wir im Augenblick in der Bundeswehr in einer sehr schwierigen Situation sind. Wir sind in vielen Teilen der Erde bereits engagiert. Die Bundeswehr ist ausgelastet bis zur Oberkante. Wir stehen vor gewaltigen Aufgaben, was die weitere Reform der Bundeswehr angeht. Wir haben im Innland bereits erhebliche Defizite zu verzeichnen, weil die Auslandseinsätze so umfangreich bestückt werden müssen, und da haben natürlich auch die Soldaten ihre Sorgen mit Blick auf die Sicherstellung ihres Auftrages, aber natürlich auch mit Blick auf ihre ganz persönliche Situation. Es gibt viele Bereiche – ich nenne die Sanität, ich nenne Pioniere, ich nenne andere Fachbereiche -, wo bereits jetzt eine Überlastung der Bundeswehr ganz klar festzustellen ist, und das muss ich als Wehrbeauftragter selbstverständlich auch mit aller Deutlichkeit sagen in so einer Situation.

    Simon: Würden Sie sagen, dass die Politik da im Augenblick zu weit vorprescht, ohne zu sehen, wie die Lage in den Armeen zu Hause ist?

    Robbe: Nein, das würde ich nicht sagen. Ganz im Gegenteil! Ich habe in Gesprächen mit dem Bundesverteidigungsminister, auch mit der Bundeskanzlerin ganz deutlich feststellen können, dass man die Situation, wie ich sie gerade beschrieben habe, sehr deutlich erkannt hat und dass alle Verantwortlichen in der deutschen Politik im Grunde wissen um die Situation und sich deswegen auch sehr vorsichtig, sehr abwartend verhalten mit Blick auf die Forderungen der Vereinten Nationen, was den Einsatz im Kongo angeht. Dabei will ich überhaupt nicht verkennen, dass natürlich die Europäische Union durchaus eine Verantwortung hat, aber ich sage auch, es gibt Kolonialländer in Europa, die eine Vergangenheit haben auch in Afrika, die auch von daher viel besser gerüstet sind auf mögliche Einsätze im Kongo. Es hat also nichts damit zu tun, dass es wichtig ist, das Land zu unterstützen. Kongo steht vor wichtigen freien, demokratischen Wahlen. Das muss auch die Europäische Union erkennen. Meine Aufgabe ist es, darauf hinzuweisen, dass die Bundeswehr nicht alles kann, dass sie nur sehr beschränkt über das hinaus, was sie jetzt schon tut, eingesetzt werden kann, und das tue ich auch jeden Tag und in aller Deutlichkeit.

    Simon: Herr Robbe, in diesen Tagen gibt es Unruhe in der Bundeswehr auch auf oberster Ebene und das hat nun auch den Bundestag erreicht. Der stellvertretende Inspekteur des Heeres Jürgen Ruwe hat schwere Vorwürfe gegen Verteidigungsminister Jung erhoben und das in einem Brief an den Bundestag, in der Bundeswehr würden in eklatanter Weise die Grundsätze der inneren Führung verletzt. Da muss man zum Hintergrund vielleicht sagen, dass General Ruwe wie auch General Hans-Heinrich Dieter gegen die Absichten des Generalinspekteurs Schneiderhan stehen, der die Führungsstruktur der Streitkräfte entscheidend verändern will. Trotzdem ist das ein außergewöhnlicher Vorfall. Werden Sie in diesem Fall intervenieren?

    Robbe: Es geht nicht um die Frage, ob ich in dieser Frage interveniere. Ich kann, um das ganz deutlich zu sagen, keinen eklatanten Verstoß gegen die Grundsätze, gegen Geist und Inhalt der inneren Führung, so pauschal feststellen, wie das behauptet worden ist. Im Übrigen sind beide von Ihnen genannten Generäle jetzt in einem schwebenden Verfahren. Selbstverständlich bin ich auch mit dieser Sache tangiert, aber Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich in der Öffentlichkeit nicht zu diesen beiden Fällen Stellung nehmen kann und Stellung nehmen will. Dazu bedarf es interner Vereinbarungen beziehungsweise interner Diskussionen. Das kann ich nicht in der Öffentlichkeit machen.

    Simon: Noch zum Hintergrund. Den beiden Generälen droht die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand. Davon wird geredet. Das heißt also, wenn ich das zusammenfasse, was Sie sagen, das was manchmal jetzt durchklingt, es gibt keinen veränderten Ton nach dem Amtsantritt von Verteidigungsminister Jung?

    Robbe: Ich kann beim Verteidigungsminister Franz-Josef Jung feststellen, dass er eine Kontinuität an den Tag legt. In allen wesentlichen wichtigen inhaltlichen Fragen knüpft er nahtlos dort an, wo Peter Struck praktisch aufgehört hat, und das ist gut für die Soldaten zu wissen. Die Soldaten brauchen Planungssicherheit. Sie müssen wissen, dass sie sich auf die Politik verlassen können. Es ist wichtig, dass das, was gestern gesagt worden ist, auch morgen noch Gültigkeit hat. Die Soldaten dürfen glaube ich ganz sicher sein, dass diese Kontinuität auch in Zukunft Gültigkeit hat. Ich bin zumindest fest davon überzeugt.