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Die Bundeswehr soll Sicherheit in den Kundus bringen

Doris Simon: In Kundus im Norden Afghanistans sind die Erwartungen der Menschen groß vor der Ankunft der deutschen ISAF-Soldaten. Ruhe und Sicherheit sollen sie bringen und den Wiederaufbau voran treiben, soweit die Hoffnung vor Ort. Vor dieser Sendung hatte ich Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem afghanischen Minister für Wiederaufbau Amin Farhang. Ich fragte ihn zuerst, was sich die afghanische Regierung vom deutschen Einsatz außerhalb Kabuls erwartet.

Doris Simon |
    Amin Farhang: Also, der Sinn dieses Einsatzes besteht darin, dass die ISAF-Truppen außerhalb von Kabul ausgeweitet werden, um in einigen Regionen in Afghanistan in den Provinzen für die Sicherheit und für den Widderaufbau zu sorgen. Wir wissen, dass nach dem Sturz des Taliban-Regimes und nachdem die Übergangsregierung die Macht übernommen hat, die Sicherheitslage nicht so unter Kontrolle gekommen war, wie das vorgesehen war. Deshalb hat man ein Konzept entwickelt, bei dem diese PRTs, das heißt, diese regionalen Wiederaufbauprogrammteams in verschiedenen Hauptprovinzen Afghanistans eingesetzt werden, damit einerseits die Soldaten dort sich am Wiederaufbau beteiligen und auf der anderen Seite auch für die Sicherheit sorgen. Allein die Präsenz dieser Truppen hat einen großen psychologischen Einfluss für die Sicherheit in diesen Regionen.

    Simon: Nun ist es so, dass Kundus innerhalb Afghanistans als Region gilt, die relativ sicher ist. Viel unsicherer sind Gebiete im Osten und im Süden Afghanistans. Dort leben die Menschen auch in noch viel größeren Problemen. Sehen Sie Chancen, das auch dorthin einmal ISAF-Truppen gehen werden?

    Farhang: Man hat mit dem ersten PRT im Süden angefangen. Man muss unterscheiden zwischen zwei Unsicherheitsfaktoren in Afghanistan: Auf der einen Seite sind es fremde Elemente, sagen wir die Rest-Taliban oder ein Teil der Elemente, die aus dem Nachbarland Pakistan nach Afghanistan kommen und die Lage destabilisieren und Unsicherheit bringen. Hier ist die internationale Weltgemeinschaft, die Koalition gegen den internationalen Terrorismus gerufen. Sie muss was tun und ich hoffe, dass die Amerikaner und die Verbündeten in dieser Hinsicht sowohl politisch als auch militärisch was unternehmen. Der zweite Unsicherheitsfaktor ist ein afghanischer Faktor, das sind die internen Kämpfe zwischen den Warlords. Das sind Machtkämpfe und hier ist die afghanische Regierung verpflichtet, dafür zu sorgen, dass diese Leute ausgeschaltet werden. Und wenn das nicht gelingt, und so sieht es aus, dann kann man in Form von PRTs und einer Kombination von Wiederaufbau- und Sicherheitskräften aus den ISAF-Truppen für Sicherheit sorgen. Und dieses Beispiel kann zu guten Ergebnissen führen.

    Simon: Sie sagen also ganz klar, Herr Farhang, Sie und die Zentralregierung in Kabul sind einfach nicht in der Lage, die Warlords, wo auch immer sie in Afghanistan regieren, zu mäßigen?

    Farhang: Wir haben von Anfang an bis jetzt versucht, mit friedlichen Mitteln, mit Dialog, mit Verständigung diese Leute davon zu überzeugen, dass die Sicherheit das höchste Gut heute für Afghanistan ist. Aber es sind Leute, die das überhaupt nicht verstehen. Und so lange die afghanische nationale Armee nicht gebildet ist und die Polizei nicht da ist, sind wir angewiesen auf Hilfe. Und diese Hilfe, die ist auf dem Petersberg beschlossen worden. Und davon wollen wir Gebrauch machen, damit Afghanistan nicht wieder in die Hände der Terroristen fällt.

    Simon: Haben Sie den Eindruck, dass man Ihre Bitten um Hilfe ernst genug nimmt im Ausland oder ist das in Folge des Irakkrieges, ist Afghanistan da etwas ins Abseits gerückt?

    Farhang: Nein, ich glaube, dass die Weltgemeinschaft es ernst meint mit Afghanistan. Das wurde auch mehrfach betont, sowohl von der Seite der Amerikaner als auch von der NATO-Seite und von den Europäern. Man kann sich nicht leisten, dass Afghanistan wieder eine Brutstätte für den internationalen Terrorismus wird. Das Problem ist ernst genug, dass man das genau unter Kontrolle bringt.

    Simon: Es gibt in Deutschland nicht nur die Diskussion um die Sicherheit der ISAF-Truppe in Kundus, weil das jawohl in relativ sicheres Gebiet ist. Es gibt auch eine zweite Diskussion und zwar um den massiven Anbau von Schlafmohn in dieser Gegend, aus dem Heroin gewonnen wird. Sehen Sie da nicht Probleme auf die Truppe zukommen, die dort mit den Warlords, die hinter diesen Heroinproduktionen stehen, in irgendeiner Form ja auskommen müssen?

    Farhang: Also, man muss hier unterscheiden genau zwischen den PRTs in dieser Form, die praktiziert werden, und den Kampf gegen den Anbau von Drogen und Mohn und so. Für diesen Kampf gibt es andere Maßnahmen anzuwenden. Wir haben in Afghanistan Konzepte dafür entwickelt. Es gibt mehrere Möglichkeiten, mehrere Optionen, aber die ISAF-Truppen und die PRTs, die haben andere Aufgaben zu bewältigen. Die werden sich nicht näher mit dem Problem Drogen beschäftigen.

    Simon: Meinen Sie, das wird auch möglich sein, wenn zum Beispiel im deutschen Fernsehen Bilder gezeigt werden von deutschen ISAF-Truppen vor rotblühenden Schlafmohnfeldern?

    Farhang: Ich bin der Meinung, wenn die deutschen Soldaten in der Gegend sind und die Bauern dann sehen, dass es dort Kräfte gibt, die das alles sehen, dann werden sie ein bisschen vorsichtiger werden. Das wird einen großen Abschreckungseffekt haben und das finde ich auch gut so.

    Simon: Herr Minister, was ist das nächste Projekt, jetzt, wo die Deutschen nun endlich kommen, was ist die nächste große Aufgabe für Ihre Regierung?

    Farhang: Für unsere Regierung ist nach wie vor die Sicherheit die größte Aufgabe, daneben natürlich der Wiederaufbau auf allen Gebieten. Wir sind jetzt sehr intensiv beschäftigt mit dem politischen Wiederaufbau des Landes. Aber gleichzeitig sind wir dabei, unsere großen Prioritäten, also die Projekte, die sehr wichtig sind, in die Tat umzusetzen: Straßenbau, Landwirtschaft, Energiegewinnung und andere, die wir der Weltgemeinschaft der Geberländer vorgelegt haben.

    Simon: Es ist zu Beginn Ihrer Regierung viel gesagt und geschrieben worden über die Probleme innerhalb der afghanischen Regierung, die sich ja aus Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft und ganz unterschiedlicher Ethnien zusammensetzt. Wie funktioniert das inzwischen, klappt das besser?

    Farhang: Natürlich gibt es Probleme, wie bei jeder Regierung. Hinzu kommt bei uns, dass da bestimmte politische Gruppierungen mit unterschiedlichen Zielen, Machtkämpfe und so, dass gibt es bei uns. In Bonn vor fast zwei Jahren war das Ziel die Bildung einer nationalen Einheitsregierung. Das hat gut funktioniert. Aber jetzt, wo die Wahlen bevor stehen, da kommen diese politischen Richtungen mehr in Erscheinung. Wir versuchen, zum Konsens zu kommen, aber ob es uns gelingt, das ist eine andere Frage. Wir müssen diesen Weg gehen, wir müssen die Demokratie in Afghanistan wieder einführen, auch wenn das mit Rückschlägen verbunden ist. Wir dürfen unseren Weg nicht ändern.