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"Die CDU bleibt eine liberale Großstadtpartei"

Sechs Wochen vor der Bürgerschaftswahl in Hamburg glaubt der amtierende Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) auch nach den jüngsten Umfragewerten noch an einen offenen Wahlausgang. Eine Wiederauflage mit Schwarz-Grün schließt Ahlhaus jedoch aus.

Christoph Ahlhaus im Gespräch mit Verena Herb | 09.01.2011
    Verena Herb: Herr Ahlhaus, alle Meinungsforscher prophezeien Ihr Ende als Bürgermeister. Gilt jetzt für Sie im Hinblick auf den 20. Februar das Prinzip Hoffnung?

    Christoph Ahlhaus: Also, zunächst mal ein Satz, der schon oft gesprochen worden ist, aber der wahr ist: Die Wahl wird am 20. Februar von den Wählerinnen und Wählern in Hamburg entschieden und nicht von irgendwelchen Umfragen. Ich nutze die Gelegenheit bis dahin, werde mit vielen Menschen ins Gespräch kommen. Und dort, wo ich unterwegs bin - ich bin viel in diesen Tagen unterwegs -, nehme ich nämlich eine sehr, sehr gute und positive Stimmung wahr. Das gibt mir auch den Ansporn, richtig zu kämpfen. Und ich glaube, der Wahlausgang ist nach wie vor offen.

    Herb: Ich würde trotzdem gerne über die Umfragen sprechen, denn die neuesten Umfragen bescheren der CDU in Hamburg gerade mal zwischen 22 bis 24 Prozent. Während Sie und Ihre Partei nach dem Bruch der Koalition massiv an Unterstützung verloren haben, gewinnen die Grünen hinzu. Welche Fehler haben Sie gemacht?

    Ahlhaus: Also zunächst einmal ist es richtig, dass die Grünen offensichtlich von ihrer Flucht aus der Verantwortung profitieren. Das finde ich bemerkenswert, denn immerhin waren es die Grünen, die zunächst zwar ein Haushaltspaket, ein Sparpaket mit beschlossen haben, dann aber gesagt haben, sie wollen mit der Umsetzung nichts mehr zu tun haben, und jetzt opponieren sie gegen diese Entscheidung. Das ist nicht besonders glaubwürdig. Aber die CDU muss daraus die Konsequenz und auch die Lehre ziehen, dass eine allzu starke Kompromisssuche auch bei einem Koalitionspartner, wo ein besonders starkes Aufeinanderzugehen erforderlich ist, am Ende möglicherweise der CDU teuer zu stehen kommt. Das ist die Lehre, die wir auch aus den vergangenen zweieinhalb Jahren ziehen müssen.

    Herb: Was bedeutet das inhaltlich? Ist es tatsächlich so, dass, was häufiger auch gesagt wurde seitens Ihrer Parteianhänger, dass da "der Schwanz mit dem Hund gewedelt" hat?

    Ahlhaus: So weit würde ich nicht gehen, denn wir haben ja viele Themen gehabt, wo die CDU auch klar sich durchgesetzt hat: Das Kraftwerk Moorburg ist gebaut worden, was die Grünen nicht wollten, wir sind aktiv und engagiert beim Thema "Elbvertiefung" mit dabei, die kommt im Jahr 2011, also dieses Jahr. Und nehmen Sie das Thema "Innere Sicherheit", wo ich als Senator Verantwortung hatte über zwei Jahre, auch dort hat die CDU sich durchgesetzt. Aber zum Beispiel beim Thema Schule, bei einem Thema, was in grüner Regierungsverantwortung gelegen hat, dort ist die CDU sehr weit den Grünen inhaltlich entgegen gekommen, und dafür ist sie vom Wähler bestraft worden.

    Herb: Ist es denn so, gerade weil die CDU eine gewisse Kompromissbereitschaft gezeigt hat, dass man nun im Rückkehrschluss sagen könnte: Der Kurs, den Ole von Beust damals in der CDU vorgegeben hat, dass der falsch war?

    Ahlhaus: Überhaupt nicht. Die Entwicklung der CDU zu einer modernen und offenen und liberalen Großstadtpartei war richtig. Neun Jahre Regierungsverantwortung unter Ole von Beust waren erfolgreiche Jahre für diese Stadt, außerordentlich erfolgreiche Jahre auch für die CDU. Ole von Beust hat zum ersten Mal die absolute Mehrheit für die CDU in dieser Stadt errungen, das war über Jahrzehnte überhaupt nicht denkbar. Und deswegen glaube ich vielmehr, dass gerade Ole von Beust über Jahre der Erfolgsgarant auch für die CDU in Hamburg gewesen ist. Richtig ist aber auch, dass beim Thema Schule wir viel Vertrauen verloren haben, weil wir den Grünen zu weit entgegen gekommen sind.

    Herb: "Schule" ist ein gutes Stichwort. Die Situation ist jetzt eine ganz andere, Sie müssen massiv um Wähler buhlen. Nun haben Sie Walter Scheuerl ins Boot geholt, der im Sommer noch der erbittertste Gegner der CDU war - als Initiator des Volksentscheids über die Schulreform. Jetzt bekommt er als Parteiloser einen prominenten CDU-Listenplatz. Was erhoffen Sie sich davon?

    Ahlhaus: Also zunächst mal habe ich diese Einladung an Walter Scheuerl auch deshalb ausgesprochen, weil er genau für die Schulpolitik steht, für die die CDU Jahre und Jahrzehnte auch in Hamburg gestanden ist. Und er ist ein guter Kenner, er ist ein Profi im Überzeugen von Meinungen, von Menschen. Und deswegen haben wir gesagt, er passt zu uns, weil nach dem Bruch der Koalition wir auch gerade in der Schulpolitik wieder zu unseren alten Idealen zurückgekehrt sind. Und warum soll er nicht auf der CDU-Liste antreten, wenn das, was ihm wichtig ist, nämlich eine vernünftige Schulpolitik aus seiner Sicht, vor allem durch die CDU garantiert wird.

    Herb: Aber er ist ja auch in Ihrer Partei nicht ganz unumstritten. Man könnte sagen, der Schuss könnte ja auch nach hinten losgehen. Sie selbst haben gesagt, man könne Scheuerl als Parteilosen keinen Maulkorb verpassen. Jetzt hat er prompt gesagt, Ole von Beust solle sich besser aus dem Wahlkampf für die CDU raushalten. Könnte es nicht sein, dass Sie sich mit Walter Scheuerl ein "Kuckucksei" ins Nest geholt haben?

    Ahlhaus: Das glaube ich überhaupt nicht. Aber die CDU ist eine große Volkspartei, da gibt es auch unterschiedliche Meinungen, und die bekommen alle keinen Maulkorb. Nun, wir sind eine Partei, die, wenn es nötig ist, diskutiert, aber auch nicht Diskussionen und Streit auf Krampf macht. Und ich habe überhaupt nicht die Erwartung, dass wir hier einen Streit um Walter Scheuerl bekommen, sondern ganz im Gegenteil. Walter Scheuerl steht für eine Schulpolitik, die die CDU im Jahr 2011 auch will. Und deswegen ist er auf der CDU-Liste auf dem richtigen Platz.

    Herb: Herr Ahlhaus, Sie stehen vor einem Problem, dass viele Hamburgerinnen und Hamburger nicht mehr so richtig wissen, wofür steht die CDU eigentlich? Sie haben es schon angesprochen: Unter Ole von Beust die liberale Großstadtpartei, Sie haben versucht, das konservativere Profil der Partei zu stärken. Doch so richtig weiß niemand, wo der christdemokratische Hase so hinläuft.

    Ahlhaus: Also als Innensenator war es meine Aufgabe, für Sicherheit in dieser Stadt zu sorgen. Da gilt man schnell als "Hardliner". Ich bin aber auch der Meinung, dass es richtig ist, gerade im Umgang mit Straftätern, mit Chaoten "harte Kante" zu zeigen, das muss auch weiterhin Markenzeichen der CDU bleiben, dafür stehe ich auch ganz persönlich. Aber das heißt nicht das Ende der CDU als liberale Großstadtpartei, ganz im Gegenteil, denn diese sehr stringente Innenpolitik hat ja auch zunächst wunderbar harmoniert in einer schwarz-grünen Regierung unter Führung von Ole von Beust. Das heißt, das schließt sich nicht aus: Die CDU bleibt eine liberale Großstadtpartei, aber konsequent im Eintreten für Bürgerinteressen. Dazu gehört eben auch zum Beispiel die Sicherheit. Aber natürlich kämpfen wir auch um Arbeitsplätze. Und was mir ganz besonders auch persönlich wichtig ist: Ich spüre in der Stadt in vielen Gesprächen, dass die Menschen die Nase voll haben von Ideologen und von irgendwelchen Dingen, die ihnen vorgeschrieben werden - von Menschen, von Politikern, die glauben, sie wüssten alles besser. Damit muss Schluss sein. Wir müssen in einen anderen, in einen neuen Dialog mit den Menschen in dieser Stadt kommen.

    Herb: Bei welchen Themen, glauben Sie, ist das so, dass die Politik da sehr von Ideologie geprägt ist?

    Ahlhaus: Nehmen Sie das Thema Umweltpolitik. Hamburg ist Umwelthauptstadt, europäische Umwelthauptstadt im Jahr 2011. Das ist eine große Chance. Jetzt kommt es darauf an, die Menschen dabei mitzunehmen. Das ist viel zu wenig geschehen in der Vorbereitung auf dieses Jahr. Und es muss eine Aufgabe sein der Politik im Jahr 2011, den Menschen zu erklären, welche Chancen damit für Hamburg verbunden sind. Das macht man eben nicht mit Verboten, mit Gängeleien, mit Umweltzonen, mit Citymaut, wie sie die Grünen fordern, sondern indem man klar macht: Umwelthauptstadt heißt, dass hier in der wichtigsten Zukunftsbranche des 21. Jahrhunderts die Musik spielen kann, wenn wir es zulassen, wenn wir Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass sich die wichtigste Zukunftsbranche hier ansiedeln kann - mittelständische Unternehmen genau so wie Großkonzerne wie Siemens. Und wer hier aus ideologischen Gründen sagt: "Wenn Siemens hier Arbeitsplätze schafft, das ist etwas ganz Schlimmes, dass die auch noch Partner der Umwelthauptstadt sind", der hat nicht kapiert, worum es geht. Umwelthauptstadt ist eine große Chance für Hamburg, die müssen wir nutzen ohne ideologische Scheuklappen.

    Herb: Wobei die Kritik ja jetzt nicht von Ihrem ehemaligen Koalitionspartner kommt, auf den Sie jetzt gerade anspielen bei dem Problem. Und man muss ja auch sagen, dass sie und die CDU - Umwelthauptstadt -, dass man diese Auszeichnung bekommen möchte, auch mit getragen hat, dass man sich in diesen Wettbewerb begeben hat.

    Ahlhaus: Es ist richtig, die Kritik an Siemens kam vom BUND. Aber sie war auch bei den Grünen nicht unumstritten, dass Siemens Partner wird der Umwelthauptstadt. Ich habe die Gespräche geführt, ich weiß das. Und da ist ein Denken, das ist mir zu viel von Ideologie geprägt und zu wenig von der Vision, wie wir diese Stadt lebenswert und kraftvoll weiter entwickeln können. Und ich glaube, diese ideologischen Scheuklappen passen nicht in eine Zeit, wo Hamburg vor riesigen Herausforderungen steht.

    Herb: Sie hören den Deutschlandfunk, das Interview der Woche, heute mit Christoph Ahlhaus, dem Ersten Bürgermeister von Hamburg. Herr Ahlhaus, ich würde gerne noch mal zu unserem Anfang zurückkommen. Sie bauen jetzt im Wahlkampf auf Ihre CDU-Kernwählerschaft, sie wollen die Bürgerlichen wieder erreichen. Das versuchen Sie wahrscheinlich auch dadurch, dass Sie Walter Scheuerl mit in Ihre Reihen nehmen. Nun liegt das Potential der CDU-Pur-Wählerschaft traditionell in Hamburg bei unter 30 Prozent. Warum gehen Sie jetzt quasi die "Rolle rückwärts" und beziehen sich wieder auf Ihre ursprünglichen Wurzeln?

    Ahlhaus: Wir gehen keine Rolle rückwärts, sondern wir haben verstanden, dass wir beim Thema Schulpolitik zu weit gegangen sind, und zwar haben wir uns hier von einer Linie entfernt. Und zu erkennen, dass man auf einem Irrweg ist, ist nicht Rolle rückwärts, sondern das ist der Blick nach vorn.

    Herb: Es sind noch sechs Wochen bis zur Wahl. Es zeichnet sich ab, es wird auch ein thematischer Wahlkampf, aber vor allem auch ein Personenwahlkampf. Wenn morgen Wahl wäre, würden 19 Prozent Herrn Ahlhaus zum Bürgermeister wählen, Olaf Scholz, Ihren Herausforderer, würden 66 Prozent wählen. Im Interview mit der BILD AM SONNTAG haben Sie fast schon für Olaf Scholz geworben, kann man sagen. Sie haben gesagt, Sie trauen ihm das Amt des Bürgermeisters persönlich zu. Bauen Sie jetzt auf die Junior-Partnerschaft in einer großen Koalition?

    Ahlhaus: Also zunächst einmal halte ich überhaupt nichts davon, wenn in einem Wahlkampf die Spitzenkandidaten übereinander herfallen und sich gegenseitig jegliche Kompetenz absprechen. Das tut Herr Scholz nicht mit mir, und genau so tue ich es auch nicht mit ihm. Ich glaube, und das sage ich hier auch noch mal ganz deutlich: Wir beide haben das Zeug dazu, Hamburger Bürgermeister zu sein. Die Frage ist aber: Wer macht's besser? Und ich glaube, die CDU und auch ich persönlich haben die besseren Antworten für diese Stadt. Und ich bin ja nun auch nicht völlig jenseits von irgendeiner Realität, deswegen weiß ich ja auch, dass es schwierig werden wird für die CDU, eine absolute Mehrheit zu erreichen. Das heißt, in der Tat wird man nach der Wahl schauen müssen, mit wem man eine Zusammenarbeit, eine Koalition anstreben kann. Aber das sind natürlich keine Dinge, die man beschließen, besprechen oder auch nur prognostizieren kann, bevor der Wähler gesprochen hat. Erst hat der Wähler das Wort, und dann muss die Politik, müssen die Politiker das Beste für die Stadt draus machen

    Herb: Aber lassen Sie uns mal ganz rational darüber nachdenken. Zum jetzigen Zeitpunkt scheint es ja die einzige Möglichkeit für die Christdemokraten zu sein, mit der SPD zu koalieren, um Regierungspartei zu werden, denn eine Wiederauflage mit Schwarz-Grün haben Sie ausgeschlossen für dieses Jahr oder ab diesem Jahr. Mit den Linken koalieren Sie nicht, und bei der FDP muss man ja abwarten, ob sie überhaupt die Fünf-Prozent-Hürde überspringen. Also bleibt ja nur diese eine Option.

    Ahlhaus: Das scheint so zu sein. Wenn es so ist, dann werde ich mich natürlich Gesprächen mit der SPD nicht verschließen, dazu habe ich gar keinen Grund. Aber ob die Konstellation so ist, dass es zu Gesprächen kommt, das entscheidet der Wähler.

    Herb: Sie haben es vorhin schon angesprochen, lassen Sie uns deswegen über ein für Hamburg besonders wichtiges Thema sprechen, nämlich die Elbvertiefung. Sie zeigen sich zuversichtlich, dass in diesem Jahr mit den Arbeiten begonnen werden kann. Die Nachbarländer - vor allem Niedersachsen ist nicht ganz so überzeugt und sieht das ganz anders.

    Ahlhaus: Ich sehe das nicht so, dass Niedersachsen das anders sieht. Ich habe viele Gespräche auch mit meinem Kollegen, mit dem Ministerpräsidenten David McAllister, darüber geführt. Auch Niedersachsen weiß, dass ein wettbewerbsfähiger Hamburger Hafen unverzichtbar für die deutsche, für die norddeutsche, aber auch für die deutsche Wirtschaft insgesamt ist. Und deswegen wird es jetzt darauf ankommen, dass wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen, mit dem Bund zusammen dafür zu sorgen, dass Hamburg der wettbewerbsfähige Hafen für Deutschland bleibt. Und da würde ich mir allerdings vom Bund manchmal noch etwas mehr Esprit und mehr Elan wünschen, das ist richtig.

    Herb: Sie sagen es gerade, aus Berlin, beim Bund, da bekommen Sie keine Unterstützung für dieses Vorhaben …

    Ahlhaus: Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, ich könnte mir manchmal etwas mehr Geschwindigkeit wünschen. Und es gibt natürlich Diskussionen, in welcher Reihenfolge welche Teile von Verfahrensschritten abzuarbeiten sind. Und da dränge ich auf Beschleunigung, während der Bund alles sehr - sage ich mal - etwas zu bürokratisch abarbeitet. Aber dass uns hier irgendwelche Hindernisse in den Weg gelegt werden, das sehe ich überhaupt nicht.

    Herb: Man könnte es aber auch so sehen, dass Hamburg oder die Interessen gerade der norddeutschen Länder, Hamburg im Speziellen jetzt mit dem Hafen, in Berlin keine Rolle spielen.

    Ahlhaus: Das ist nicht richtig. Wir werden gehört und wir haben auch die Unterstützung. Richtig ist aber auch, dass die norddeutschen Länder sich, glaube ich, etwas selbstbewusster künftig aufstellen müssen, gemeinsam im Schulterschluss. Und das hat übrigens überhaupt nichts mit irgendwelchen Parteizugehörigkeiten zu tun, um eine gewisse Südlastigkeit, die ich schon feststelle bei Investitionsvorhaben des Bundes, künftig etwas gerechter umzuorganisieren. Ich finde, der Norden Deutschlands hat ein enormes Potential auch für die deutsche Wirtschaft insgesamt, und dann muss der Bund auch das, was er zu verteilen hat, gerechter regional verteilen.

    Herb: Woran - denken Sie denn - liegt das, dass Norddeutschland, dass Hamburg die letzten Jahre nicht die wichtige Stimme hatte in Berlin?

    Ahlhaus: Ich glaube, Norddeutschland und auch Hamburg im speziellen waren vielleicht etwas zu zurückhaltend im Einfordern von Unterstützung durch den Bund. Ich denke gerade an den Hamburger Hafen. Wir in Hamburg haben viel zu lange immer gesagt: "Mensch, unser Hafen, da wollen wir gar nicht, dass irgendwer mitredet, da wollen wir auch gar nicht, dass der Bund irgendwie mitspielt. Das ist unser Ding, das ist Hamburg und da braucht kein anderer dabei sein." Das rächt sich heute etwas, weil wir mit Hochdruck daran arbeiten müssen zu erklären, dass die Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens eine Schlüsselfrage für den Erfolg der deutschen Wirtschaft insgesamt ist. Und ich glaube, diese hanseatische Zurückhaltung müssen wir im Konkurrenzkampf um Bundesmittel mit den anderen Ländern jetzt endlich ablegen.

    Herb: Die Elbvertiefung ist ja sehr umstritten. Derzeit läuft das Planfeststellungsverfahren. Insgesamt gibt es über 7300 Einwendungen gegen dieses Vorhaben, zum einen von Bürgern, von Anwohnern, aber auch von Verbänden. Es geht da um die Sicherheit der Deiche, das ist ein Thema, dann auch der Naturschutz. Könnte Ihrer Ansicht nach die Elbvertiefung so etwas werden wie das Stuttgart 21 des Nordens?

    Ahlhaus: Das glaube ich überhaupt nicht. Die Diskussion um die Elbvertiefung geht ja schon sehr lange. Wir haben keine so emotional aufgeheizte Lage wie wir es in Stuttgart um den Bahnhof hatten.

    Herb: Noch nicht.

    Ahlhaus: Nein, ich glaube nicht, dass es so weit kommt, und ich hoffe es natürlich auch nicht. Denn wenn Hamburg es nicht schafft, die Elbvertiefung zügig umzusetzen, dann sind am Ende alle die Verlierer, vor allem auch diejenigen, die jetzt mit vielen Einwendungen das Verfahren künstlich in die Länge ziehen. Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass jemand, der Bedenken hat, der möglicherweise auch Schwierigkeiten sieht, diese zu Papier bringt und im rechtsstaatlichen Verfahren einbringt. Das ist so, das muss so sein und es ist sein gutes Recht. Aber wenn das Verfahren seinen Abschluss gefunden hat, dann muss auch der Rechtsfriede einkehren. Sonst stimmen die Spielregeln im Rechtsstaat nicht mehr und dann blockiert sich Deutschland selbst. Und das ist genau das, was nicht dazu führt, dass wir diese Stadt gut und erfolgreich regieren können. Das führt auch nicht zu Wohlstand und zu Arbeitsplätzen für diejenigen, die jetzt kritisieren.

    Herb: Jetzt ist Bürgerbeteiligung spätestens seit Stuttgart 21, aber auch schon seit dem Volksentscheid zur Schulreform im Sommer ein sehr wichtiges Thema in Deutschland. Glauben Sie, gerade diese letzten zwei Auseinandersetzungen sind Zeichen dafür, dass viele Politiker in einer Art, ich nenne es mal Parallelgesellschaft ihren Job gemacht haben, und zwar an den Bürgern vorbei?

    Ahlhaus: Ich würde nicht von einer Parallelgesellschaft sprechen. Ich glaube vielmehr, dass manche ideologische Verbohrtheit bei manchen Politikern dazu führt, dass sie überhaupt nicht wahrnehmen, dass die Bürger auch ganz gut selbst ein gesundes Menschenempfinden haben, was gut und was richtig für sie ist. Sie wollen nicht immer belehrt werden und bekehrt werden, mit Verboten und Restriktionen überschüttet werden, sondern sie wollen selbstverantwortlich entscheiden können. Und darauf muss Politik nicht nur Rücksicht nehmen, sondern es muss sie möglich machen. Deswegen sage ich es noch mal, es gibt viele Beispiele in der Politik, wo man zeigen kann, dass man, wenn man vernünftige Angebote schafft statt Verbote, für viele Themen eine weit größere Akzeptanz findet.

    Herb: Das heißt, der Volksentscheid im Sommer hier in Hamburg zur Schulreform, der war nur folgerichtig, weil man den Bürgern etwas oktroyieren wollte? Habe ich Sie da richtig verstanden?

    Ahlhaus: Der Volksentscheid, vor allem das Ergebnis des Volksentscheides, hat ja gezeigt, dass die Politik - übrigens alle Fraktionen gemeinsam, da kann sich ja niemand herausnehmen, das irgendwie anders oder besser gewusst zu haben - dass Politik hier etwas auf den Weg bringen wollte, was die Menschen nicht wollen. Deswegen ist es jetzt auch die verdammte Pflicht und Schuldigkeit der Politik, das zu akzeptieren und nicht irgendwie durch die Hintertür doch das zu machen, was man eigentlich vorhatte. Und ich habe so ein bisschen die Befürchtung, manche wollen genau das.

    Herb: Aber was ist denn dann die logische Konsequenz, also was wäre dann für Sie so ein idealtypischer Ablauf der Entscheidungsfindung in der Zukunft für ein vergleichsweise wichtiges Projekt?

    Ahlhaus: Wir haben in unserem Rechtsstaat sehr breit angelegte Entscheidungsverfahren für große Projekte, Planfeststellungsverfahren. Diese beinhalten - Sie haben selbst von vielen Tausenden von Einwendungen gesprochen, beispielsweise beim Thema Elbvertiefung - diese beinhalten ein Maß an Bürgerbeteiligung, wie es das kaum woanders auf der Welt gibt. Deswegen sind die Planverfahren in Deutschland auch besonders lange und besonders teuer und kosten da auch ein bisschen internationale Wettbewerbsfähigkeit. Dass wir trotz dieser breiten Bürgerbeteiligung offensichtlich nicht zu einer Akzeptanz kommen bei vielen Projekten, muss daran liegen, dass die Informationen und die Form der Bürgerbeteiligung, die dieser Staat den Menschen anbietet, offensichtlich nicht in der Lage ist, Bedenken wirklich auszuräumen oder zumindest hinterher bei mehrheitlichen Entscheidungen auch Akzeptanz zu schaffen. Deswegen, glaube ich, müssen wir die Instrumente, die wir haben in Planfeststellungsverfahren, in bestehenden Beteiligungsformen überprüfen, dass die Menschen, die Bedenken anmelden, sich dann auch ernst genommen fühlen und nicht mir irgendwelchen Formschreiben abgespeist werden. Ich glaube, die Bürgerbeteiligung, die wir haben, ist sehr breit. Sie ist ausreichend. Aber sie muss in der Qualität, nicht in der Quantität, sie muss in der Qualität besser organisiert werden, damit Politik glaubwürdiger und am Ende auch mit größerer Akzeptanz die Projekte, die wichtig sind für die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt und unseres Landes, durchsetzen kann.

    Herb: Was meinen Sie denn damit? Wie könnte man denn so eine bessere Organisation gewährleisten, dass die Bürger, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann schon früher in so eine Entscheidungsfindung eingebunden werden?

    Ahlhaus: Mit mehr Information. Das ist das eine. Vielleicht muss sich Politik auch verstärkt wirklich moderner Werbemethoden bedienen, wenn es darum geht, Projekte zu erklären, die wichtig sind. Auf der anderen Seite aber natürlich, indem sie die ganzen Verwaltungsverfahren überprüft, die sich mit Bürgereinwendungen befassen.

    Herb: Also, ich habe Sie schon richtig verstanden, dass die Politik der Zukunft so aussieht, dass ein sehr wichtiger Aspekt durchaus die Bürgerbeteiligung ist?

    Ahlhaus: Die Bürgerbeteiligung ja, aber ich glaube nicht, dass wir neue Formen brauchen, sondern wir müssen die bestehenden Formen besser und anspruchsvoller einsetzen.

    Herb: Sie hören den Deutschlandfunk, das Interview der Woche, heute mit Christoph Ahlhaus, dem Ersten Bürgermeister von Hamburg. Herr Ahlhaus, Sie schließen für 2011 eine Neuauflage Schwarz-Grün in Hamburg aus. Gilt das auch langfristig?

    Ahlhaus: Ich bin überhaupt nicht dafür, dass man langfristig irgendwas ausschließen sollte, was mit politischer Zusammenarbeit zu tun hat. Sicherlich kann ich mir auch langfristig keine Zusammenarbeit mit den Linken vorstellen, weil das ist einfach eine Kulturfrage. Was die Zusammenarbeit mit den Grünen angeht finde ich es nach wie vor eine interessante Idee. Die kann auch erfolgreich umgesetzt werden. Das haben wir in Hamburg hier über mehr als zwei Jahre gezeigt. Aber mit den handelnden Personen, mit dem Misstrauen, was da entstanden ist, auch mit dem Vertrauensbruch, der da geschehen ist, kann ich mir eine Zusammenarbeit nicht vorstellen. Und ich gehe noch einen Schritt weiter. Ich habe überhaupt nicht den Eindruck, auch außerhalb von Hamburg, dass die Grünen momentan so aufgestellt sind, dass sie an einer konstruktiven Zusammenarbeit mit der CDU interessiert sind, sondern sie wollen sich ein bisschen auf Rot-Grün einigeln, sie wollen sich offensichtlich der SPD als Mehrheitsbeschaffer ausliefern. Und das sieht man vor allem daran, dass sie wieder voll auf Ideologie setzen und nicht auf den Pragmatismus und auf die Vernunft, die sie zu Beginn unserer Koalition gezeigt haben.

    Herb: Julia Klöckner, die CDU-Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz, ist da nicht ganz Ihrer Meinung und wirbt mehr oder weniger schon um die Grünen. Was raten Sie denn jetzt aus der Erfahrung, die Sie gemacht haben in Hamburg?

    Ahlhaus: Ich kann die Verhältnisse in Rheinland-Pfalz von hier aus nicht wirklich beurteilen. Deswegen maße ich mir da auch kein abschließendes Urteil an. Das weiß Frau Klöckner alles viel besser als ich, wie da die Verhältnisse sind. Wenn ich einen Rat mitgeben darf, dann ist es das, was ich auch als Lehre aus den vergangenen Monaten gezogen habe: Auch wenn es noch so verlockend scheint, eine neue Zusammenarbeit auf den Weg zu bringen und auch diese auch durch Krisenzeiten wetterfest zu führen, es darf nie so weit führen, dass man Grundbestandteile eigener Überzeugung auf einem Koalitionsaltar in einer Art und Weise opfert, dass die Grundüberzeugungen nicht mehr erkennbar sind. Das haben wir in der Schulpolitik gemacht. Das war ein Fehler und dafür haben wir am 18. Juli in dem verlorenen Volksentscheid die Rechnung vom Wähler aufgetischt bekommen. Die CDU muss wieder mehr zu ihren Werten stehen. Dann weiß der Bürger auch, wo es lang geht, und dann wird die CDU auch wieder die Wahlergebnisse bekommen, die sie in erfolgreichen Wahlkämpfen erzielen konnte.

    Herb: Was sind denn in der heutigen Zeit die konservativen Werte? Was macht denn dann für Sie ein konservativer Politiker aus?

    Ahlhaus: Ach wissen Sie, der Begriff konservativ, der gefällt mir gar nicht so gut, denn die CDU ist viel mehr als konservativ. Ich habe so den Eindruck, die Konservativsten sind momentan die Grünen, denn die wollen überhaupt keine zukunftsgerichtete Entwicklung. Sie sperren sich gegen alle Zukunftsprojekte. Sie sind zu einer Dagegen-Partei geworden und wollen im wahrsten Sinne des Wortes alles so bewahren und einfrieren, wie es ist. Das, was die CDU immer stark gemacht hat und was sie auch in Zukunft stark machen wird, ist ein konsequentes Festhalten an rechtsstaatlicher Orientierung, vor allem im Bereich der inneren Sicherheit, im Bereich der Justiz auf der einen Seite, aber natürlich auch die innovative Fähigkeit, moderne innovative Chancen zu nutzen in der Wirtschaftspolitik, und gerade Bereiche wie Umwelttechnologie, die Wachstumsbranche des 21. Jahrhunderts, so zu übersetzen, dass man mit ihr auch Geld verdienen kann und Arbeitsplätze schaffen kann und nicht nur Verbote austeilen muss, wie es grüne Ideologen wollen.

    Herb: Herr Ahlhaus, blicken wir zum Schluss auf die Ausgangslage derzeit in Hamburg. Also Hamburg könnte nach jetziger Umfragelage eine eindrucksvolle Renaissance von Rot-Grün bringen, muss man sagen. Welches Signal, glauben Sie, wird von der Hamburg-Wahl im Februar für die kommenden Landtagswahlen in diesem Jahr ausgehen?

    Ahlhaus: Ich würde das nicht überbewerten, was für ein Signal hier von Hamburg politisch ausgeht. Wir haben hier in Hamburg eine ganz besondere Konstellation in den vergangenen Jahren gehabt. Wir hatten im Sommer mit dem Rücktritt des sehr beliebten, erfolgreichen Ersten Bürgermeisters Ole von Beust eine Zäsur, wir hatten mit dem Verlieren des Volksentscheides gegen alle Fraktionen im Rathaus ein sicherlich auch besonderes Ereignis. Das alles führt zu einer Situation hier in Hamburg, die man sicherlich nicht einfach auf den Bund, was die Stimmungslage angeht, übertragen kann. Und deswegen glaube ich nicht, dass ein wie auch immer geartetes großes Signal von der Hamburg-Wahl auf den Bund insgesamt ausgeht.

    Herb: Herr Ahlhaus, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch.

    Ahlhaus: Danke sehr.