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"Die CSU bleibt unerbittlich"

Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer, hat die Forderung seiner Partei nach Steuererleichterungen erneut bekräftigt. Die Regierung solle noch vor der Bundestagswahl einen - so Ramsauer wörtlich - "wuchtigen Schritt" unternehmen, um die Bürger zu entlasten. Der CSU-Politiker schlug die Erhöhung des Grundfreibetrages und die Absenkung des Eingangs-Steuersatzes vor.

Peter Ramsauer im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Alte Feldherrenweisheit: es ist nicht einfach, es mit einem Gegner aufzunehmen, den man nicht kennt. So ist das auch mit der Wirtschafts- und Finanzkrise. In einem sind sich alle einig: keiner weiß was kommen wird. Gleichwohl muss man, um mit Vizekanzler und Kanzlerin zu sprechen, Deutschland wetterfest machen. Darüber hat Angela Merkel gestern mit den Ministerpräsidenten der Länder geredet. Einzelheiten hat sie danach noch nicht mitgeteilt.

    Angela Merkel: "So wie wir das Finanzmarktstabilisierungsgesetz in kurzer Zeit miteinander sehr gut ausgearbeitet haben, so wollen wir auch in der Frage der konjunkturstabilisierenden Maßnahmen zusammenarbeiten, und uns eint auch der Wunsch, dass wir für Beschäftigung etwas tun, möglichst für Arbeitsplätze etwas tun, wo immer das möglich ist. Und hier will der Staat in all seinen Ebenen seiner Verantwortung gerecht werden."

    Heinemann: Geld soll für Bildung und für die Infrastruktur ausgegeben werden. Offen ist nur noch die Ausgestaltung und der genaue Zeitplan. Die Bundeskanzlerin kündigte wegen der Folgen der Finanzkrise einen Nachtragshaushalt an. - Am Telefon ist jetzt Peter Ramsauer, der Chef der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Guten Morgen!

    Peter Ramsauer: Guten Morgen aus Berlin.

    Heinemann: Herr Ramsauer, wir sollten noch mal die Bundeskanzlerin hören, die sich gestern an den Koalitionspartner wandte - nein, nicht an die SPD, an die CSU.

    Angela Merkel: "Ich gehe davon aus, dass wir alle für unser Land das richtige tun, und wenn wir im Januar einen zweiten Impuls setzen, werden auch alle dem zustimmen und in diesem Geiste werden auch alle Gespräche, auch zwischen CDU und CSU, geführt."

    Heinemann: Peter Ramsauer, werden alle zustimmen?

    Ramsauer: Das ist sehr aufschlussreich, was die Kanzlerin hier sagt. Wir haben uns alle miteinander vorgenommen, dass wir ein größeres zusätzliches Paket schnüren über das hinaus, was wir mit dem ersten Konjunkturhilfe- und Ankurbelungsprogramm in den letzten Wochen getan haben. In diesem Paket werden, wie wir gerade gehört haben, selbstverständlich investive Maßnahmen vorhanden sein - vor allen Dingen in den Bereich der Infrastruktur hinein, was immer dies im Einzelnen ist. Aber es müssen auch Steuererleichterungen dabei sein. Das ist eine ganz, ganz wichtige Bedingung, um auch einen hinreichend großen Schirm für die Konjunktur aufzuspannen, um das zu gewährleisten, was die Kanzlerin als "wetterfest machen" bezeichnet. Das können verschiedene Elemente sein. Das kann Erhöhung des Grundfreibetrages sein, das kann Absenkung des Eingangssteuersatzes sein, eine Abflachung des Tarifverlaufs. Das ist zum Beispiel sehr wichtig, damit Arbeitnehmer, die Lohnerhöhungen bekommen, damit nicht sofort in eine höhere Steuerbelastung hineinrutschen und damit fast alles wieder von dem abgeben müssen, was sie Brutto mehr haben. Ich bin sehr froh darüber, dass sich die CDU auch gerade erst auf ihrem Parteitag in Stuttgart für Steuererleichterungen ausgesprochen hat ...

    Heinemann: Aber nicht sofort!

    Ramsauer: ... , gefordert und angekündigt hat. Und wenn ein solches Steuerentlastungselement mit in dem Paket ist, dann kann man selbstverständlich zustimmen.

    Heinemann: Aber darüber wurde gestern nicht gesprochen und die Steuererleichterungen soll es erst nach der Bundestagswahl geben.

    Ramsauer: Nein, das sagt niemand, vor oder nach der Bundestagswahl, dass das nur nach der Bundestagswahl passieren soll. Das steht auch in dem Parteitagsbeschluss der CDU so nicht drin. Es kann doch nur vernünftig sein, wenn man eine langfristig angelegte Einkommensteuersenkung anstrebt, die in mehrere Schritte zu zerlegen und einen ersten wuchtigen Schritt vor der Bundestagswahl tut. Dazu haben wir die notwendige Zeit und dafür haben wir auch die notwendigen Spielräume.

    Heinemann: Herr Ramsauer, Ökonomen sagen, die Therapie in der Krise müsse jetzt schnell zu verwirklichen sein. Sie müsse zielgenau und zeitlich begrenzt sein. Das sind die berühmten drei T: timely, targeted and temporary. Steuersenkungen sind schwerfällig, werden mit der Gießkanne ausgeteilt und sind dauerhaft. Da kann man nur sagen: Thema verfehlt.

    Ramsauer: Man kann auch ohne englische Anleihen auskommen, wenn man gute Politik für Deutschland machen kann.

    Heinemann: Da sind wir uns einig!

    Ramsauer: Darum sage ich in aller Deutlichkeit, die CSU bleibt unerbittlich und sie bleibt hartnäckig. Wir kämpfen für Steuererleichterungen noch vor der Bundestagswahl und die Berater aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaftler geben uns im Grunde genommen ja auch alle Recht.

    Heinemann: Roland Koch gibt Ihnen nicht Recht. Er hat gestern in der "Süddeutschen Zeitung" gesagt, "selbst die schnellste Steuersenkung kann vor 18 Monaten nicht wirken". Also: Selbst wenn diese am 01. Januar 2009 in Kraft träte, wirkte sie erst ab Juli 2010. Ein bisschen spät!

    Ramsauer: Ich habe über dieses Thema mit ihm gestern Abend selbst gesprochen. Ich bin da vollkommen anderer Auffassung. Er hat auch nicht Recht, selbst wenn er das in der "Süddeutschen Zeitung" verbreitet. Wenn wir beispielsweise zum 01.04. oder 01.07. des nächsten Jahres eine solche Korrektur bei der Einkommen- und Lohnbesteuerung vornehmen, kann das ja sofort in die Lohnsteuertabellen, in die Lohnbuchhaltungen einfließen, und ab genau diesem Zeitpunkt haben die Arbeitnehmer dann von dem, was sie Brutto verdienen, auch Netto mehr in ihrer Tasche, was dann auch konjunkturwirksam werden kann durch erhöhte Ausgaben.

    Heinemann: Roland Koch hat in der Zeitung ein schönes Bild bemüht. "Wir sind im Moment dabei, ein Feuer auszulöschen. Da sollten wir keinen Architekturwettbewerb ausschreiben." Ist jetzt die Zeit für Baumeister, oder für Brandschützer?

    Ramsauer: Ein etwas verzerrter Vergleich. Die Menschen im Lande bangen um zweierlei. Sie bangen um ihre Arbeitsplätze, wenn die Konjunktur einbricht, und sie bangen natürlich auch darum, dass wenn sie einen Euro mehr verdienen durch Lohnerhöhung gerade vielleicht mal 35 Cent über bleiben, und dafür kämpfen wir, dass dies vor der Bundestagswahl in einem ersten deutlichen Schritt noch mal verbessert wird.

    Heinemann: Was schätzen Sie denn? Wie viel Bürgerinnen und Bürger kaufen sich ein neues Auto, nur weil sie vom Finanzamt ein paar Euro zurückbekommen?

    Ramsauer: Sie sprechen jetzt die Kfz-Steuerbefreiung für Neuwagen an, die wir für einen befristeten Zeitraum vorgesehen haben.

    Heinemann: Nicht nur! Insgesamt das Kaufverhalten.

    Ramsauer: Wir wissen, dass die Automobilindustrie natürlich momentan auf Halde produziert, dass das eine Schlüsselindustrie ist, und natürlich werden wir bei weiteren Konjunkturmaßnahmen die Erfordernisse von einzelnen wichtigen Branchen im Auge haben.

    Heinemann: Herr Ramsauer, ich meinte jetzt das generelle Konsumverhalten im Zusammenhang mit Steuersenkungen. Das wird eben nicht als besonders ankurbelnd empfunden, auch von vielen Experten nicht.

    Ramsauer: Dann kann es aber auch nicht sein, dass es unerheblich sei, wenn Steuerzahler durch die kalte Progression in höhere Steuerbelastungen hineingetrieben werden. Nein, wir müssen Schritt für Schritt jeden Spielraum nutzen, um die Menschen von der Steuer zu entlasten und ihnen Netto wirklich mehr in die Hand zu geben.

    Heinemann: Ist der europäische Stabilitätspakt in Gefahr? Die zusätzlichen Ausgaben treiben ja überall die Defizite jetzt in die Höhe.

    Ramsauer: Wir haben ja diese berühmte Drei-Prozent-Marke, dass die Nettoneuverschuldung eines Haushalts der öffentlichen Verschuldung nicht überschritten werden darf. Es gibt jetzt welche die sagen, weg mit diesem Kriterium und sozusagen in die Vollen hineingehen. Dazu gehöre ich nicht. Ich habe die kaufmännische Tugend gelernt, sparsam zu sein und vorsichtig umzugehen. Deswegen sollten wir dieses Kriterium sehr sorgsam achten. Wenn man es von Vornherein über Bord wirft, wie es einige EU-Länder vielleicht wollen, dann eröffnet man ja der Disziplinlosigkeit, der haushaltsmäßigen und geldmäßigen Disziplinlosigkeit hier völlig neue Dimensionen. Das kann nicht sein. Wir müssen sorgfältig mit dem Steuergeld der Bürger umgehen.
    Wenn man die drei Prozent in Deutschland anlegt, dann hätte man theoretisch ja eine wirklich riesige Neuverschuldungsmöglichkeit. Die brauchen wir nach dem heutigen Dafürhalten sicher nicht ausschöpfen.

    Heinemann: "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Wir sprechen mit Peter Ramsauer, dem Chef der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. - Herr Ramsauer, benötigt Deutschland einen Aufbau West?

    Ramsauer: Das ist ein großes Thema, was auch ich selbst und die CSU seit vielen Jahren beklagt hat. Wir haben - und das war auch richtig so - über viele Jahre hinweg in den neuen Bundesländern sehr viel Infrastruktur aufgebaut mit dem, was vor allen Dingen über den Soli hereingekommen ist. Das hatte allerdings eine negative Begleiterscheinung, dass viel an Infrastruktur - schauen Sie sich einmal das Bild vieler Straßen an - in den alten Bundesländern hinten geblieben ist. Deswegen brauchen wir hier - ich habe das immer bezeichnet als ein Nachholprogramm. Jetzt ist die richtige Zeit, damit endlich anzufangen.

    Heinemann: Wird die CSU mit einem eigenen Programm in die Bundestagswahl ziehen?

    Ramsauer: Wir sind ja in diesen Tagen und Wochen bereits dabei, unsere Vorstellungen für die Bundestagswahl zu entwickeln. Ich gehe davon aus, dass wir natürlich mit der Schwesterpartei über unsere gemeinsamen Vorstellungen sprechen. Das ist klar. Die CDU wird ihre Vorstellungen entwickeln. Traditionell war es so, dass am Ende immer ein gemeinsames Wahlprogramm dabei herausgekommen ist, aber das muss nicht auf Biegen und Brechen sein.

    Heinemann: Womit rechnen Sie?

    Ramsauer: Ich rechne jetzt erst mal, was vernünftig bei Steuererleichterungen finanzierbar ist, auf lange Sicht über die nächsten Jahre hinaus nicht nur dafür, was wir vor der Bundestagswahl noch machen müssen. Wir entwickeln unsere anderen Vorstellungen und irgendwann im Frühjahr - damit rechne ich auch - sprechen wir auch mit der Schwesterpartei.

    Heinemann: Herr Ramsauer, CSU-Chef Seehofer sei unzufrieden mit dem Auftritt der Partei in Berlin, war in den vergangenen Tagen in fast allen Zeitungen zu lesen. Da fiel auch Ihr Name.

    Ramsauer: Das macht es aber auch nicht richtiger.

    Heinemann: Was müssen Sie besser machen?

    Ramsauer: Deswegen ist es aber auch nicht richtiger, wenn so etwas wo steht und dann immer wieder verbreitet wird. Wir arbeiten hervorragend zusammen. Das war immer so und wird auch so bleiben.

    Heinemann: Ist Horst Seehofer mit Ihrer Arbeit uneingeschränkt zufrieden?

    Ramsauer: Dazu hat er selber das richtige und notwendige gesagt.

    Heinemann: Nämlich?

    Ramsauer: Das haben Sie auch selbst gesendet, dass wir unsere bundespolitischen Vorstellungen mit Hartnäckigkeit auf bundespolitischer Ebene vertreten, beispielsweise in der Steuerpolitik.

    Heinemann: Das kann man auch als Appell verstehen.

    Ramsauer: Appell? Das ist eine Frage der Diplomatie, wann es hart und wann es etwas diplomatischer formuliert ist. Wir werden wie gesagt hartnäckig, in aller Hartnäckigkeit für Steuererleichterungen in einem solchen Konjunkturpaket kämpfen, das heißt ein erster Steuersenkungsschritt vor der Bundestagswahl.

    Heinemann: In den "Informationen am Morgen" sprachen wir mit Peter Ramsauer, dem Chef der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.