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"Die CSU geht harten Zeiten entgegen"

Markus Söder wird neuer Finanzminister in Bayern. Ministerpräsident Horst Seehofer habe das verhindern wollen, sagt Wienand Gellner, Politikwissenschaftler der Universität Passau. Dass ihm das nicht gelungen sein, schwäche seine Position. Das Nachwuchspersonal der CSU sei verunsichert.

Silvia Engels im Gespräch mit Wienand Gellner |
    Silvia Engels: Seitdem der bayrische Finanzminister Fahrenschon angekündigt hatte, sich als Präsident für den Sparkassen- und Giroverband bewerben zu wollen, suchte der bayrische Ministerpräsident Seehofer fieberhaft einen Nachfolger für ihn in seinem Kabinett, und das war gar nicht so einfach. Erst heute Vormittag konnte er seinen neuen Finanzminister präsentieren: Markus Söder, bisher Umweltminister, soll es werden.
    Am Telefon mitgehört hat Professor Wienand Gellner, er lehrt Politikwissenschaft an der Universität Passau. Guten Tag, Herr Professor Gellner.

    Wienand Gellner: Guten Tag.

    Engels: Sie haben es mitgehört, da wollen wir direkt einmal einhaken, bei dem Ringen um Frau Haderthauer. Sie überblicken die CSU ja schon länger. Welche Strömung innerhalb der CSU hat Ministerpräsident Seehofer das Leben so schwer gemacht, seine eigentliche Kandidatin nicht durchsetzen zu können?

    Gellner: Von Strömungen zu sprechen, ist jetzt in diesem Fall noch nicht wirklich überschaubar. Was deutlich ist, ist, dass es Seehofer mit Sicherheit eben nicht gelungen ist, seine Kandidatin durchzusetzen gegen einen Flügel der CSU – lassen Sie mich ihn vielleicht zurückhaltend umschreiben -, der auf eine behutsame Erneuerung setzt, der auf eine wirklich ernsthafte Beteiligung von Frauen setzt. Und Frau Haderthauer ist eine vergleichsweise sperrige Parteifreundin, die auch ja das Urgestein Franz-Josef Strauß schon mal etwas getadelt hat. Von daher, wenn man es zusammenfassen könnte: Es sind die Traditionalisten, für die die Frau Haderthauer einfach nicht akzeptabel war.

    Engels: Teilen Sie die Einschätzung unseres Korrespondenten, dass nun die Führungsrolle Ministerpräsident Seehofers geschwächt ist und sich da möglicherweise auch ein sehr ehrgeiziger Markus Söder führ höhere Ämter warm läuft?

    Gellner: Ja, das ist sicher so. Ich denke schon, dass Seehofer Söder verhindern wollte in dieser doch sehr hervorgehobenen Position. Ein Finanzminister ist ja nicht irgendein Minister. Und von daher ist Seehofer sicherlich geschwächt. Er war nicht mehr Herr dieses ganzen Verfahrens, was aber auch schon damit natürlich zu tun hat, dass dieser Abgang Fahrenschons ja im Zusammenhang einer völligen Verunsicherung des Nachwuchspersonals steht, das sich nicht mehr wirklich darauf verlassen kann, dass man mit der geborenen Regierungspartei CSU noch Karriere machen kann in Zukunft.

    Engels: Sie deuten es an: Horst Seehofer hat sich ja immer, seitdem er Parteichef ist, auf die Fahnen geschrieben, viele junge Talente in seiner Partei fördern zu wollen, und auch sein Parteitableau hat das durchaus bewiesen. Zeigt sich aber nun nach dem Abgang von Georg Fahrenschon und Anfang des Jahres ja Karl-Theodor zu Guttenberg, dass die Personaldecke für die jungen doch zu dünn ist, wenn man jetzt so lange nach geeigneten Kandidaten suchen muss?

    Gellner: Ja! Es ist tatsächlich so, dass Seehofer natürlich gezielt versucht hat, um sich die direkte Konkurrenz, sage ich mal, der etwas Jüngeren vom Leibe zu halten – das ist ja üblich in der Politik -, die Kronprinzen, die Kronprinzessinnen zu fördern. Es zeigt sich aber jetzt, dass er hier diese Leute zum großen Teil doch stark verunsichert hat. Er hat versucht, diese Leute zwar zu fördern, aber dann doch auf Distanz zu halten, und damit hat er letztendlich dafür gesorgt, dass er jetzt tatsächlich ohne wirkliche vernünftige Nachfolgeperspektive dasteht, es sei denn, Söder – und ich glaube, dass ihm vermutlich eine ja kurzfristig gehandelte Kandidatin Aigner, das hätte ihm natürlich gefallen, da hätte er Spielraum gehabt; mit Söder steht er natürlich unter einem ganz anderen Druck.

    Engels: Markus Söder, in der Tat: wir sollten auch mal genauer auf ihn eingehen. Woraus bezieht er den Rückhalt in seiner Partei, wohin könnte sich eine Führungsfigur Söder auch inhaltlich entwickeln?

    Gellner: Nun, bei den Inhalten ist das natürlich in der Politik immer so eine Sache. Er steht sicherlich auch gerade als Umweltminister für einen gewissen Reformimpetus, aber das würde ich nicht überbewerten. Söder selbst kommt ja aus der medialen Journalistenschiene und galt ja lange als Heißluftballon, der in jeder Talkshow was sagt, aber nicht wirklich ernst zu nehmen ist. Er ist noch relativ jung, er ist natürlich Franke, von daher nicht unbedingt der geborene bayrische Ministerpräsident, aber er arbeitet natürlich schon lange darauf hin. Und insoweit denke ich, er steht für einen relativ klaren Willen zur Macht. Darüber hinaus, denke ich, wird man da doch suchen müssen nach der Substanz.

    Engels: Generell muss sich ja die CSU Sorgen machen, denn der bisherige Münchner Oberbürgermeister Ude von der SPD wird für seine Partei bei den nächsten Landtagswahlen antreten. Er ist sehr beliebt. Erklärt das die aktuelle Nervosität in der CSU?

    Gellner: Ja. Es ist natürlich die Kandidatur Udes und der Flirt mit den Freien Wählern, aber daneben natürlich auch diese Kränkung, die diese Staatspartei, um es salopp zu sagen, doch erlebt, nach den Wahlniederlagen dann auch noch gewissermaßen von Berlin ignoriert zu werden bei diesen Steuersenkungsplänen. Das nagt am ohnehin schon angeknacksten Selbstbewusstsein. Und Seehofer ist natürlich ein Politiker, der dann im Zweifelsfall zu irrationalem Verhalten neigt, beziehungsweise eben dann doch Freund und Feind verunsichert. Insoweit denke ich, die CSU geht harten Zeiten entgegen, aber Seehofer ist natürlich immer für eine Überraschung gut.

    Engels: Wir sprachen mit Professor Wienand Gellner, er lehrt Politikwissenschaft an der Universität Passau. Vielen Dank für das Gespräch.

    Gellner: Ja, danke.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.