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Die CSU und der Bürgerwille

Die CSU in Bayern möchte gerne dem Bürgerwillen nachgeben, aber sie steht im Zwiespalt. Geht es nach dem Münchner Bürgerwillen, dann bekommt der Franz-Jose-Strauß-Flughafen keine dritte Startbahn. Aber vor allem CSU-Chef Horst Seehofer glaubt, dass die Erweiterung eine echte Chance für Bayern ist.

Von Michael Watzke |
    Es gibt Tage, da wünschte Horst Seehofer, er wäre nicht Bayerns Ministerpräsident, sondern Bayerns Alleinregent:

    "Manchmal, wenn ich in die Fraktion muss, in den bayerischen Landtag, und dann wieder abgebürstet, korrigiert, zurückgehalten, kontrolliert werde, sage ich mir auf der Heimfahrt: Das Amt wär das schönste auf der Welt, wenn es keine Abgeordneten gäbe ... "

    Noch schöner wäre Demokratie freilich gleich ganz ohne Wähler. Zumindest, wenn die solch haarsträubende Entscheidungen treffen wie das "Nein" zur dritten Startbahn am Münchner Flughafen. Die CSU kämpft weiter für die 3.Startbahn. Trotz Bürgerentscheid. Generalsekretär Alexander Dobrindt wartet jetzt auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts, das im kommenden Jahr über die Klagen von Umweltschützern und Anwohnern entscheidet.

    "... weil ja die Argumente da eine neue Sichtweise bekommen. Weil ja sowohl die Argumente der Befürworter und der Gegner in diesem Gerichtsentscheid eine Rolle spielen werden. Ich bin sehr interessiert daran, und dann kann man weitersehen."

    Weitersehen? Das Volk hat doch schon gesprochen - und Nein gesagt. Ohne die Zustimmung der Münchner kann die Flughafen München GmbH keine dritte Startbahn bauen.

    "Volksentscheid ist Volksentscheid. Schauen Sie, ich bin Raucher, ich musste mich auch fügen."
    "Das sollte einfach respektiert werden."
    "Und jetzt dann hintenrum rummauscheln und gucken, wie man es doch noch irgendwie hinkriegt, das fände ich schofelig."
    "Wenn der Seehofer bei der nächsten Landtagswahl nicht berücksichtigt, dass die Bürger 'Nein' gestimmt haben, dann wird er das Ergebnis spüren."
    "Sie werden doch nicht glauben, dass die dem Volk zubilligen, dass es recht hat. Des glaab i ned."

    Genau das aber planen die Christsozialen - aufs Volk zu hören. Ex-CSU-Chef Erwin Huber zitiert aus dem Europa-Wahlprogramm der CSU von 2009 ...

    "... dass wir sagen: 'Wenn wesentliche Kompetenzen von Deutschland auf Europa übertragen werden, dann wollen wir hierfür eine Entscheidung der Bürger.' Dazu stehen wir in der CSU."

    Ein bundesweiter Volksentscheid zum Eurorettungsschirm und zum möglichen EU-Beitritt zur Türkei. Themen, bei denen sich die CSU ziemlich sicher ist, dass das Volk richtig entscheidet - also entsprechend der eigenen Haltung. Der CSU-Bezirk München probt schon mal - mit einem Europa-Fragebogen. Er befragt allerdings vorsichtshalber erstmal seine eigenen Mitglieder. Denn, so sagt der Münchner CSU-Landtagsabgeordnete Markus Blume:

    "Eine stärkere Partizipation in Form von Bürgerentscheiden oder Volksentscheiden setzt natürlich eine gewisse Übung voraus. Wir in Deutschland haben nicht die Tradition einer Schweiz. Die Schweizer stimmen ja sogar die Frage beim Referendum richtig ab, ob mehr Urlaub gewährt werden soll oder es so bleiben soll, wie es ist."

    Die Schweizer entschieden sich gegen mehr Urlaub. Bei den Deutschen ist sich Markus Blume nicht so sicher.

    "Da seh' ich noch eine gewisse Wegstrecke vor uns. Aber irgendwann muss man halt mal beginnen."

    Das findet auch Bayerns Umweltminister Marcel Huber. Der CSU-Politiker ist mitverantwortlich für die Energiewende in Bayern. Ihm graut bei der Vorstellung, dass jeder Wutbürger jedes Windrad in Grund und Boden prozessieren kann. Huber weiß: Die Bayern mischen sich gern ein.

    "Der bayerische Bürger ist halt besonders freiheitsbewusst und artikuliert sich auch gern. Sicherlich sind diese Beteiligungen der Bürger nicht ganz ohne, denn man kann in der politischen Führungsschicht nicht in Anspruch nehmen: "Ich weiß, was für dieses Volk gut ist", sondern es muss auch vom Volk akzeptiert sein, auch wenn man rein fachlich noch so recht hätte."

    Mit den bisher praktizierten Planfeststellungsverfahren allein, so Huber, kommt man bei der Energiewende nicht weiter. Weil die Prozesse zu lange dauern.

    "Wenn wir zuschauen, wie in Frankreich innerhalb von drei Jahren TGV-Strecken projektiert und gebaut werden, dann ist das etwas, wo wir uns überlegen müssen, ob wir mit unserer Rechtsschwerpunktsetzung dauerhaft in Konkurrenz bestehen können. Denn die anderen machen's schneller."

    Mit Bürger- und Volksentscheiden könnte man die Betroffenen in Zukunft besser einbinden. Dann hätte man zumindest frühzeitig Klarheit, findet Huber.

    "Dann muss aber dann auch a Ruh' sein!"
    Eine Ruh kann allerdings nur dann sein, wenn Bürgerentscheide von allen Beteiligten akzeptiert werden. Das gilt für die CSU genauso wie für andere Parteien. Die Münchner Grünen-Vorsitzende und Startbahn-Gegnerin Katharina Schulze sagte zwei Tage vor dem Münchner Bürgerentscheid:

    "Falls wir verlieren - wovon wir jetzt nicht ausgehen - dann läuft ja immer noch die Klage gegen die dritte Startbahn weiter."

    Vergleicht man diese Aussage mit der Haltung der CSU, dann sagt Katharina Schulze genau dasselbe - in Grün. Wenn der Bürger spricht, sind alle Parteien auf einem Ohr taub.