Ensminger: Deutschland und Frankreich wollen einen Krieg gegen den Irak verhindern. Das haben die beiden Regierungschefs, Schröder und Chirac, gestern deutlich gemacht. 'Krieg ist der Beweis für ein Scheitern. Er ist immer die schlechteste Lösung', so Chirac bei den Feiern zum Jahrestag des Elysée-Vertrages. Deutschland und Frankreich beurteilten die Krise gleich, so Chirac. Die Haltung von Schröder ist ja inzwischen bekannt. 'Rechnet nicht damit, dass Deutschland einer den Krieg legitimierenden Resolution zustimmt', hatte er auf einer SPD-Wahlkampfveranstaltung erklärt. Heute Morgen sprach ich mit dem außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, Friedbert Pflüger, CDU. Schulterschluss zwischen Frankreich und Deutschland, hat das auch Einfluss auf die Haltung der Unionsfraktion, wollte ich zunächst von ihm wissen.
Pflüger: Von deutsch-französischer Gemeinsamkeit kann ja, bis auf das allgemeine Friedensbekenntnis, das wir begrüßen und unterstützen, nicht die Rede sein. Gestern war der 40. Jahrestag der deutsch-französischen Beziehungen. Da konnte man sich nicht in den Haaren liegen. Aber es war doch mit Händen zu greifen, dass mit der entscheidenden Frage beim Abstimmungsverhalten im UN-Sicherheitsrat überhaupt keine Übereinstimmung besteht. Der französische Präsident hat klar gesagt, er wolle sich nicht festlegen lassen. Der deutsche Bundeskanzler hat im niedersächsischen Wahlkampf erklärt, dass ein Nein zum Krieg für Deutschland feststehe. Das stand ganz im Gegensatz zu Joschka Fischer, der vor dem Sicherheitsrat ebenso wie der französische Präsident gesagt hat, dass wir erst mal den Waffenbericht der Inspektoren abwarten müssen. Deutschland hat sich mit der Festlegung des Kanzlers jeder Einflussnahme beraubt. In der entscheidenden Frage gibt es einen Unterschied. Das werden wir auch heute im auswärtigen Ausschuss, wo wir den französischen und den deutschen Außenminister haben, thematisieren.
Ensminger: Wo Sie bei dem französischen Außenminister sind, der hatte im Sicherheitsrat angedeutet, dass Frankreich von seinem Vetorecht Gebrauch machen könnte. Chirac hat auch noch mal betont, man sei sich sehr nah in der Haltung. Das heißt, so weit auseinander liegt man nicht.
Pflüger: Also, ich wäre sehr froh, wenn die deutsche Regierung der Position des französischen Staatspräsidenten in der Sache folgen würde und wenn es einen Schulterschluss zwischen Deutschland und Frankreich gäbe. Im Moment sieht es so aus, dass wir in Europa eine Vielstimmigkeit haben. Tony Blair zieht in die eine Richtung, der deutsche Bundeskanzler in die andere. Ein bisschen weniger Blair und weniger Schröder, ein bisschen mehr Chirac würde zu einem europäischen Gleichklang führen. Dann könnte man Einfluss nehmen. Ich teile, genau wie die ganze Unionsfraktion, die Aussage, dass man jetzt in den nächsten Tagen und Wochen alles tun muss, um eine diplomatische Lösung herbeizuführen. Diese hat aber nur dann eine Chance, wenn der Druck aufrecht erhalten wird. Ich habe gestern den Schröder in den Tagesthemen gesehen. Da hat er gesagt, man müssen den Druck aufrecht erhalten und die Resolution 1441 müsse umgesetzt werden. Das finde ich alles richtig. Wie will man aber Druck ausüben, wenn alle, wie der Bundeskanzler, gesagt hätten, dass wir uns an einem Krieg nicht beteiligen.
Ensminger: Andererseits rennt die Zeit. Am Montag soll der Bericht vorliegen. Die Amerikaner drängen auch. Nun haben sich Schröder und Chirac dafür ausgesprochen, den Waffeninspektoren mehr Zeit zu geben. Es heißt auch in einem Bericht, dass Deutschland Einfluss im Sicherheitsrat nehmen will, um mit einer Verlängerung der Waffeninspektionen dann eventuell einen Angriff abzuwenden. Das ist ja dann schon ein akzeptabler Weg, wie Sie ihn auch beschrieben haben.
Pflüger: Absolut, das haben wir seit Wochen gesagt. Man muss auf die Waffeninspektoren hören. Wenn sie mehr Zeit brauchen, müssen sie in die Lage versetzt werden, ihre Inspektionen und auch ihre Interviews mit den irakischen Wissenschaftlern zu verlängern. Dann müssen die Inspektionen ausgeweitet werden. Vor allen Dingen hoffe ich auch auf das heutige Treffen der arabischen Außenminister. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es unter dem Druck der Vereinten Nationen vielleicht doch noch zu einer diplomatischen Lösung kommt. Vielleicht kommt es ja zu einer Exillösung für Saddam. Daran wird ja im Moment wirklich konkret gearbeitet. Aber all das, diese ganze Diplomatie, hat nur dann eine Chance, wenn auch der Druck dabei ist. Nimmt man den Druck weg, dann hat der Trickser und Lügner in Bagdad, der die Weltgemeinschaft seit 12 Jahren an der Nase herumführt, gewonnen.
Ensminger: Aber andersherum gefragt, muss man sich nicht geschlossen gegen einen Krieg stellen, angesichts der rennenden Zeit, um den USA auch deutlich zu machen, dass er jetzt noch nicht gewollt ist?
Pflüger: Aber das tun wir ja. Wir sagen den Amerikanern ständig, dass wir keine Alleingänge wollen. Das tun alle Europäer. Ich sage in jedem meiner Gespräche mit amerikanischen Gesprächspartnern, mit Senatoren, mit Angehörigen der Bush-Administration, dass sie die Folgen bedenken sollen. Ich sage, sie sollen vorsichtig sein und nicht die Anti-Terrorkoalition riskieren. All diese Bedenken sind richtig und werden auch geteilt. Es ist doch nicht so, wie Herr Schröder jetzt versuchte, in der Schlussphase des Wahlkampfes in Niedersachsen und Hessen zu suggerieren, dass die einen für den Krieg und die anderen für den Frieden sind. Die Frage ist, wie man den Frieden am besten sichert. Sollte man von Anfang an erklären, dass wir abseits stehen, egal was die Waffeninspektoren finden. Oder sollte man sich einreihen und zusammen mit allen anderen sagen, wir wollen den Frieden und jede Chance für eine diplomatische Lösung. Aber Frieden am Golf ist eine Sache, ich will aber auch Frieden für unsere Bürger hier auf lange Sicht. Ich möchte mir als Politiker, der ein ganz kleines bisschen ja auch Mitverantwortung in der Opposition trägt, nicht in fünf oder zehn Jahren einmal vorwerfen lassen, wir hätten gewusst, dass Massenvernichtungswaffen hergestellt werden, wir hätten die Vermutung gehabt und wir hätten nichts unternommen. Wie will ich das gegenüber späteren Toten in Deutschland oder woanders einmal rechtfertigen.
Ensminger: Also steht die Unionsfraktion zu ihrem Wort, ein Nein hält sie nicht für akzeptabel.
Pflüger: Wir teilen die Meinung des französischen Präsidenten, der gesagt hat, dass wir alles für den Frieden tun müssen, aber dass wir uns jetzt nicht festlegen können. Es war gut, dass der Außenminister Fischer in New York genau diese Position bezogen hat. Es war schlecht, dass der Bundeskanzler aus reiner Wahlkampftaktik in einer Wahlkampfveranstaltung in Goslar diese Position vorgestern verlassen hat. Das war ein schwerwiegender Fehler.
Ensminger: Das heißt, ein Nein wäre unter bestimmten Umständen für Sie vertretbar.
Pflüger: Wir warten den Bericht der Inspektoren ab und werden dann im Schulterschluss mit unseren europäischen Kollegen entscheiden. Es wäre nach meinem Gefühl schlimm für Europa, für das Gewicht Europas und für eine zukünftige gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik, wenn Deutschland einen Sonderweg ginge. Ich plädiere dafür, dass die Europäer gemeinsam im Sicherheitsrat abstimmen.
Ensminger: Nun haben Sie die Beratungen der Außenminister sechs arabischer Staaten bereits angesprochen. Die versuchen nun auch, Wege zu finden, wie man den Konflikt noch friedlich lösen könnte. Sie kennen ja die Region ganz gut. Wir gefährlich wäre denn ein Konflikt für die Region?
Pflüger: In dem Moment, wo es einen amerikanischen Schulterschluss mit allen anderen gäbe, also wenn wir ein Mandat oder jedenfalls ein erkennbares Ja der Staatengemeinschaft der Vereinten Nationen hätten, wäre das alles tragbar. Deswegen ist das so wichtig, dass die Weltgemeinschaft, wie das gestern der französische Präsident gesagt hat, hinter der Aktion steht. Sie muss entscheiden, was gemacht wird. Die Araber fürchten natürlich Aufstände ihrer Fundamentalisten. Sie fürchten aber auch Saddam und Massenvernichtungswaffen. Keiner am persischen Golf hat Interesse daran, dass der Irak Massenvernichtungswaffen in die Hand bekommt und dann die ganze Balance der Region ins Wanken gerät. Von daher sind wir gar nicht weit von den arabischen Führern entfernt. Wir müssen den Krieg vermeiden, aber auch Saddam entwaffnen und ihm seine Grenzen aufzeigen. Wenn ich noch einmal etwas zu der Position der Bundesregierung sagen darf, sie redet die ganze Zeit davon, dass sie sich nicht beteiligen wolle. Was heißt denn Beteiligung? Ist es nicht auch eine Beteiligung, wenn unsere deutschen Soldaten in den AWACS-Maschinen sitzen, wenn wir Patriot-Abwehrraketen nach Israel liefern? Herr Struck hat am Wochenende gesagt, dass eventuell ABC-Spürpanzer und Lazarettflugzeuge zur Verfügung gestellt werden sollen.
Ensminger: Das wird ja noch diskutiert.
Pflüger: Aber die Regierung hat gesagt, dass sie bereit stehe, falls es derartige Anfragen von den Amerikanern geben wird. Sie schützt mit deutschen Bundeswehrsoldaten amerikanische Einrichtungen und Kasernen hier in Deutschland. An einem Krieg nehmen doch nicht nur diejenigen teil, die an einer Front kämpfen, sondern auch diejenigen, die in der Heimat Schutzfunktionen ausfüllen. Um Kriegs- und Kampftruppen im Irak ging es nie. Dagegen ist auch die Union. Solche Truppen haben wir auch gar nicht. Aber man kann doch nicht sagen, dass all diese Angebote eine Nichtbeteiligung darstellen. Hier wird den Leuten Sand in die Augen gestreut. Ich sage Ihnen, nach dem 2. Februar werden der Konsens zwischen den Europäern und der Konsens zwischen Regierung und Opposition sehr viel größer sein. Es ist jetzt der Versuch, mit einer Krieg- und Friedenrhetorik so einen letzten Wahlkampfstrohhalm zu erreichen. Ich finde, bei so wichtigen Fragen sollte das staatspolitische Interesse eine Landes vor den Wahlkampfinteressen stehen.
Ensminger: Vielen Dank, Herr Pflüger!
Link: Interview als RealAudio
Pflüger: Von deutsch-französischer Gemeinsamkeit kann ja, bis auf das allgemeine Friedensbekenntnis, das wir begrüßen und unterstützen, nicht die Rede sein. Gestern war der 40. Jahrestag der deutsch-französischen Beziehungen. Da konnte man sich nicht in den Haaren liegen. Aber es war doch mit Händen zu greifen, dass mit der entscheidenden Frage beim Abstimmungsverhalten im UN-Sicherheitsrat überhaupt keine Übereinstimmung besteht. Der französische Präsident hat klar gesagt, er wolle sich nicht festlegen lassen. Der deutsche Bundeskanzler hat im niedersächsischen Wahlkampf erklärt, dass ein Nein zum Krieg für Deutschland feststehe. Das stand ganz im Gegensatz zu Joschka Fischer, der vor dem Sicherheitsrat ebenso wie der französische Präsident gesagt hat, dass wir erst mal den Waffenbericht der Inspektoren abwarten müssen. Deutschland hat sich mit der Festlegung des Kanzlers jeder Einflussnahme beraubt. In der entscheidenden Frage gibt es einen Unterschied. Das werden wir auch heute im auswärtigen Ausschuss, wo wir den französischen und den deutschen Außenminister haben, thematisieren.
Ensminger: Wo Sie bei dem französischen Außenminister sind, der hatte im Sicherheitsrat angedeutet, dass Frankreich von seinem Vetorecht Gebrauch machen könnte. Chirac hat auch noch mal betont, man sei sich sehr nah in der Haltung. Das heißt, so weit auseinander liegt man nicht.
Pflüger: Also, ich wäre sehr froh, wenn die deutsche Regierung der Position des französischen Staatspräsidenten in der Sache folgen würde und wenn es einen Schulterschluss zwischen Deutschland und Frankreich gäbe. Im Moment sieht es so aus, dass wir in Europa eine Vielstimmigkeit haben. Tony Blair zieht in die eine Richtung, der deutsche Bundeskanzler in die andere. Ein bisschen weniger Blair und weniger Schröder, ein bisschen mehr Chirac würde zu einem europäischen Gleichklang führen. Dann könnte man Einfluss nehmen. Ich teile, genau wie die ganze Unionsfraktion, die Aussage, dass man jetzt in den nächsten Tagen und Wochen alles tun muss, um eine diplomatische Lösung herbeizuführen. Diese hat aber nur dann eine Chance, wenn der Druck aufrecht erhalten wird. Ich habe gestern den Schröder in den Tagesthemen gesehen. Da hat er gesagt, man müssen den Druck aufrecht erhalten und die Resolution 1441 müsse umgesetzt werden. Das finde ich alles richtig. Wie will man aber Druck ausüben, wenn alle, wie der Bundeskanzler, gesagt hätten, dass wir uns an einem Krieg nicht beteiligen.
Ensminger: Andererseits rennt die Zeit. Am Montag soll der Bericht vorliegen. Die Amerikaner drängen auch. Nun haben sich Schröder und Chirac dafür ausgesprochen, den Waffeninspektoren mehr Zeit zu geben. Es heißt auch in einem Bericht, dass Deutschland Einfluss im Sicherheitsrat nehmen will, um mit einer Verlängerung der Waffeninspektionen dann eventuell einen Angriff abzuwenden. Das ist ja dann schon ein akzeptabler Weg, wie Sie ihn auch beschrieben haben.
Pflüger: Absolut, das haben wir seit Wochen gesagt. Man muss auf die Waffeninspektoren hören. Wenn sie mehr Zeit brauchen, müssen sie in die Lage versetzt werden, ihre Inspektionen und auch ihre Interviews mit den irakischen Wissenschaftlern zu verlängern. Dann müssen die Inspektionen ausgeweitet werden. Vor allen Dingen hoffe ich auch auf das heutige Treffen der arabischen Außenminister. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es unter dem Druck der Vereinten Nationen vielleicht doch noch zu einer diplomatischen Lösung kommt. Vielleicht kommt es ja zu einer Exillösung für Saddam. Daran wird ja im Moment wirklich konkret gearbeitet. Aber all das, diese ganze Diplomatie, hat nur dann eine Chance, wenn auch der Druck dabei ist. Nimmt man den Druck weg, dann hat der Trickser und Lügner in Bagdad, der die Weltgemeinschaft seit 12 Jahren an der Nase herumführt, gewonnen.
Ensminger: Aber andersherum gefragt, muss man sich nicht geschlossen gegen einen Krieg stellen, angesichts der rennenden Zeit, um den USA auch deutlich zu machen, dass er jetzt noch nicht gewollt ist?
Pflüger: Aber das tun wir ja. Wir sagen den Amerikanern ständig, dass wir keine Alleingänge wollen. Das tun alle Europäer. Ich sage in jedem meiner Gespräche mit amerikanischen Gesprächspartnern, mit Senatoren, mit Angehörigen der Bush-Administration, dass sie die Folgen bedenken sollen. Ich sage, sie sollen vorsichtig sein und nicht die Anti-Terrorkoalition riskieren. All diese Bedenken sind richtig und werden auch geteilt. Es ist doch nicht so, wie Herr Schröder jetzt versuchte, in der Schlussphase des Wahlkampfes in Niedersachsen und Hessen zu suggerieren, dass die einen für den Krieg und die anderen für den Frieden sind. Die Frage ist, wie man den Frieden am besten sichert. Sollte man von Anfang an erklären, dass wir abseits stehen, egal was die Waffeninspektoren finden. Oder sollte man sich einreihen und zusammen mit allen anderen sagen, wir wollen den Frieden und jede Chance für eine diplomatische Lösung. Aber Frieden am Golf ist eine Sache, ich will aber auch Frieden für unsere Bürger hier auf lange Sicht. Ich möchte mir als Politiker, der ein ganz kleines bisschen ja auch Mitverantwortung in der Opposition trägt, nicht in fünf oder zehn Jahren einmal vorwerfen lassen, wir hätten gewusst, dass Massenvernichtungswaffen hergestellt werden, wir hätten die Vermutung gehabt und wir hätten nichts unternommen. Wie will ich das gegenüber späteren Toten in Deutschland oder woanders einmal rechtfertigen.
Ensminger: Also steht die Unionsfraktion zu ihrem Wort, ein Nein hält sie nicht für akzeptabel.
Pflüger: Wir teilen die Meinung des französischen Präsidenten, der gesagt hat, dass wir alles für den Frieden tun müssen, aber dass wir uns jetzt nicht festlegen können. Es war gut, dass der Außenminister Fischer in New York genau diese Position bezogen hat. Es war schlecht, dass der Bundeskanzler aus reiner Wahlkampftaktik in einer Wahlkampfveranstaltung in Goslar diese Position vorgestern verlassen hat. Das war ein schwerwiegender Fehler.
Ensminger: Das heißt, ein Nein wäre unter bestimmten Umständen für Sie vertretbar.
Pflüger: Wir warten den Bericht der Inspektoren ab und werden dann im Schulterschluss mit unseren europäischen Kollegen entscheiden. Es wäre nach meinem Gefühl schlimm für Europa, für das Gewicht Europas und für eine zukünftige gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik, wenn Deutschland einen Sonderweg ginge. Ich plädiere dafür, dass die Europäer gemeinsam im Sicherheitsrat abstimmen.
Ensminger: Nun haben Sie die Beratungen der Außenminister sechs arabischer Staaten bereits angesprochen. Die versuchen nun auch, Wege zu finden, wie man den Konflikt noch friedlich lösen könnte. Sie kennen ja die Region ganz gut. Wir gefährlich wäre denn ein Konflikt für die Region?
Pflüger: In dem Moment, wo es einen amerikanischen Schulterschluss mit allen anderen gäbe, also wenn wir ein Mandat oder jedenfalls ein erkennbares Ja der Staatengemeinschaft der Vereinten Nationen hätten, wäre das alles tragbar. Deswegen ist das so wichtig, dass die Weltgemeinschaft, wie das gestern der französische Präsident gesagt hat, hinter der Aktion steht. Sie muss entscheiden, was gemacht wird. Die Araber fürchten natürlich Aufstände ihrer Fundamentalisten. Sie fürchten aber auch Saddam und Massenvernichtungswaffen. Keiner am persischen Golf hat Interesse daran, dass der Irak Massenvernichtungswaffen in die Hand bekommt und dann die ganze Balance der Region ins Wanken gerät. Von daher sind wir gar nicht weit von den arabischen Führern entfernt. Wir müssen den Krieg vermeiden, aber auch Saddam entwaffnen und ihm seine Grenzen aufzeigen. Wenn ich noch einmal etwas zu der Position der Bundesregierung sagen darf, sie redet die ganze Zeit davon, dass sie sich nicht beteiligen wolle. Was heißt denn Beteiligung? Ist es nicht auch eine Beteiligung, wenn unsere deutschen Soldaten in den AWACS-Maschinen sitzen, wenn wir Patriot-Abwehrraketen nach Israel liefern? Herr Struck hat am Wochenende gesagt, dass eventuell ABC-Spürpanzer und Lazarettflugzeuge zur Verfügung gestellt werden sollen.
Ensminger: Das wird ja noch diskutiert.
Pflüger: Aber die Regierung hat gesagt, dass sie bereit stehe, falls es derartige Anfragen von den Amerikanern geben wird. Sie schützt mit deutschen Bundeswehrsoldaten amerikanische Einrichtungen und Kasernen hier in Deutschland. An einem Krieg nehmen doch nicht nur diejenigen teil, die an einer Front kämpfen, sondern auch diejenigen, die in der Heimat Schutzfunktionen ausfüllen. Um Kriegs- und Kampftruppen im Irak ging es nie. Dagegen ist auch die Union. Solche Truppen haben wir auch gar nicht. Aber man kann doch nicht sagen, dass all diese Angebote eine Nichtbeteiligung darstellen. Hier wird den Leuten Sand in die Augen gestreut. Ich sage Ihnen, nach dem 2. Februar werden der Konsens zwischen den Europäern und der Konsens zwischen Regierung und Opposition sehr viel größer sein. Es ist jetzt der Versuch, mit einer Krieg- und Friedenrhetorik so einen letzten Wahlkampfstrohhalm zu erreichen. Ich finde, bei so wichtigen Fragen sollte das staatspolitische Interesse eine Landes vor den Wahlkampfinteressen stehen.
Ensminger: Vielen Dank, Herr Pflüger!
Link: Interview als RealAudio