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Die deutsche Wirtschaft und der Klimaschutz

Die deutsche Industrie ist für eine Fortschreibung des Kyoto-Protokolls. Allerdings nur, wenn ein neues Abkommen alle großen Industrie- und Schwellenländer verbindlich in die Pflicht nimmt. Klimaschutzvorleistungen und einseitige Selbstverpflichtungen lehnt sie ab.

Von Georg Ehring | 19.10.2011
    Der Fortschritt sei eine Schnecke, jedenfalls soweit er den Klimaschutz betreffe, befand Bundesumweltminister Norbert Röttgen gestern anlässlich einer Konferenz des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Die Treibhausgasemissionen der Industriestaaten müssen jedes Jahr um mehr als 2,5 Prozent zurückgefahren werden, um das vereinbarte Ziel zu erreichen, nämlich die Erderwärmung auf zwei Grad über dem Niveau der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Deutschland schafft das bisher bei Weitem nicht, heißt es in einer Studie des Carbon Disclosure Project, die gerade veröffentlicht wurde. Im Auftrag von Investoren wie Banken und Versicherungen analysierten Forscher in über 60 Ländern Emissionsdaten und Klimastrategien der weltweit 3000 größten börsennotierten Unternehmen. Gestern trafen sich in Berlin also Vertreter des Bundesverbandes der Deutschen Industrie zum Thema Klimaschutz. Er ist so wichtig wie der Schutz des Euro, hieß es. Nur ein Lippenbekenntnis? Georg Ehring, Sie waren in Berlin dabei. Bezogen auf den CO2-Ausstoß weltweit nimmt sich der deutsche Anteil mit vier Prozent recht bescheiden aus. Wollen die Unternehmen angesichts der drängenden Banken-, Finanz- und Eurokrise die Klimaproblematik erst einmal auf die lange Bank schieben?

    Georg Ehring: Diesem Eindruck versuchte der BDI gestern energisch entgegen zu wirken. Es gab ein klares Bekenntnis zum Klimaschutz und die deutsche Industrie sei dafür auch gut aufgestellt, sagte Hauptgeschäftsführer Markus Kerber. Allein die erneuerbaren Energien beschäftigen ja schließlich etwa 370.000 Mitarbeiter, dazu kommen Energiespartechnologien in vielen Bereichen, im Maschinenbau, in der Autoindustrie und so weiter. Aber: Die Industrie pocht auf verbindliche Klimaschutzabkommen weltweit. Klimaschutz-Vorleistungen und einseitige Selbstverpflichtungen lehnt sie ab.

    Susanne Kuhlmann: Im November findet die UN-Klimakonferenz in Durban in Südafrika statt, wo erneut über eine Nachfolgeregelung für das Kyoto-Protokoll verhandelt werden soll, das nächstes Jahr ausläuft. Wie verhalten sich die deutschen Unternehmen?

    Ehring: Die deutsche Industrie ist für eine Fortschreibung des Kyoto-Protokolls, allerdings nur unter der Bedingung, dass ein neues Abkommen zur Fortschreibung alle großen Industrie- und Schwellenländer verpflichtet. Und das ist eine Bedingung, die ist derzeit unerfüllbar. Die USA sind sicherlich nicht mit dabei, sie fallen im Klimaschutz derzeit praktisch aus, China und Indien sind auch sehr zurückhaltend mit verbindlichen Verpflichtungen. Viele Klimaschützer fordern, Bewegung in die Verhandlungen hereinzubringen durch eine einseitige Erhöhung des Klimaschutzziels der Europäischen Union auf 30 Prozent CO2-Minderung und Bundesumweltminister Norbert Röttgen hat dies gestern vor der Industrie auch gefordert. 20 Prozent, die derzeitige Marke, sei gar keine Herausforderung mehr, die Industrie müsse sich ehrgeizige Ziele setzen. In der Europäischen Union hat er sich damit aber bisher nicht durchgesetzt, sehr zur Freude von BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber.

    "Wir sehen es eigentlich genau so wie der Europäische Rat und das Europäische Parlament: Ohne ein verbindliches Mittun der Anderen halten wir eine Heraufsetzung von 20 auf 30 Prozent für politisch nicht opportun."

    Ehring: Wichtig in Durban seien gemeinsame Standards für die Messung von Treibhausgasen und eine Fortschreibung des Clean Development Mechanism. Das ist der Mechanismus, mit dem Industrieländer Klimaschutzverpflichtungen auf Entwicklungsländer verlagern und sie dort finanzieren können.

    Kuhlmann: Welche Klimaschutzziele verfolgen die großen deutschen Unternehmen konkret?

    Ehring: Insgesamt noch viel zu geringe, Sie haben es gerade gesagt. Danach würden die CO2-Emissionen gerade mal halb so schnell sinken wie erforderlich. Im Konkreten ist das natürlich dann Detailarbeit. Beispielsweise BMW setzt auf Kohlefasertechnologien statt Stahl im Karosseriebau. Das spart Gewicht und damit auch jede Menge Treibstoff. In der Stahlindustrie hat es lange Forschungsarbeiten gegeben und herausgekommen ist ein Plan für den Umbau der Hochöfen. Politische Rahmenbedingungen, sprich: Die Ablehnung der CO2-Abscheidung im Boden machen da aber einen Strich durch die Rechnung. Gunnar Still, der Leiter der Umweltabteilung von Thyssen Krupp Steel.

    "Dieser Umbau bedingt aber, dass ich hinterher das CO2 über Carbon Capture and Storage quasi entsorgen kann und diese Möglichkeit ist also entscheidend, und wenn man in Deutschland sagt: Das geht nicht, dann werden wir diese Einsparmöglichkeit, die mehr als 50 Prozent der heutigen C02-Emissionen reduzieren helfen würde, nicht realisieren können."

    Ehring:Die CO2-Speicherung ist entscheidend in vielen Bereichen. Auch im Kohlekraftwerksbau beispielsweise. Vattenfall hat ja heute mitgeteilt, dass sie keine Kohlekraftwerke in Deutschland mehr bauen wollen, wenn es keine CO2-Speicherung hierzulande gibt.

    Kuhlmann: Deutsche Technik ist also weit gediehen, um den Klimaschutz voranzubringen. Wie steht es denn um die Bereitschaft, diese Technologie mit Entwicklungs- und Schwellenländern zu teilen, damit die auch das Klima schützen können?

    Ehring: Die deutsche Industrie will diese Technologie verkaufen an Entwicklungs- und Schwellenländer. Von Überlegungen, den Patentschutz aufzuweichen, hält Markus Kerber, der Hauptgeschäftsführer des BDI, nichts.

    "Die deutsche Industrie hat in der Vergangenheit mehrfach betont, dass sie ein großes Interesse am Mitwirken an diesem Technologietransfer hat. Allein schon, um im Gebiet der Standardsetzung mitwirken zu können, wenn wir über die nächsten Dekaden reden. Hauptpunkt, der uns Sorge bereitet, ist der Umgang mit Intellectual Property Rights. Dort möchten wir eine klare Absicherung haben, dass es hier zu keiner Einschränkung des bisher gültigen Regulierungsrahmens für geistiges Eigentum kommt im Rahmen des Klimaschutzes."