Koczian: Das sieht nach professionellem Terrorismus oder auch Geheimdienstarbeit aus. Den Maroniten galt Hobeika ja als Verräter, den Syrern war er nützlich und den Israelis war er unter Umständen ein lästiger Zeuge. Wer wird denn verdächtigt, hinter dem Attentat zu stehen?
Borgmann: Alle offiziellen Stellen, auch die ganze Presse, verdächtigt Israel hinter dem Attentat zu stehen. Einmal wird gesagt, dass Israel den Libanon destabilisieren will und unter anderem auch um den arabischen Gipfel, der hier im März abgehalten werden soll, zu torpedieren. Unter anderem wird gesagt, dass Israel den wichtigsten Zeugen ausschalten wollte. Das ist die offizielle Stellungnahme. Allerdings gab es gestern einen Staatsanwalt der Region, der auch vor Ort war, der als erstes den Kommentar abgab "Das war eine Meisterleistung eines Geheimdienstes". Und die Art und Weise, wie er das formulierte, deutete eigentlich vielmehr darauf hin, dass die Syrer dahinterstehen. Die Region Hasmir, in der Eli Hobeika gelebt hat, ist eine der bestbewachtesten Regionen in ganz Beirut. Es wird vermutet, allerdings nicht offiziell, dass die Syrer einfach auch ihre Politik korrigieren wollen und Leute, die ihnen selber gefährlich werden können im Moment ausschalten. Dazu gehört unter anderen Jean Ranem, der letzte Woche bei einem Autounfall ums Leben kam. Jean Ranem war Abgeordneter in der Partei von Eli Hobeika und es gibt Gerüchte, dass es kein Autounfall sondern auch eine Ermordung war, also auch ein Attentat.
Koczian: Das heißt also eine Warnung an die Regierung von Basher Al Assad, sich von der syrischen Protektoratsmacht etwas freischwimmen zu wollen.
Borgmann: Ja, wie gesagt, alle offiziellen Stellen geben die Verantwortung Israel, aber Syrien könnte auch das Interesse haben, bestimmte Leute, die bei der Reorientierung seiner Politik im Nahen Osten gefährlich werden könnten einfach radikal auszuschalten.
Koczian: Nun hieß es ja, Hobeika habe seine Zeugenaussage, was die Rolle Ariel Sharons bei Sabra und Shatila anginge, bereits gemacht. Wie glaubwürdig ist das?
Borgmann: Das muss man sehen, es gibt verschieden Aussagen. Eli Hobeika hat Dienstag den belgischen Abgeordneten gesagt, dass er sich bedroht fühle. Dann gibt es Statements, dass er gesagt hat, er hätte alle Dokumente für den Fall seines Todes sichergestellt und dass sie zugänglich sind. Gestern war aus Belgien zu hören, dass die Belgier eine Videokassette oder Audiokassette mitgenommen haben und all das ist möglich, all das wird sich auch herausstellen, jedenfalls von belgischer Seite ist irgendwo die Offenheit zu erwarten. Andererseits ist bewiesen, dass Eli Hobeika mit seinen Männern an dem Massaker von Sabra und Shatila teilgenommen hat. Es gab gestern auch Informationen, dass Hobeika den Belgiern erklärt habe, wer unter anderem an dem Massaker beteiligt war. Dass es eben nicht nur Christen waren sonder dass auch die damalige südlibanesische Armee mitgemacht hat und dass es eben auch Schiiten waren. Das verkompliziert die ganze Untersuchung, aber andererseits wird Hobeika nicht entlastet damit. Von daher haben die Israelis eigentlich kein Interesse daran, diesen Zeugen auszuschalten.
Koczian: Frau Borgmann, Belgien, weil dort der Prozess gegen Ariel Scharon denkbar ist; das sollten wir unseren Hörern noch erklären. Das war Monika Borgmann in Beirut, ich bedanke mich.
Borgmann: Danke.